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Die besonderen Hoteliers

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Die besonderen Hoteliers

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Die besonderen Hoteliers

In der Lobby des Grandhotels Cosmopolis geht es in der Vorweihnachtszeit eher turbulent als besinnlich zu. Die Seniorin, die sich um die Buchhaltung kümmert, wird mit Umarmungen, Küsschen und besten Wünschen in die Feiertage verabschiedet. Ein Student kommt herein, er würde hier gerne arbeiten und sieht sich ein paar Stunden lang um. In der Lobby liegt Kaffeeduft in der Luft. Einer nimmt ein spätes Mittagsessen zu sich, auf dem Sofa wird diskutiert. Ein paar Hoteliers stehen auf der Treppe vor dem Eingang, rauchend und redend.

"Ein Ort, der auf die Stadt abstrahlt"

„Ein Grandhotel“, sagt Sebastian Kochs, „ist ja immer auch ein Ort, der auf die Stadt abstrahlt und sich nach außen öffnet – in dem Sinne entsteht hier wirklich ein Grandhotel.“ Goldene Badezimmerarmaturen und wohlbestückte Minibars wird man in diesem recht speziellen Grandhotel allerdings vergeblich suchen. Vielmehr sollen in wenigen Monaten rund 60 Asylbewerber einziehen, für Hotelgäste ohne Asyl werden zwölf Doppelzimmer zur Verfügung stehen, für Rucksackreisende günstige Unterkünfte entstehen. Rund ein Dutzend Künstler werden dann ihre Ateliers bezogen haben. Dazu soll das Grandhotel Anlaufstelle fürs Domviertel sein, Szene-Café, Bürgerrestaurant und Ausstellungsort. Seltsame Mischung? Ja, eine seltsame Mischung – aber mit Konzept.

Hier entsteht, so sieht es eben jenes Konzept von Kochs und anderen Kulturschaffenden vor, eine „soziale Skulptur im Herzen Augsburgs“. Noch wird an allen Ecken und Enden gewerkelt. Freiwillige, der harte Kern besteht aus etwa 30 Leuten, übernehmen einen Großteil der anfallenden Arbeiten – alle bezeichnen sich als Hoteliers. Einen Direktor gibt es nicht. Zahlreiche Handwerker haben ihre Unterstützung angeboten. Ständig treffen Spenden ein. „Ein IT-Experte, Professor an der Hochschule, hat sich beispielsweise gemeldet und will das Internet im ganzen Gebäude einrichten“, erzählt Kochs.

Es sieht so aus, als wird mitten in Augsburg dank vieler helfender Hände eine verrückte Idee doch tatsächlich Wirklichkeit.

Die Idee vom Kulturhotel

Aber der Reihe nach: Das früher vom Diakonischen Werk geführte Paul-Gerhardt-Altersheim im Spenglergässchen stand bereits einige Jahre leer. Die Diakonie überlegte erfolglos, was sie mit dem rund 2600 Quadratmeter großen Gebäude anfangen solle. Schließlich gab es eine Anfrage der Regierung von Schwaben, ob man nicht angesichts der steigenden Anzahl an Asylbewerbern Flüchtlinge unterbringen könne.

Ungefähr zur gleichen Zeit entwickelte eine Gruppe von Kreativen und Künstlern die Idee eines Kulturhotels – im Grandhotel Cosmopolis kommt nun beides zusammen. Doch das Projekt hat noch mehr Facetten. Das Hotel will auch Ideenschmiede sein, nicht zuletzt ist es der Versuch eines basisdemokratischen Miteinanders. Einmal in der Woche trifft sich das Plenum. Ständig entstehen neue Projekte. „Beispielsweise hat sich erst eine Lebensmittelkooperative gegründet, die ausschließlich bei Herstellern aus der Region einkaufen will“, berichtet Kochs.

Ganz schön riesig

Wenn man wissen will, wie groß das Haus ist, wie umfangreich die „soziale Skulptur“, dann muss man schon einmal das siebenstöckige Gebäude ablaufen. „Insgesamt stehen hier 2600 Quadratmeter zur Verfügung“, erzählt Michael Hegele, der zusammen mit Johannes Meyer und Sebastian Kochs durchs Haus führt. In den oberen Stockwerken befinden sich die Hotelzimmer für Menschen, die freiwillig auf Reisen sind. Künstler haben sie liebevoll gestaltet, jeder Raum ist ein Unikat. „Die Vorgaben sind für alle Zimmer gleich: Zwei Betten, Sitzgelegenheit, Aufbewahrungsmöglichkeit für Kleidung“, erklärt Johannes Meyer. Diese Standards gelten übrigens auch für die Zimmer der unfreiwillig Reisenden, der Asylbewerber – nur dürfen die sich ihre Möbel selbst aussuchen.

Vieles im Grandhotel kommt spielerisch und leicht, augenzwinkernd und doppelbödig daher. Das Projekt ruht aber auf ernsten Überlegungen. Wie gehen wir mit Menschen um, die ihre Heimat verlassen mussten und hier landen? Wie heißen wir sie willkommen – oder eben auch nicht? Dulden wir sie nur oder lassen wir sie teilhaben? Auch diese Fragen aus dem Grandhotel wollen in die Gesellschaft wirken.

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