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Hintergrund: Berliner Himmelfahrtskommando

Hintergrund

Berliner Himmelfahrtskommando

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    Muss jetzt das Schlamassel am Flughafen in den Griff bekommen: Engelbert Lütke Daldrup.
    Muss jetzt das Schlamassel am Flughafen in den Griff bekommen: Engelbert Lütke Daldrup. Foto: M. Gambarini, dpa

    Die Blamage nimmt kein Ende: Ob und wann der Berliner Pannen-Flughafen seinen Betrieb aufnehmen wird, ist nach dem neuerlichen Wechsel an der Spitze der Betreibergesellschaft unsicherer denn je. Nur zwei Jahre konnte sich der als Hoffnungsträger gestartete Karsten Mühlenfeld als Flughafen-Chef halten. Fachleute hatten ihm noch am ehesten zugetraut, das Projekt, das längst zum Sinnbild für Versagen und Kostenexplosion bei Großvorhaben geworden ist, zum Abschluss zu führen.

    Schon kurz nach der deutschen Wiedervereinigung war beschlossen worden, dass die neue Hauptstadt statt der zwei betagten Airports Tegel und Schönefeld einen zentralen Flughafen von Weltformat bekommen soll. Doch bei der Umsetzung der Idee lief falsch, was nur falsch laufen konnte.

    Wie ignorant die Sache angegangen wurde, zeigt eine kleine, eher kuriose Episode. So sollte der Flughafen ursprünglich als „Berlin Brandenburg International“ bei der Weltluftfahrtbehörde das Kürzel „BBI“ bekommen. Doch in Berlin war keinem aufgefallen, dass das „Wunschkennzeichen“ längst an den indischen Regionalflughafen Bhubaneswar vergeben war. Die Abkürzung BER ist nur zweite Wahl und gilt weltweit als Symbol des Scheiterns.

    Schon die Entscheidung für den Standort im brandenburgischen Schönefeld am südlichen Berliner Stadtrand halten viele für grundfalsch. Die Einflugschneise liegt über dicht besiedeltem Gebiet, so- dass die teuersten Lärmschutzmaßnahmen in der Geschichte der deutschen Luftfahrt fällig wurden. Nachtflugbetrieb ist nur eingeschränkt möglich – ein gravierender Nachteil im Wettbewerb.

    Die ursprünglichen Pläne für den Flughafen wurden laufend geändert, erweitert und ergänzt, sodass am Ende nichts mehr zusammenpasste. Dass für das immer komplexer werdende Projekt kein Generalunternehmer beauftragt wurde, sondern die einzelnen Abschnitte gesondert vergeben wurden, sollte sich bitter rächen.

    Die Flughafengesellschaft und deren Eigentümer, der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg, erwiesen sich als unfähig, die unzähligen Beteiligten zu führen. Für das zentrale Abflugterminal, Herzstück des Flughafens, listet ein Fehlerreport zehntausende Mängel auf. Von der Brandschutzanlage bis zu den Automatiktüren – nichts funktioniert. Die ursprünglich geschätzten Baukosten von einer Milliarde Euro haben sich schon versechsfacht, am Ende könnte der Flughafen acht Milliarden kosten. Immer wieder war sogar von Abriss und Neubau als Weg aus dem Schlamassel die Rede.

    Karsten Mühlenfeld ist es immerhin zu danken, dass heute kaum einer mehr davon redet, das verkorkste Mammutvorhaben komplett zu stoppen. Der erfahrene Maschinenbauer, sagen Kenner des Projekts, hat die unzähligen Fehlerstränge entwirrt, wichtige Aufgaben von unwichtigen getrennt und begonnen, System in das Chaos zu bringen. Dass er jetzt aufgeben musste, liegt weniger an fachlichen Defiziten als vielmehr an seinem fehlenden politischen Gespür. Mühlenfeld scherte sich wenig um die unterschiedlichen Befindlichkeiten bei seinen Auftraggebern Berlin, Brandenburg und Bund. Als er die versprochene Eröffnung noch in diesem Jahr abblies und eigenmächtig den Flughafen-Technikchef als vermeintlichen Schuldigen feuerte, hatte er seinen Kredit verspielt. Gerade Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betrieb die Absetzung Mühlenfelds. Müller fürchtet, dass es ihm ergeht, wie seinem Vorgänger Klaus Wowereit und das BER-Debakel auch sein politisches Ansehen ruiniert. Trotz intensiver Suche gelang es nicht, ein Schwergewicht aus der Luftfahrtbranche für das „Himmelfahrtskommando“ BER zu gewinnen – auch nicht für sehr viel Geld.

    So blieb als Verlegenheitslösung ein Mann aus der Politik. Der neue Flughafenchef, der Berliner Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup, ist Städteplaner und Kenner der Baustelle. In Berlin und gerade in Brandenburg gibt es allerdings erhebliche Zweifel, ob er auch genügend Führungsstärke und Kommunikationsfähigkeit mitbringt, um die beteiligten Firmen so auf Linie zu bringen, dass das Projekt schnell zu einem guten Ende kommt. Sicher ist, dass der inzwischen vierte Flughafenchef Zeit brauchen wird, um sich einzuarbeiten. So spricht alles dafür, dass mindestens das Jahr 2018 verstreichen wird, bis auf dem BER die ersten Flugzeuge starten.

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