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Digitalisierung: Roboter: Chance für die Wirtschaft, Gefahr für Arbeitnehmer?

Digitalisierung

Roboter: Chance für die Wirtschaft, Gefahr für Arbeitnehmer?

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    Gespannt stehen Industrie und Handel, aber auch Handwerk und Medien vor der Frage, welche Folgen Digitalisierung und Robotik mit sich bringen.
    Gespannt stehen Industrie und Handel, aber auch Handwerk und Medien vor der Frage, welche Folgen Digitalisierung und Robotik mit sich bringen. Foto: Arno Burgi, dpa

    Auch in den Ausstellungshallen der CeBIT ist es jetzt wieder zu sehen: Wir sind mitten drin im Wandel. Und es wird keinen Bereich der Wirtschaft geben, den er nicht betrifft – und damit auch keinen Bereich unseres Lebens. Es wird ein digitalisiertes Leben sein im 21. Jahrhundert. Und ein digitalisiertes Arbeiten. Weit über das hinaus, was einem zuerst einfällt – Fabriken auf dem Weg zur Automatisierung, „Industrie 4.0“, Smartphones, die Vernetzung des Haushalts … Aber mit welchen Folgen?

    Technischer Fortschritt ersetzt mehr Arbeitsplätze als er schafft

    Auch an der Wall Street sind seit dem Jahr 2000 durch die Umstellung auf Computerhandel bereits ein Drittel der Finanzangestellten überflüssig geworden, 50.000 Stellen und damit ein Drittel der Beschäftigten. Neue Analyseprogramme werden binnen weiterer zehn Jahre für eine Halbierung sorgen. Im Handel wächst der Anteil der Onlinebestellungen jährlich um über zehn Prozent – Experten sprechen von „tektonischen Verschiebungen“, einer Veränderung in bisher unbekanntem Tempo. In 15 Jahren könnte demnach jedes zweite größere Unternehmen mit seinen Filialen vom Markt verschwunden sein – mit Folgen für die Einkaufsstraßen.

    50 Prozent also. Damit ist eine Schreckensmarke genannt. So groß nämlich wird nach einer heiß diskutierten Studie der Universität Oxford der Verlust heutiger Arbeitsplätze in der westlichen Welt bis zum Jahr 2030 sein. In Deutschland etwa hält das Forschungsinstitut ZEW gut fünf Millionen der heutigen Jobs bereits für leicht automatisierbar. Und doch mag IG-Metall-Chef Jörg Hofmann recht haben, wenn er sagt: „Wer heute behauptet zu wissen, was dies in 20 oder 30 Jahren im Saldo für die Zahl der Arbeitsplätze bedeutet, kann im Zirkus auftreten.“ Zumal wenn er „im Saldo“ sagt und damit meint, dass man nicht vergessen dürfe, dass auch neue Arbeitsplätze geschaffen würden. Die Unternehmensberatung PwC etwa spricht von einem absehbaren Mehrbedarf in Bereichen wie Technologie, Medien und Telekommunikation von etwa elf Prozent, von zwei Millionen zusätzlich benötigten Akademikern bis 2030 vor allem im Bereich der Informatik, Technik und Naturwissenschaften. Bereits dieses Jahr rechnet die Branche mit 21.000 zusätzlichen Arbeitsstellen in Deutschland.

    Strich drunter: Beim Weltwirtschaftsforum in Davos rechnete man in absehbarer Zeit mit zwischen drei- und viermal mehr verlorenen alten als gewonnenen neuen Jobs durch den Wandel. Und zugleich errechneten die Unternehmensberater von Boston um bis zu einem Drittel geringere Arbeitskosten in den 25 größten Exportnationen bis zum Jahr 2025, dank des Ersatzes von Menschen durch Software und Roboter.

    Am vorläufigen Ende vieler Zahlen also bleibt die Gewissheit: Keiner kann die Folgen genau und verlässlich beziffern – aber der Umbruch ist da. Die neuen technischen Möglichkeiten sorgen im ersten Schritt dafür, dass die vorhandene Wirtschaftswelt effektiver wird, und im zweiten Schritt dafür, dass neue Strukturen die alten ersetzen. Produktion und Organisation, Handel und Transport laufen weitestgehend automatisiert. Und so wie im Callcenter statt einem Menschen eine Maschine antwortet, verfassen auch Programme Angebote – und Artikel wie diesen? Denn die Entwicklung schreitet ja längst fort vom Fließband in die Büros. Aber was bedeutet das für die Menschen?

    Digitalisierung: Arbeitszeit sinkt, Produktivität steigt

    Deutsche-Bank-Chef John Cryan sieht eine historische Entwicklung am Werk: „Heute arbeiten viele Menschen in den Industrieländern nicht mehr sieben Tage pro Woche. Die Arbeitszeit des Einzelnen hat sich reduziert, die Produktivität erhöht. Vielleicht geht der gesellschaftliche Wandel einmal so weit, dass die meisten nur noch zehn bis 15 Stunden pro Woche arbeiten werden.“ Das klingt zwar hübsch, aber auf die logisch anschließende Frage, wovon die Menschen dann leben sollen, antwortet Cryan nur: „Was das für Staat und Gesellschaft heißt, muss noch diskutiert werden. Das ist eine wichtige gesellschaftliche Debatte. Aber wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass künftig vielleicht nicht mehr jeder Arbeit im heutigen Sinne hat.“

    Aber was dann? „Wozu sind Menschen nutze in einer Welt, die ihre Arbeit nicht braucht und in der nur noch eine Minderheit dazu da sein wird, eine digitalisierte Wirtschaft zu begleiten?“ So fragt GigaOM, ein Unternehmen für Technologieanalyse in Kalifornien. Oder der deutsche Philosoph Richard David Precht: „Was ist ein Recht auf Arbeit wert, wenn es für Millionen keine Arbeit mehr gibt?“ Auch er sagt: „Scheitern oder Gelingen – das ist keine technische, sondern eine politische Frage.“ Aber was sollten Staat und Gesellschaft darauf antworten? Zumal der Mensch als zahlungskräftiger Kunde ja durchaus gefragt bleiben wird.

    Zwei Versionen werden dabei am meisten diskutiert: Da ist einmal das, was etwa Precht meint, wenn er sagt, diese Entwicklungen für „Freiräume, für die Kreativität und die soziale Verantwortung“ gelte es zu nutzen. Manche halten ein Grundeinkommen für einen Versuch wert – nicht wenige mahnen, dass der Dienst des Menschen am Menschen gestärkt gehöre, etwa in Erziehung und Altenpflege. So könnte die Entfremdung, die mit der Industrialisierung einsetzte, zu Ende kommen, da die Maschine autonom wird, während der Mensch zum Menschen zurückfindet. Dann aber müsste die Politik eine gigantische Umfinanzierung der Wirtschaftsgewinne durchsetzen.

    Komplexe Berufe sind laut Experten am sichersten vor Robotern

    Die zweite mögliche Antwort ist die von nordamerikanischen Experten: Je komplexer der Beruf, desto sicherer ist er. So sagt der US-Ökonom Tyler Cowen, mit Durchschnittlichkeit sei es vorbei, also mit der Masse an Standardberufen. Es gelte, Menschen fortschrittlicher, umfassender auszubilden. Der kanadische IT-Unternehmer Ryan Holmes rät: „Investiert in Fähigkeiten, die eine Maschine nicht reproduzieren kann: Kreativität, Problemlösungen, Erfindungsgabe …“ Schon jetzt ist aus dem Hausmeister oftmals ein Facility Manager geworden, künftig wird er auch digitale Werkzeuge steuern. Und der Dachdecker wird mit Drohnen arbeiten … Aber für wie viele reicht das?

    Zu den beiden kommt noch eine dritte Antwort, und zwar aus der jüngsten Geschichte, am Beispiel der USA. Denn 65 Prozent der heutigen Jobs dort hat es vor 25 Jahren noch gar nicht gegeben. Das hieße dann: Wir und unsere Kinder würden Arbeit finden, auf Arten, die wir noch nicht absehen können. Wahrscheinlich immer flexibler. Und womöglich eher selten in einem Bereich, der heute noch Mittelschicht heißt. Aber das anders zu organisieren wäre dann wohl wieder eine Frage der Politik.

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