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125 Jahre Dieselmotor: "Der Dieselmotor hat eine Zukunft"

125 Jahre Dieselmotor

"Der Dieselmotor hat eine Zukunft"

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    In den Hallen der MAN in Augsburg werden große Schiffs- und Kraftwerksmotoren gefertigt. Die Motoren gehen auf das vor 125 Jahren eingereichte Patent Rudolf Diesels zurück.
    In den Hallen der MAN in Augsburg werden große Schiffs- und Kraftwerksmotoren gefertigt. Die Motoren gehen auf das vor 125 Jahren eingereichte Patent Rudolf Diesels zurück. Foto: Ulrich Wagner

    Vor 125 Jahren hat Rudolf Diesel sein Patent angemeldet. Seit dem VW-Diesel-Skandal aber hat der Ruf des Motors gelitten. Ist die Zeit über den Diesel hinweggegangen?

    Hermann Koch-Gröber: Das sehe ich nicht so. Von einigen Politikern wurde für das Jahr 2030 das Ende des Verbrennungsmotors ausgerufen. Ich sehe dagegen auch nach dem Jahr 2030 noch vielfältige Anwendungen für den Diesel – auch, wenn er im Pkw nicht mehr so breit zum Einsatz kommen wird wie aktuell.

    Aber muss man den Diesel angesichts der Abgase nicht kritisch sehen?

    Koch-Gröber: Dass der Diesel in der Diskussion ist, hat technische Gründe. Sein Brennverfahren führt dazu, dass er im Zylinder Stickoxide produziert. Stickoxide sind unbestritten Schadstoffe. Ich habe zwar Bedenken, Zahlen zu teilen, wie viel Leute an den Folgen der Abgase sterben. Unbestritten ist aber, dass Stickoxide Menschen und Tiere belasten und gemindert gehören.

    Ist es technisch möglich, Stickoxid-Emissionen zu mindern, oder muss ein Hersteller wie VW tricksen, um die Grenzwerte einhalten zu können?

    Koch-Gröber: Die Emissionen kann man technisch in den Griff bekommen. Dies wird auch schon gezeigt. Zum Beispiel bei neuen Nutzfahrzeugen, die seit 2015 alle die strenge Emissionsstufe Euro VI erfüllen. Heutige Motoren in Lkw und Bussen minimieren Stickoxid-Emissionen so weit, dass ich sie für tragbar halte. Gegenüber einem zum Beispiel zehn Jahre alten Lkw wird der Ausstoß um mehr als drei Viertel im Normalbetrieb reduziert.

    Wie sieht der Kniff aus, um die Stickoxid-Emissionen zu senken?

    Koch-Gröber: Bei Nutzfahrzeugen ist es Stand der Technik, eine Harnstoff-Wasser-Lösung einzuspritzen.

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    Dann könnte man leicht auch alle Pkw nachrüsten?

    Koch-Gröber: Die Einspritzung der Harnstoff-Wasser-Lösung ist eine technische Aufgabe, die sehr gut gemanagt werden muss. Deshalb ist es nicht denkbar, solche Lösungen im Pkw nachzurüsten; man müsste in die Motorsteuerung eingreifen. Die Pkw-Hersteller haben es aber inzwischen im Griff, den Zusatzstoff so einzuspritzen, dass die Stickoxid-Emissionen um mehr als 90 Prozent reduziert werden. Die schon lange bekannte Abgasrückführung reduziert den Ausstoß weiter.

    Wie konnte es dann zum VW-Skandal kommen?

    Koch-Gröber: Erst für Autos, die ab diesem Herbst neu als Typ zugelassen werden, sieht die Gesetzgebung mit der Euro-6c-Norm eine Messung im realen Fahrbetrieb statt im völlig unrealistischen „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ vor. Die betroffenen VW-Motoren waren so manipuliert, dass sie die Grenzwerte auf dem Prüfstand erfüllten, nicht aber auf der Straße. Künftig ist das nicht mehr möglich. Daimler und andere Hersteller zeigen, dass man mit dem serienmäßigen Pkw-Dieselmotor auf der Straße die neuen, strengen Grenzwerte erfüllen kann. Solche Autos gehen gerade in den Markt. Daher hat auch im Pkw der Dieselmotor eine Zukunft. Er wird aber teurer werden, da man viel Entwicklung leisten muss. Für kleine Autos wie Polo, Corsa, Fiesta ist absehbar, dass Dieselmotoren kaum mehr verbaut werden. Ab der Kompaktklasse sehe ich mittelfristig aber eine sehr gute Zukunft für den Diesel. Ebenfalls für Fahrzeuge, die viel Laufleistung haben – also Autos von Außendienstlern oder Taxifahrern.

    In Stuttgart sind kürzlich wegen Feinstaubs Fahrverbote verhängt worden. Der Diesel hat also noch ein Problem.

    Koch-Gröber: Die Fachwelt, auch die Politik, weiß, dass der Titel „Feinstaubalarm“ irreführend ist. Denn die Grenzwertüberschreitungen für Feinstaub sind begrenzt. In Stuttgart geht es quasi nur um eine Messstation. Seit Ende der 2000er Jahre werden im Diesel flächendeckend Partikelfilter eingebaut. Diese sind höchst effizient: Rund 99 Prozent und mehr der Partikel werden ausgefiltert. Die Stickoxide liegen in vielen Städten aber noch weit über dem Grenzwert, und sie kommen überwiegend von den bisherigen Dieselmotoren.

    Rudolf Diesel.
    Rudolf Diesel. Foto: Ulrich Wagner

    Derzeit ruhen große Hoffnungen auf dem Elektroauto. Ist dies ein Hype oder der Antrieb der Zukunft?

    Koch-Gröber: Mir missfällt vor allem die Polarisierung der Diskussion. In Internetkommentaren wollen die einen nur noch Elektromobilität, die anderen aber mit einem V8-Motor durch die Gegend brettern. Beides ist nicht gerechtfertigt. Wir müssen den Verkehr weiterentwickeln. Unsere Städte haben in der Lebensqualität Luft nach oben. Elektromobilität wird zur Entlastung beitragen, ist aber nicht allein selig machend. Denn sie bleibt teuer. Das liegt an den Batterien. Elektrische Stadtbusse haben zum Beispiel eklatant höhere Kosten als Dieselbusse. Und die Firma Siemens forscht zwar gerade an elektrischen Oberleitungen für Busse und Lkw an den Autobahnen. Das ist sicher eine kreative Idee. Aber glauben Sie, dass es ein realistisches Szenario ist, alle Fernstraßen mit Oberleitungen zu versehen? Das ist eine Illusion.

    Also müssen wir nicht mit dem Ende des Diesels im Jahr 2030 rechnen?

    Koch-Gröber: Meiner Meinung nach wird das nicht kommen, weil es nicht vernünftig ist. Der Markt wird aber schrumpfen. Darauf muss sich die Industrie einstellen. Wir werden einen zweistelligen Prozentanteil an Elektroautos haben. Pauschallösungen aber haben in seltenen Fällen gute Ergebnisse gebracht. Das sehe ich in der Frage „Verbrennungsmotor oder Elektromotor“ genauso.

    In Augsburg werden Dieselmotoren für die Schifffahrt gebaut. Wie sehen Sie die Zukunft hier?

    Koch-Gröber: Auch hier sehe ich eine gute Zukunft. Das größte Emissionsproblem der Weltschifffahrt liegt an deutlich zu hohen Schwefelanteilen im Schiffskraftstoff. Auch ist die Emissionsminderung zum Beispiel durch Filter noch nicht ausgereizt. Das kostet alles Geld. Wir haben aber sehr gute Ingenieure, die die Emissionen senken können. Außerdem kann man die Schiffe mit ähnlicher Motorentechnologie auch mit Gas betreiben. Diese Erdgasmotoren sind deutlich sauberer.

    Professor Hermann Koch-Gröber lehrt an der Hochschule Heilbronn. Er ist Spezialist für Kraftfahrzeugtechnik und Antriebe und forscht daran, das Autofahren umweltfreundlich zu machen, zum Beispiel durch „Segeln“, das gezielte Rollenlassen des Autos.

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