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Illertissen: Blitzsaubere Karriere: Wie Kränzle zum Weltmarktführer wurde

Illertissen

Blitzsaubere Karriere: Wie Kränzle zum Weltmarktführer wurde

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    1974 machte sich Josef Kränzle mit seinem eigenen Unternehmen selbstständig. Heute stellt der Betrieb rund 100000 Hochdruckreiniger im Jahr her. 
    1974 machte sich Josef Kränzle mit seinem eigenen Unternehmen selbstständig. Heute stellt der Betrieb rund 100000 Hochdruckreiniger im Jahr her.  Foto: Roland Furthmair

    Wenn Josef Kränzle Post von seiner Krankenkasse bekommt, dann zuckt er stets leicht zusammen: „Da steht als Berufsbezeichnung immer Rentner“, sagt er. Auf dem Altenteil hat jemand wie er wirklich nichts zu suchen, auch wenn die „Sieben“ bereits eisern und unverrückbar steht. Josef Kränzle, Jahrgang 1944, wacht zwar nicht mehr nachts um drei auf, damit er eine Stunde später im Betrieb stehen kann, doch er ist immer noch höchst aktiv dabei, sein Lebenswerk weiterzuführen: die Firma, die er tatsächlich in einer Garage gestartet hat. Seither hat er im wahrsten Sinne des Wortes eine saubere Karriere hingelegt, denn das Illertisser Unternehmen Kränzle baut Hochdruckreiniger, die nicht nur ihrer Herkunft nach schwäbisch sind, sondern bis in das kleinste Schräubchen hinein von schwäbischem Geist durchdrungen sind. Und das hat mit der Person Josef Kränzle zu tun.

    Josef Kränzle hängt an seiner Heimat

    Er ist natürlich einer dieser sprichwörtlichen Schwaben-Tüftler, aber in erster Linie ist er Illertisser. Die Kleinstadt im südlichen Landkreis Neu-Ulm war bis zur Gebietsreform der Verwaltungssitz eines eigenen Kreises – und Josef Kränzle hängt an seiner Heimat. Einen Großteil seines Materials bezieht er aus dem Altlandkreis, seine Stiftung, die jährlich fast 400.000 Euro an Vereine und gemeinnützige Organisationen ausschüttet, konzentriert sich ausschließlich auf den einstigen Kreis Illertissen und er war einer der Ersten, die sich nach der Wiederzulassung der alten „ILL“-Nummernschilder eines ans Auto schraubte. „Man kriegt in der Region eigentlich alles“, lautet das Credo Kränzles. Einer seiner wichtigsten Lieferanten sitzt in unmittelbarer Nachbarschaft, in Vöhringen: das Weltunternehmen Wieland, Hersteller von Halbfabrikaten aus Kupfer und Kupferlegierungen. Es spielte im Leben von Josef Kränzle ohnehin eine entscheidende Rolle.

    Kränzle, aus einfachen Verhältnissen stammend, versuchte wie so viele junge Leute Ende der 1950er Jahre eine Lehrstelle bei Wieland zu bekommen. Weil er keine Beziehungen hatte, ohne die damals gar nichts ging, bekam er zunächst nur einen Job als „Vesperholer“ angeboten – mit dem Versprechen, nach einem Jahr Bewährung einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Der gerade mal 14 Jahre alte Josef griff zu – die beste Entscheidung seines Lebens, „das war der Grundstock für heute“. Er kam rum im Betrieb, lernte viele Leute kennen, machte sich beliebt, knüpfte Beziehungen – und er lernte zum ersten Mal die verblüffende Wirkung eines Dampfstrahlers aus amerikanischer Fertigung kennen, der eines Tages auf dem Hof vorgeführt wurde. Zwei Ingenieure, die das Gerät damals unter die Lupe nahmen, machten sich später selbstständig und produzierten ebenfalls Hochdruckreiniger unter den Marken Wap und Ehrle.

    Kränzle begann seine Ausbildung mit 14 Jahren

    Einer der beiden, Oskar Ehrle, erinnerte sich später an den jungen Burschen, der ihm bei Wieland als kreativer Kopf aufgefallen war, und gab ihm 1973 den Auftrag, eine Sprühpistole mit Abschaltautomatik zu entwickeln. Da war der ehrgeizige und gelehrige Kränzle längst Drehermeister und Lehrlingsausbilder. Der junge Handwerker ertüftelte einen Prototyp aus Holz, den er immer noch in einer Vitrine seines Hauptfirmensitzes aufbewahrt. Kränzle schaffte sich eine Drehbank an, die er in seiner Garage aufstellte, und begann, neben seiner Arbeit bei Wieland Teile für Hochdruckreiniger zu fertigen. 1974 machte er sich selbstständig.

    1974 machte sich Josef Kränzle mit seinem eigenen Unternehmen selbstständig. Heute stellt der Betrieb rund 100.000 Hochdruckreiniger im Jahr her. 
    1974 machte sich Josef Kränzle mit seinem eigenen Unternehmen selbstständig. Heute stellt der Betrieb rund 100.000 Hochdruckreiniger im Jahr her.  Foto: Roland Furthmair

    Doch den Wieland-Werken blieb er stets verbunden – über ein kleines Plastikkärtchen. Das ist der Ausweis der Wieland-Betriebskrankenkasse. Den fummelt Kränzle mit sichtbarem Stolz aus seinem Geldbeutel. Normalerweise erlischt die Mitgliedschaft beim Ausscheiden, doch Kränzle darf immer noch dazugehören. Er bekam auch die Chance, jederzeit in den Schoß des Großunternehmens zurückzukehren, falls sein Abenteuer Selbstständigkeit scheitern sollte. Warum? „Wenn sich ein Mitarbeiter selbstständig macht, weiß man, dass man keinen Deppen beschäftigt hat.“

    Als Kleinunternehmer produzierte er zunächst nur für andere. Erst zehn Jahre später stellte Kränzle seinen ersten eigenen Hochdruckreiniger her. Der Garage war er längst entwachsen, seine Firma hatte sich nur wenige hundert Meter vom Elternhaus entfernt auf einer Wiese am Stadtrand etabliert, wo sie heute noch ihren Hauptsitz hat. Viel bodenständiger geht es nicht mehr.

    Und genauso hat sich die Josef Kränzle GmbH & Co KG auch im Laufe der Jahre entwickelt, langsam und schwäbisch-bedächtig: „Wenn du kleine Schritte machst, kannst du nicht vom Weg abkommen“, sagt der Firmengründer. Nach diesem Prinzip trug er seine Produkte in die Welt hinaus. Teure Werbekampagnen kamen nicht infrage, dafür war kein Geld da. Er präsentierte seine Reiniger auf Messen und setzte ansonsten auf die Kraft der Mundpropaganda. „Wir wurden über Empfehlungen bekannt gemacht“, erzählt er. Das funktioniert allerdings nur, wenn das Produkt etwas taugt. Kränzles Geräte gelten als ausgesprochen solide und langlebig. Die gibt es nicht im Baumarkt zu kaufen, dafür sind sie zu teuer. Qualität hat ihren Preis.

    Rund 100.000 Hochdruckreiniger verkauft das Unternehmen

    Drei Viertel der Produktion geht an den gewerblichen Bereich, also an die Reinigungsprofis, die haltbares Gerät benötigen. Mit Privatkunden lässt sich weniger Geld verdienen, „denn die kommen nach dem Kauf ja 20 Jahre lang nicht mehr“. Rund 100.000 Hochdruckreiniger, deren Einzelteile fast alle selbst hergestellt werden, verkauft das Unternehmen pro Jahr.

    Was die Ideen anbelangt, so gilt auch hier das Schwaben-Prinzip: Innovation ist immer noch ein Stück weit Chefsache. Josef Kränzle besitzt viele Patente, er tüftelt stets selbst mit, denn einerseits hat er das ja schon immer getan, andererseits „soll die Entwicklung der machen, der das Geld hat, denn der muss es ja finanzieren.“

    Josef Kränzle besitzt noch 51 Prozent der Firmenanteile, den Rest hat er an seinen Sohn Ludwig abgegeben, der mit ihm zusammen in der sechsköpfigen Geschäftsleitung sitzt. Er sei ersetzbar, sagt der Seniorchef über sich, schließlich habe er hervorragende Geschäftsführer. Dennoch tut er immer noch so viel wie möglich für sein Unternehmen. Etwa morgens. Mittlerweile wohnt er in Lindau am Bodensee. Um halb sieben fährt er dort los und steigt eine Stunde später in Illertissen wieder aus dem Auto. Die Fahrt ist für ihn „die reine Erholung, da habe ich meine Ideen“.

    Das mit dem Kürzertreten, was er sich vor einigen Jahren mal vorgenommen hat, klappt also nur bedingt. Dass er nicht mehr so ganz jung ist, daran erinnern ihn gelegentlich nur die Briefe der Krankenkasse: „Das tut schon weh, wenn die ,Rentner‘ schreiben.“

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