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Weltbild: Ehemalige Weltbild-Mitarbeiter fürchten wieder um ihre Jobs

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Ehemalige Weltbild-Mitarbeiter fürchten wieder um ihre Jobs

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    Am Anfang hatten Olaf Keith und viele seiner Kollegen noch Hoffnung in den Käufer vieler Weltbild-Filialen gelegt. Doch mittlerweile herrscht Fassungslosigkeit. Keith leitet im nordrhein-westfälischen Hamm eine frühere Weltbild-Buchhandlung.

    Diese gehört zu den Geschäften, die im Februar der bis dahin in der Branche fast unbekannte Geschäftsmann Rüdiger Wenk übernommen hat. 67 meist defizitäre Weltbild-Läden gingen an seine Buchhandlung Lesensart GmbH mit Sitz in Ahaus – praktisch jedes zweite Geschäft des Weltbild-Filialnetzes. Jetzt wird klar, dass der Verkauf für einige Filialen keinen Neustart bedeutet, sondern die Schließung. Und auch sonst scheint bei Lesensart einiges im Argen zu liegen.

    Zwei Filialen sind geschlossen, zwei weitere stehen auf der Kippe

    Am 26. Mai hat Lesensart die Filiale in Rostock geschlossen, berichtet Keith, zugleich Sprecher des Gesamtbetriebsrats. Am 28. Mai traf es die Filiale im baden-württembergischen Balingen. Seit gestern wird nach Informationen des Betriebsrats die Schließung der Filiale im nordrhein-westfälischen Bünde vorbereitet. Die Mitarbeiter seien mündlich informiert worden, der Warenbestand werde bereits remittiert. Auch der Standort Dortmund stehe auf der Kippe.

    Und die Schließungen alleine sind es gar nicht. Der Gesamtbetriebsrat wirft dem Käufer vor, sich nicht an Betriebsvereinbarungen gehalten zu haben: „Uns war klar, dass die 67 defizitären Weltbild-Filialen nicht ohne Not verkauft wurden“, sagt Keith. Man habe aber vereinbart, vor möglichen Schließungen den Betriebsrat und dessen Wirtschaftsausschuss zu informieren – und darüber zu sprechen, ob die Mitarbeiter an einem Ersatzstandort unterkommen können. Dies alles fand aber nicht statt, berichtet Keith.

    Der Gesamtbetriebsrat habe noch versucht, vor dem Arbeitsgericht Bocholt die Schließungen per einstweiliger Verfügung zu verhindern – ohne Erfolg. Denn: „Die Schlüssel waren bereits an die Vermieter übergeben“, erzählt Keith. „Der Arbeitgeber hatte schon Fakten geschaffen.“ Die Mitarbeiter seien nun freigestellt. Einige hätten Versetzungsangebote an Filialen in 200 oder 300 Kilometer Entfernung bekommen. „Das ist unserer Meinung nach unzumutbar“, so Keith.

    Lesensart: Mitarbeiter sind "verunsichert, verängstigt oder wütend"

    Rund 370 Mitarbeiter arbeiteten vor dem Übergang der 67 Weltbild-Filialen an Lesensart an den Standorten. Ein Großteil sei inzwischen „verunsichert, verängstigt, zornig oder wütend“, beschreibt Keith die Stimmung. In seiner Filiale hat kürzlich eine Mitarbeiterin gekündigt. In Bayern gingen elf Filialen an Lesensart: München-Neuperlach, Regensburg, Landshut, Coburg, Bamberg, Straubing, Neuburg, Ansbach, Schwabach, Bad Kissingen und Freising.

    Knackpunkt sind häufig die Mietverträge, wie unserer Zeitung aus informierten Kreisen bestätigt worden ist. Mit dem Verkauf einer Filiale ist zwar der Warenbestand an Lesensart übergegangen, nicht aber der Mietvertrag. Mietverträge können nicht verkauft werden. Dies führt zu der problematischen Situation, dass viele Vermieter auf der Einhaltung ihres alten Vertrages beharren. Nach dem Motto: „Ich habe einen Vertrag mit Weltbild geschlossen – und will, dass er eingehalten wird“, sagt ein Insider.

    Lesensart-Filialen tragen oft noch Schilder von Weltbild

    Die Konsequenzen sind absurd: So könne es sein, dass Filialen mittlerweile zu Lesensart gehören, Vermieter sich aber gegen den Austausch der Schilder sperren. Auf Lesensart-Filialen prangt deshalb heute teils noch der Weltbild-Schriftzug. Kommen Kunden mit dem Weltbild-Katalog in den Laden, um einen Artikel zu kaufen, müssen sie im Extremfall enttäuscht abgewiesen werden. Denn exklusive Weltbild-Artikel darf Lesensart gar nicht verkaufen. Selbst das Auslegen von Flyern oder das Anbringen von Plakaten mit dem Lesensart-Schriftzug können Vermieter blockieren. Ein Wirrwarr, der das Geschäft belastet.

    Investor Rüdiger Wenk war gestern nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Kürzlich sagte er unserer Zeitung, man versuche alles, um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Filialleiter Olaf Keith hat dagegen viel guten Glauben verloren: „Herr Wenk hatte einen verantwortungsvollen Umgang mit den Mitarbeitern versprochen, dies sehen wir derzeit nicht.“

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