Weltkulturerbe aus Schrott
Die Völklinger Hütte fasziniert die Besucher. Vor 20 Jahren wurde das stillgelegte Werk von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt.
Auf der Gichtbühne herrscht Ruhe. Das Rauschen der Autobahn und das Rattern der Züge hört man auf den sechs Hochöfen der Völklinger Hütte nur gedämpft. Fauchende Flammen und quietschende Loren sind nicht mehr als eine Erinnerung. 1986 wurde das Werk, das die Stadt an der Saar einst zu einer der reichsten und dreckigsten Deutschlands machte, stillgelegt.
Seit 20 Jahren ist es ein Touristenmagnet und jährlich spüren rund 300 000 Besucher auf 600 000 Quadratmetern der Industriegeschichte nach. Als die Unesco die Hütte am 17. Dezember 1994 zum Weltkulturerbe erklärte, war das eine Sensation. „Die Koordinaten der Kultur wurden neu gesetzt“, sagt der Generaldirektor des Welterbes, Meinrad Maria Grewenig.
Damals wurde erstmals ein Relikt der Industrialisierung auf eine Stufe mit den Pyramiden von Gizeh oder dem Kölner Dom gestellt. Dabei war fraglich, ob der drohende Verfall der Industrieanlage noch zu stoppen sein würde. Eigentlich sollte sie verschrottet werden. Doch dann fiel der Schrott-Preis. Fast 75 Prozent der Anlage sind saniert, im Jubiläumsjahr wurde ein „Unesco-Besucherzentrum“ eingerichtet.
Die Geschichte erleben
In der Sinteranlage, in der einst Feinerz und Gichtstaub recycelt wurden, werden die Besucher eingestimmt. Über die Wände flimmern Filme, aus Lautsprechern ist ein Pochen zu hören: „Der Herzschlag der Industrialisierung“, erklärt Peter Backes. Der 62-jährige Spezialist für Industriekultur ist von Beginn an dabei.
Texte, Fotos und Videos informieren über die Geschichte der Hütte, über Eisen- und Stahlerzeugung. Herzstück ist ein 3D-Modell, an dem man die Abläufe per Knopfdruck nachvollziehen kann. Dem Laien gibt das eine erste Orientierung für den Rundgang – den man am besten mit einem sachkundigen Führer wie Manfred Baumgärtner unternimmt.
Jetzt gibt es ein zweites Leben
Der 71-jährige Rentner ist Hochöfner mit Leib und Seele. Er hat die Blütezeit der Hütte in den 50er und 60er Jahren miterlebt und auch ihren Niedergang. Am 4. Juli 1986 nach mehr als 100 Jahren hat er dem Hochofen „den Wind“ abgestellt. Jetzt gibt es für die Hütte ein zweites Leben. „Ich bin schon zufrieden, wenn die Besucher hinterher den Unterschied zwischen Eisen und Stahl kennen.“
Der Erhalt der Hütte ist ein ständiger Balanceakt zwischen „Authentizität und Attraktivität“, wie Backes es ausdrückt. In Völklingen stehen selbst Staub und Ölfilm unter Denkmalschutz. Im Schnitt bleiben die Besucher drei Stunden. Dabei ist die Hütte kaum an einem Tag zu erforschen.
tmn
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