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Energie: Deutschland kann Klimaschutz-Ziele nicht einhalten: Droht eine Klage?

Energie

Deutschland kann Klimaschutz-Ziele nicht einhalten: Droht eine Klage?

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    Deutschland kann die Klimaschutz-Ziele für das Jahr 2020 nicht einhalten - das steht jetzt fest.
    Deutschland kann die Klimaschutz-Ziele für das Jahr 2020 nicht einhalten - das steht jetzt fest. Foto: Patrick Pleul (dpa)

    Es war einmal eine deutsche Bundesregierung, die sich für ihre Klimapolitik feiern ließ. In Europa hatte sie 2007 den Vorsitz und so setzte man „ehrgeizige Klimaschutz-Ziele“ (Kanzlerin Angela Merkel) durch: 20 Prozent geringere CO2-Emissionen, 20 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen und 20 Prozent effizientere Nutzung der Energie gegenüber dem Status von 2008. Bis 2020 wollte man die Vorgaben schaffen. Doch schon auf halber Strecke ging der gleichen Regierungschefin die Luft aus.

    Und so landete vor einigen Wochen ein blauer Brief aus Brüssel auf dem Schreibtisch der Regierung. Wörtlich hieß es da: „Nach derzeitigem Kenntnisstand ist die Kommission der Ansicht, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hat.“ Das bittere Märchen ist seit einigen Wochen Realität.

    Vereinbarte Richtlinien wurden nicht eingehalten

    Zusammen mit 23 anderen Mitgliedstaaten hat EU-Umweltkommissar Janez Potocnik bereits im Juli die Koalition abgemahnt, weil sie ausgerechnet die Richtlinie zur ergiebigeren Nutzung der Energie vom Dezember 2012 nicht rechtzeitig umgesetzt hat. Deren Kernstück ist der Artikel 7, der die EU-Länder verpflichtet, den Absatz der Energie beim Endkunden jedes Jahr um 1,5 Prozent zu senken. Auch sollten pro Jahr drei Prozent des öffentlichen Gebäudebestandes klimaschonend renoviert werden. Wie das genau geschehen soll, bleibt den Regierungen überlassen. Aber nur in Italien, Zypern, Malta und Schweden nahm man die Vorschrift ernst. Diese vier Staaten haben pünktlich zum Ende der gesetzten Frist für die Umsetzung am 5. Juni 2014 nationale Regelungen erlassen. Der Rest ersparte sich die Übernahme des gemeinsam gefassten Beschlusses.

    Zwar kündigte das Bundeswirtschaftsministerium inzwischen an, man werde bis zum 22. September Vorschläge einreichen. Da aber bislang noch nicht einmal ein Gesetzesvorschlag auf dem Tisch liegt, erwartet EU-Energiekommissar Günther Oettinger, der das Dossier betreut, keinen großen Wurf. Und schon gar keinen nationalen Aktionsplan, der auch nur annähernd die EU-Vorschriften erfüllt. Das förmliche Vertragsverletzungsverfahren, welches die Kommission inzwischen eröffnet hat, kostet zwar noch kein Geld. Aber Kommissar Potocnik machte in seinem Schreiben klar, „dass finanzielle Sanktionen verhängt werden könnten“. Bei hartnäckigem Ungehorsam würde er Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.

    Das ist die Ökostrom-Umlage

    Die EEG-Umlage sorgt immer im Oktober für Debatten, wenn die Höhe für das nächste Jahr festgelegt wird.

    Im Erneuerbare-Energien-Gesetz werden für jede Kilowattstunde Strom aus Solar-, Wind- und Biomasseanlagen auf 20 Jahre garantierte Vergütungen festgelegt. Die Höhe ist abhängig vom Anschlussdatum.

    Die Differenz zwischen dem am Markt für den Strom erzielten Preis und der festen Vergütung bildet die EEG-(Ökostrom)-Umlage.

    Zuständig für die Berechnung der Umlage sind die vier Betreiber der Stromautobahnen in Deutschland - sie kümmern sich um Verkauf und Vergütung des Stroms.

    Die Umlage wird auf Firmen und Privathaushalte umgelegt.

    Weil sich aber immer mehr Industrieunternehmen von der Umlage befreien lassen, steigen die Kosten für die Bürger.

    Wurden 2009 erst 5,27 Milliarden Euro über die Umlage auf die Strompreise aufgeschlagen, sind es nun 20,3 Milliarden Euro im Jahr.

    Davon tragen laut Branchenverband BDEW die Haushalte 7,2 Milliarden, die Industrie 6,1 Milliarden Euro.

    Energieversorger müssten mit Maßnahmen rechnen

    Einer der Gründe für die Berliner Zurückhaltung ist eine jahrelange Auseinandersetzung innerhalb der früheren Koalition. Während das Bundesumweltministerium die Richtlinie vorantreiben wollte, bekämpfte der damalige liberale Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler die EU-Richtlinie, als handele es sich um sozialistisches Teufelswerk. Sein Nachfolger, SPD-Chef Sigmar Gabriel, zeigte sich zwar offener. Aber außer ein paar Studien kam von ihm auch nichts. Dahinter dürften, so vermuten Beobachter, die Energieversorger stehen, die Zusatzlasten befürchten wie etwa in Österreich. Die Wiener Bundesregierung hat inzwischen ihre Konzerne verpflichtet, künftig jedes Jahr Effizienzmaßnahmen durchzuführen, die zur Senkung des Strom- und Gasverbrauchs von rund 0,6 Prozent führen. Außerdem sollen die Unternehmen Gutschriften erhalten können, wenn sie ihren Kunden moderne, energieeffizientere Geräte zur Verfügung stellen.

    Auch Oettinger denkt ähnlich: Wie in Dänemark und einigen US-Bundesstaaten sollen die Versorger selbst Maßnahmen ergreifen, die sich beim Endverbraucher positiv auswirken. Doch vor solchen Auflagen scheut Berlin zurück, um die Konzerne, die ohnehin durch die Kosten für die Energiewende belastet sind, nicht noch weiter zu provozieren. Brüssel scheint da aber nicht mitmachen zu wollen. (AZ)

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