Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Hauptversammlung: Spitzel beim ADAC - Mit Whistleblowern aus der Krise

Hauptversammlung

Spitzel beim ADAC - Mit Whistleblowern aus der Krise

    • |
    Ramponierter Ruf: Der ADAC hofft, sein Image wieder ein wenig aufpolieren zu können.
    Ramponierter Ruf: Der ADAC hofft, sein Image wieder ein wenig aufpolieren zu können. Foto: David Ebener (dpa)

    Das ist der ADAC

    Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) wurde 1903 in Stuttgart gegründet.

    Bis 1911 hieß der ADAC noch Deutsche Motorradfahrer-Vereinigung (DMV).

    Der ADAC hat über 18,6 Millionen Mitglieder.

    Er ist damit der zweitgrößte Automobilclub der Welt und der größte Europas.

    Der Hauptsitz des ADAC ist in München.

    Er hat 15 Tochtergesellschaften, z.B. die ADAC Luftrettung oder die ADAC Autoversicherung.

    Der Mitgliedsbeitrag für eine Person beträgt zwischen 49 und 84 Euro jährlich.

    Mehr Snowden für den ADAC. Mit umfassenden Reformen - unter anderem der Einführung eines Whistleblower-Systems - will der ADAC seine tiefe Krise überwinden und Kraft für einen Neustart sammeln. Dabei setzt der Autoclub vor allem auf eine striktere Trennung zwischen dem Verein und seinen Unternehmen und mehr Kontrolle von außen. Einen personellen Neuanfang vertagten die Delegierten des ADAC auf der Hauptversammlung am Samstag in Saarbrücken aber wie erwartet. Interimspräsident August Markl soll den Reformprozess zu Ende führen.

    ADAC: Verein wichtiger als wirtschaftliche Ziele

    "Die Krise hat den ADAC wachgerüttelt. Sie hat uns klar gezeigt, dass wir im Kern immer noch hervorragende und wichtige Arbeit leisten, aber uns noch neu ausrichten müssen. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, am Ende daraus gestärkt hervorzugehen", sagte Markl. Ihm liegt die Rückbesinnung auf den Vereinscharakter am Herzen. Dieser Status müsse erhalten werden. Dafür brauche es eine Abgrenzung zu den wirtschaftlichen Aktivitäten, ohne diese aber aufzugeben.

    Einmütig stellten sich die 197 Delegierten hinter die Pläne der Vereinsführung. Unter dem Motto "Reform für Vertrauen" sollen bis zum Spätherbst in mehreren Arbeitsgruppen konkrete Maßnahmen für den Umbau des fast 19 Millionen Mitglieder zählenden Vereins erarbeitet werden. Voraussichtlich am 6. Dezember soll eine außerordentliche Hauptversammlung in München über das umfassende Reformpaket entscheiden, das das Gesicht des Clubs grundlegend verändern könnte.

    "Wir werden den ADAC nicht über Nacht reformieren"

    So sollen etwa Aufsichtsräte wie bei der Versicherungstochter des ADAC künftig mit Fachleuten von außen und nicht mit ehrenamtlichen Funktionären besetzt werden. Firmen und ihre Angebote werde der ADAC auch in Zukunft brauchen, um die "Qualität der Mitgliederleistungen aufrecht zu erhalten". Allerdings würden die wirtschaftlichen Ziele auf ein "sinnvolles Maß" zurückgeführt. "Mitgliederorientierung kommt beim ADAC klar vor wirtschaftlicher Orientierung", sagte Markl.

    Zugleich bat er um Geduld. "Wir werden den ADAC nicht über Nacht reformieren können." Es werde viele Monate dauern, bis alle Fragen beantwortet seien. "Aber wir werden sie beantworten." Auch die Lobby-Arbeit will der Funktionär zurückfahren. In politische Debatten wolle sich der ADAC nicht mehr direkt einmischen. Sollte man Projekte wie die von der CSU geforderte Autobahnmaut für Ausländer ablehnen wollen, werde man zunächst die Mitglieder befragen.

    Transparenter will der Club auch bei seinen Zahlen werden. Zur Bilanz-Pressekonferenz am 30. Juni werde der ADAC auch die Struktur seiner Firmenbeteiligungen offenlegen. Laut Geschäftsführerin Marion Ebentheuer hat der Verein ein Vermögen von rund einer Milliarde Euro, alle ADAC-Vereine zusammen eine Bilanzsumme von 3,5 Milliarden Euro.

    Neuwahl des ADAC-Präsidenten verschoben

    Die ADAC-Affäre

    13. Januar 2014: Der ADAC gibt bekannt, dass die Leser der Mitgliederzeitschrift «Motorwelt» den VW Golf zum «Lieblingsauto der Deutschen» gewählt haben.

    14. Januar: Die «Süddeutsche Zeitung» berichtet über Manipulationen. Es soll nur 3409 Stimmen für den Gewinner gegeben haben, einem ADAC-Papier zufolge waren es 34 299. Der Club weist den Vorwurf zurück, nennt aber keine Zahlen.

    16. Januar: Bei der Feier zur Auszeichnung des VW Golf mit dem «Gelben Engel» spricht Geschäftsführer Karl Obermair von «Unterstellungen und Unwahrheiten» und prangert eine «Schande für den Journalismus» an.

    17. Januar: ADAC-Kommunikationschef Michael Ramstetter gesteht laut Obermair die Fälschungen, der Verein geht damit aber zunächst nicht an die Öffentlichkeit. Ramstetter übernimmt die alleinige Verantwortung und legt sein Amt nieder.

    19. Januar: Nach einem Bericht der «Bild am Sonntag» räumt der ADAC Manipulationen ein und bestätigt Ramstetters Abgang. Laut Club wussten Präsidium und Geschäftsführung nichts von Unregelmäßigkeiten.

    20. Januar: Ramstetter schönte auch die Jahre zuvor bei der Umfrage zum «Lieblingsauto» die Zahlen, sagt Obermair.

    21. Januar: ADAC-Präsident Peter Meyer lehnt einen Rücktritt ab. Die Staatsanwaltschaft München untersucht in einer «Vorprüfung», ob Straftatbestände berührt sein könnten.

    23. Januar: Das Münchner Amtsgericht prüft, ob der Club mit seinen 19 Millionen Mitgliedern den Vereinsstatus behalten darf.

    24. Januar: Nach Informationen des «Stern» reiste Meyer mit Hubschraubern der ADAC-Luftrettung zu Veranstaltungen. Die Statuten erlauben das in Ausnahmefällen, sagt ein Sprecher. Es habe binnen zehn Jahren rund 30 solcher Flüge von Präsidiumsmitgliedern zu offiziellen ADAC-Terminen gegeben.

    27. Januar: Die «Bild»-Zeitung berichtet über das Haus eines ADAC-Managers in Bad Homburg. Laut Verein wohnt der Regional- Geschäftsführer Hessen-Thüringen dort zur Miete - für 3230 Euro kalt im Monat. Die Immobilie in gehobener Wohngegend diene dem ADAC als Geldanlage.

    28. Januar: Die «Westdeutsche Allgemeine Zeitung» berichtet, Meyer sei mit einem ADAC-Hubschrauber auch von einem Geschäftstermin nach Hause geflogen. Laut ADAC wurde der Flug 2003 nicht extra für ihn organisiert. Der Helikopter auf dem Rückweg nach Bonn habe Meyer unterwegs in Essen abgesetzt.

    29. Januar: Ein ADAC-Hubschrauber föhnte 2006 in Braunschweig mit dem Wind der Rotorblätter einen unter Wasser stehenden Fußballplatz trocken. Der ADAC-Regionalchef für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hatte den Einsatz vor der Zweitliga-Partie Braunschweig-Dresden angefordert.

    30. Januar: Der ADAC prüft Bestechungsvorwürfe im Zusammenhang mit einer Badegewässeruntersuchung in den 1990er Jahren. Nach einem Medienbericht sollen Informationen zur Wasserqualität an bestimmten Badestränden aus den betroffenen Zielgebieten finanziert und beeinflusst worden sein.

    31. Januar: Nach Recherchen der «Süddeutschen Zeitung» und des NDR-Magazins «Panorama» drängt der Autoclub seine Pannenhelfer, eigens für den ADAC von der Firma Varta gefertigte Auto-Batterien zu verkaufen. Dafür gebe es eine Prämie.

    1. Februar: Der ADAC räumt einen 200 000 Euro umfassenden Werbe-Deal seines Regionalverbands Nordrhein mit der Firma eines ranghohen ADAC-Funktionärs ein. Dabei sei aber «alles klar geregelt» gewesen, versichert eine Sprecherin des Clubs.

    Markl bleibt erstmal an der Spitze. Wie erwartet verschob der ADAC die Neuwahl seines Präsidenten. Frühstens auf einer außerordentlichen Versammlung am 6. Dezember, spätestens aber im Mai 2015 auf der planmäßigen Tagung des Gremiums in Bochum, solle der Posten neu besetzt werden. Markl war kommissarisch eingesetzt worden, nachdem Peter Meyer im Zuge des Skandals Mitte Februar zurückgetreten war.

    ADAC-Beirätin Edda Müller, Deutschland-Chefin von Transparency International, mahnte grundlegende Reformen an. Auch die bisherigen personellen Konsequenzen reichten nicht aus. "Damit ist die ADAC-Welt längst nicht wieder in Ordnung", sagte sie in Saarbrücken. Der aus dem Saarland stammende Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) ermutigte den Club: "Ich habe als Kind gelernt: Es ist keine Schande hinzufallen. Es ist eine Schande nicht wieder aufzustehen."

    Nicht nur dabei setzt der ADAC auf Hilfe von außen. Einen weiteren Beitrag erhofft sich der Club von einem Whistleblower-System. Über ein via Internet benutzbares Portal kann Jedermann auch anonym Hinweise auf Unregelmäßigkeiten oder Verstöße geben. Die Meldungen werden nicht vom Autofahrerclub selbst verarbeitet, sondern gehen an eine externe Anwaltskanzlei, um die Unabhängigkeit der Überwachung zu gewährleisten. Solche Systeme gibt es auch bei großen Unternehmen.

    ADAC gewinnt wieder Mitglieder

    Der ADAC war nach dem Bekanntwerden von Fälschungen beim Autopreis "Gelber Engel" im Januar in eine tiefe Vertrauenskrise geraten. In der Folge musste sich der Autofahrerclub immer neuen Vorwürfen stellen. Rund 290 000 Mitglieder kehrten dem Verein seither den Rücken. Den seit Jahren anhaltenden Zustrom neuer Mitglieder konnte das aber nur deutlich bremsen. Zum 30. April hatte der ADAC 18 960 216 Mitglieder, immerhin 17 415 mehr als zu Jahresanfang. Sebastian Raabe/Jörg Fischer/dpa/AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden