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Testfahrt Golf GTE: Der Golf, der an der Steckdose tankt

Testfahrt Golf GTE

Der Golf, der an der Steckdose tankt

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    Der VW Golf GTE will der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen. Es gibt den Kompaktwagen als reinrassigen Stromer und nun auch als Hybriden, der an der Steckdose „tanken“ kann.
    Der VW Golf GTE will der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen. Es gibt den Kompaktwagen als reinrassigen Stromer und nun auch als Hybriden, der an der Steckdose „tanken“ kann. Foto: Volkswagen

    Das spannende Thema Elektromobilität kommt in Deutschland nur langsam in die Gänge. Zwar wirkt die Technologie in vielen Modellen inzwischen ausgereift. Eine breitere Käuferschicht jedoch finden die wenigsten. Jetzt versucht kein Geringerer als der VW Golf sein Glück in der Elektro-Liga. Und das gleich doppelt.

    Schon seit Mai ist der e-Golf erhältlich, ein reinrassiger Stromer, der dank einer richtig dicken Batterie bis zu 190 Kilometer ohne Nachladen zurücklegen kann. Dann ist allerdings definitiv Schluss, denn einen Reichweiten-Verlängerer gibt es nicht. VW verzichtet auf die umstrittene „Range Extender“-Technologie, mit der ein Akku auch während der Fahrt neuen Saft serviert bekommt. Für den e-Golf bedeutet das: Prima im Stadtverkehr, suboptimal über Land.

    Die zweite Version des alternativ angetriebenen Golf will dieses Dilemma auflösen. Ab Dezember steht beim Händler mit dem Golf GTE ein Hybride, der seine Kraft sowohl aus einem Elektro- als auch aus einem Benzinmotor schöpft. Zudem können die Batterien auch per Ladekabel „aufgetankt“ werden, was die Bezeichnung „Plug-in-Hybrid“ rechtfertigt. Knapp vier Stunden dauert dieser Prozess an einer gewöhnlichen Haushaltssteckdose; eine spezielle Ladestation („Wallbox“) schafft es in nur zwei Stunden. Witzig: Die Buchse, in die das Ladekabel eingesteckt wird, befindet sich im Kühlergrill direkt unter dem VW-Logo, das zu diesem Zweck aufgeklappt werden kann.

    Mit vollen Lithium-Ionen-Zellen gleitet der Golf GTE im rein elektrischen Betrieb, in dem jede Fahrt standardmäßig beginnt, bis zu 50 Kilometer weit bei einer Maximalgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern. Vom längeren Atem des e-Golf ist der Hybride, dem kleineren Energiespeicher geschuldet, damit zwar meilenweit weg. Aber nach VW-Lesart wird die 50-Kilometer-Distanz von den meisten Fahrern im Alltag ohnehin kaum überschritten. Und: Macht der Akku schlapp, kann ja immer noch der Benziner einspringen.

    Auch wenn es etwas mehr Elektro-Ausdauer hätte sein können - die Angst vorm Liegenbleiben ist Geschichte. Im Duett ermöglichen beide Antriebe im Idealfall 939 Kilometer Reichweite, bevor der GTE an die Steckdose oder an die Zapfsäule muss. Das verdient das Prädikat „absolut alltagstauglich“; und es qualifiziert den jüngsten Golf als vollwertigen, innovativen Erstwagen: Null-Emmissions- und Langstrecken-Auto in einem. Erfreulich außerdem, dass die komplizierte Technologie den Passagieren keinen Platz wegnimmt. Und die 200 zusätzlichen Kilogramm, davon 120 allein durch die Batterie, fallen buchstäblich kaum ins Gewicht.

    Der Sparer wird zum Sportler

    Gut so, denn ein Sportler will der Neue schließlich auch noch sein. Das verrät das Kürzel „GT“, wie es ja bereits im GTD und im legendären GTI verwendet wird. Der Neue trägt die gleichen Insignien wie seine beiden wilden Brüder, aber er macht optisch auf sauber. Der für den GTI typische rote Streifen im Kühlergrill ist beim GTE in Blau gehalten; im selben Ton sind die Bremssättel lackiert. Das wirkt schon schick.

    Entscheidend aber ist das Fahrgefühl. Rein elektrisch, im e-Modus, macht vor allem der lautlose Spurt aus dem Stand Laune. Leider war in der Praxis nach gut 30 Kilometern der Akku alle. Im Hybrid-Modus arbeiten Verbrenner und E-Maschine möglichst sparsam zusammen, sodass am Ende die besagten 939 Kilometer Reichweite locken. Im GTE-Modus schließlich addiert sich die Kraft der zwei Herzen: Auf den zarten Grundschub des bewährten Direkteinspritzers setzt der Elektromotor einen satten „Boost“. Das sorgt dann auch für GT-würdige Leistungswerte: 7,6 Sekunden von 0 auf 100, 222 Sachen Spitze.

    Wie viel Energie das insgesamt 204 PS starke System wirklich verbraucht, lässt sich kaum transparent nachvollziehen. In der Norm (aber halt auch nur dort) soll der Golf GTE mit durchschnittlich 1,5 Litern Super auf 100 Kilometern zufrieden sein, dazu kommen 11,4 Kilowattstunden Strom. Bei ersten Ausfahrten in der Stadt zeigte der Bordcomputer einen Spritkonsum von vier Litern an.

    Der Golf GTE kostet mindestens 36.000 Euro

    Damit taugt der Wagen kaum zum Sparwunder, zumal der GTE das Schicksal aller Vertreter seiner Spezies teilt: einen relativ hohen Anschaffungspreis. 36 900 Euro kostet das Auto mindestens, wobei verblüfft, dass der ausdauernde Hybride lediglich 2000 Euro teurer ist als der limitierte Stromer e-Golf. Zu gute halten muss man dem GTE eine passable Basisausstattung, etwa mit LED-Scheinwerfern, 16-Zoll-Leichtmetallfelgen, Sportsitzen und -lenkrad sowie einem großen Infotainment-System.

    Ob das neue VW-Elektro-Duo den Durchbruch einläutet, bleibt fraglich. „Wir haben keine Glaskugel“, sagt Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer. Entscheidend für die Wolfsburger ist vielmehr, dass sie auf alle Eventualitäten vorbereitet sind. Als erster Hersteller weltweit bietet VW mit dem Golf ein Fahrzeug an, dass mit sämtlichen relevanten Antrieben zu bestellen ist - von Benziner und Diesel über Gas bis zu den beiden Elektro-Varianten. Letztere könnten ganz schnell Auftrieb bekommen, wenn die Politik Anreize schafft, etwa durch Steuererleichterungen. Dann genügt der elektrifizierte Golf nicht nur den Ansprüchen des grünen Gewissens, sondern auch jenen der Wirtschaftlichkeit.

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