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Handel: So funktioniert Einkaufen ganz ohne Plastikmüll

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So funktioniert Einkaufen ganz ohne Plastikmüll

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    Wer im Supermarkt „Original unverpackt“ Gewürze kaufen will, muss diese selbst abfüllen.
    Wer im Supermarkt „Original unverpackt“ Gewürze kaufen will, muss diese selbst abfüllen. Foto: Tobias Schwarz, afp

    Hier ist der Name Programm: „Original unverpackt“ nennt sich der Lebensmittelladen. Und die üblichen Plastikverpackungen findet man hier tatsächlich nicht. Schon optisch unterscheidet sich das Geschäft in Kreuzberg von anderen Supermärkten: Es ist nur 90 Quadratmeter groß. Drinnen muss man sich trotzdem erst einmal zurechtfinden. Aber wie funktioniert das hier überhaupt, wenn man nur lose Lebensmittel kaufen kann? Wir haben es getestet.

    Funktionalität: Sobald man den Supermarkt betritt, fällt der Blick auf eine Waage, die für den Einkauf von großer Bedeutung ist. Da die Waren nicht verpackt sind, muss man sie größtenteils selber abfüllen – und um sich dabei nicht in der Menge zu verschätzen, sollte man sie wiegen. Als Kunde kann man entweder selber Dosen und Behälter mitbringen, um etwa Reis, Nudeln oder Kaffee zu transportieren, oder sie vor Ort erwerben. Die Tüten sind aus Papier oder Stoff, die Dosen aus Metall oder Glas. Sie sind, selbstverständlich wiederverwendbar – schließlich ist es Ziel der Macher von „Original unverpackt“, die Plastik- und Müllberge normaler Supermärkte zu vermeiden. An der Kasse zieht der Verkäufer das Gewicht des jeweiligen Behälters vom Gesamtgewicht des Einkaufes ab, um sicherzustellen, dass der Kunde ausschließlich für die Ware zahlt. Das klappt gut.

    Sobald man das Prinzip begriffen hat, ist es auch kein Problem, lose Lebensmittel wie Müsli und Tee eigenständig zu portionieren. Schwieriger ist es mit Hygieneartikeln wie Shampoo oder Deo. Den Inhalt aus der großen Tube in das dafür vorgesehene Rollerfläschchen abzufüllen, ohne dass etwas danebengeht, ist eine koordinative Herausforderung. Zahnpasta gibt es hingegen nicht in Tuben, sondern in Form loser Tabletten, die vor dem Zähneputzen zerkaut werden. Und Milch und Joghurt? Gibt es vorportioniert und gekühlt im Glas – wie in anderen Supermärkten auch.

    Sortiment: Derzeit bieten die beiden Betreiberinnen knapp 350 Produkte an: Obst und Gemüse, Linsen, Nüsse, Öle, Essig, Gewürze, Lakritze und vieles mehr. Der Großteil sind regionale Bioprodukte. Wer Nahrungsmittel braucht, findet in „Original unverpackt“ ein ordentliches Grundangebot, aber auch nicht mehr. Die Gründerinnen haben für manche Waren noch keine Wege gefunden, sie in das Supermarktkonzept zu integrieren. Außer Bananen gibt es die meisten exotischen Früchte hier nicht, ebenso wenig wie Fleisch, da es die Hygienevorschriften nicht erlauben, die Ware in selbst mitgebrachte Gefäße zu füllen. Auch eine Käsetheke, Tiefkühlprodukte und Klopapier sucht man vergebens.

    Was zudem einige Verbraucher stören wird: Viel Auswahl hat der Kunde nicht, die meisten Produkte kommen nur von einem Händler. So kann man sich einen Weißwein und einen Rotwein abfüllen, eine Sorte Kaffee wählen und eine Sorte Earl Grey kaufen.

    Preise: Die Betreiberinnen werben damit, dass die Waren nicht mehr kosten als in herkömmlichen Supermärkten. Das stimmt nur zum Teil: Der weiße Chardonnay für 5,59 Euro pro Liter ist etwa ein faires Angebot. Beim Kaffee sieht es anders aus: Er schmeckt zwar sehr gut und punktet damit, dass der Kunde ihn sich vor Ort in gewünschter Stärke mahlen kann. Mit 26,99 Euro pro Kilogramm ist er allerdings auch nichts für den kleinen Geldbeutel. 500 Gramm Honig für 6,29 Euro ist auch kein Schnäppchen, sondern gut doppelt so teuer wie anderswo. Ähnliches gilt für das Shampoo, das 3,20 Euro pro 100 Milliliter kostet – deutlich mehr als die normale 250-Milliliter-Flasche aus dem Supermarkt. Besonders knackige Preise gibt es bei den Behältern, die man zum Abfüllen der Produkte erwerben kann: eine Frischhaltedose für 9,99 Euro, eine leere Glasflasche für 15,99 Euro. Keine Frage: Wer bei „Original unverpackt“ einkauft, tut dies, um Plastik, nicht um Geld zu sparen.

    Probleme: Der Supermarkt wurde vor kurzem erst eröffnet, noch läuft nicht alles rund. Bei unserem Einkauf waren fast alle Obstsorten ausverkauft, manche Waren hatten noch keine Preisauszeichnung. Die Texte auf den Hinweisschildern erklären das Einkaufskonzept nur unzureichend, sind dafür aber seltsam oberlehrerhaft formuliert. („Einfach mitdenken, dann kann nichts passieren. Wir haften trotzdem nicht.“) Flüssigkeiten werden pro Liter oder Milliliter bezahlt, die Verkaufswaage erfasst aber nur Gramm oder Kilo. Das ist etwas ungenau, da sich Milliliter nicht eins zu eins in Gramm umrechnen lassen.

    Fazit: Die Idee des verpackungsfreien Supermarktes ist gut und eine Marktlücke, die große Ketten bisher nicht besetzen. Das Konzept zielt auf Kunden, die nachhaltig konsumieren wollen und bereit sind, sich das auch etwas kosten zu lassen. Derzeit kann der Laden allerdings allenfalls eine Ergänzung zu herkömmlichen Supermärkten sein – echte Konkurrenz ist er noch nicht.

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