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Südamerika: Venezuela und der Absturz einer Öl-Nation

Südamerika

Venezuela und der Absturz einer Öl-Nation

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    Venezuela gilt als das ölreichste Land der Welt. Trotzdem droht der Staatsbankrott. Einer der Gründe ist, dass viele Ölpumpen im Land weniger fördern, als sie könnten.
    Venezuela gilt als das ölreichste Land der Welt. Trotzdem droht der Staatsbankrott. Einer der Gründe ist, dass viele Ölpumpen im Land weniger fördern, als sie könnten. Foto: Federico Parra, afp

    Venezuela steht wieder einmal am Abgrund: In diesen Tagen muss das südamerikanische Land Schulden in Höhe von rund 250 Millionen Euro zurückzahlen. Gelingt das nicht, droht der Staatsbankrott. Zwar hat das Land gestern Schützenhilfe vom wichtigen Gläubiger Russland bekommen – die beiden Nationen einigten sich auf eine Umstrukturierung von Schulden.

    Und doch offenbart die Krise Probleme. Denn Venezuela ist eigentlich das ölreichste Land der Welt. Doch seit in Venezuela Präsident Nicolás Maduro an der Macht ist, sank die Ölproduktion des Landes um 16 Prozent.

    Gemeinsam mit dem Preisverfall des einst weit über 100 US-Dollar für ein Barrel gehandelten Rohöls ist es auch die mangelnde Produktivität, die das ölreichste Land in den Ruin treibt. Maduro macht einen "Krieg der neoliberalen Kräfte" gegen Venezuela für die Krise verantwortlich. Diese, so seine Argumentation, versuchen, das sozialistische Land zu destabilisieren.

    Präsident Chávez entließ in seiner Amtszeit massenhaft Ölfachkräfte

    Wichtigstes Unternehmen ist der staatliche Ölkonzern PDVSA, der bereits Jahre vor der "venezolanischen Revolution" von Hugo Chávez verstaatlicht wurde. Chávez hat den Zugriff der sozialistischen Partei auf den Erdölgiganten bis ins letzte Detail umgesetzt. In den ersten Jahren tauschte Chávez die Präsidenten des Unternehmens wie die Unterhemden, dann kam der große Kahlschlag. Rund 18.000 Mitarbeiter wurden entlassen, darunter viele mit ausgezeichneten Fachkenntnissen. Ihr Makel aus sozialistischer Sicht: mangelnde Linientreue.

    Fachkräfte,die unwissenden, aber mächtigen Parteifunktionären widersprachen, das verkraftete die Revolution nicht. Seitdem werden Vorstandssitzungen gerne im Fernsehen live übertragen. Mitarbeiter und Konzernvorstand tragen rote Hemden, es wird heftig mit dem Kopf genickt, wenn der Präsident die Marschroute für die Zukunft ausgibt, und sei sie noch so unrealistisch.

    Bis heute müssen die Venezolaner für eine Tankfüllung nicht mal einen US-Dollar ausgeben, doch sogar der Sprit an vielen Tankstellen ist inzwischen knapp. Einerseits, weil die Raffinerien marode sind, anderseits, weil Millionen Liter auf Schmuggelkanälen ins Ausland nach Kolumbien und Brasilien verschafft werden. Venezuelas Volkswirtschaft entgehen so Millionen Einnahmen, die dringend für die Modernisierung der Infrastruktur benötigt würden. Wo all die Milliarden-Einnahmen sind, die Venezuela zu Zeiten des Ölpreishochs scheffelte, weiß niemand.

    Der Öl-Preisverfall setzt der Öl-Nation Venezuela schwer zu

    Dem Preisverfall sind die Venezolaner dagegen ohnmächtig ausgeliefert. Im weltweiten Ränkespiel zwischen den Öl-Imperien aus dem Nahen Osten und der dank Fracking zur Öl-Supermacht aufgestiegenen USA wird Caracas zerrieben. Nun bezahlt das kleine Land den Preis für die politische Isolierung. War Venezuela unter Chávez zumindest in Lateinamerika eine politische Regionalmacht, droht Caracas nun der endgültige Ausschluss aus dem Staatenbund Mercosur. Dem Aus in der Organisation Amerikanischer Staaten ist das Land durch einen eigenen Austritt zuvorgekommen. Auf der internationalen Bühne spielt Venezuela keine große Rolle mehr.

    Im Land ist zudem die Produktion nahezu komplett zusammengebrochen. Zu Zeiten eines Ölpreises jenseits der 100-US-Dollar-Grenze konnte Caracas die fehlende eigene Produktion durch teure Lebensmittelimporte ausgleichen. Im eigenen Land aber wird inzwischen so gut wie gar nichts mehr hergestellt. Die Ölindustrie ist marode, die Land- und Privatwirtschaft haben sich aufgelöst. Das liegt vor allem an der hohen Inflation von bis 1000 Prozent und der unternehmensfeindlichen Haltung der Regierung, die in jedem Firmeninhaber einen potenziellen Feind der Revolution sieht.

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    Foto: dpa-Infografik

    Venezuela stehen schwere Jahre bevor

    Von der Regierung vorgegebene "gerechte Preise" sind unwirtschaftlich, weil sie von den tatsächlichen Preisen durch die Inflation in Rekordzeit überflügelt werden. Venezolanische Bauern produzieren eigentlich nur noch für die Eigenversorgung oder bieten die Ware auf dem Schwarzmarkt an. Der floriert in Venezuela. Offenbar auch mit staatlicher Unterstützung. Gegen Venezuelas Vizepräsident Tareck El Aissami erhebt die US-amerikanische Justiz den Vorwurf, er soll der Kopf einer Schmugglerbande sein, die Millionen bei überteuerten Lebensmitteln abkassiert.

    Verstärkt wird der Absturz Venezuelas durch einen Massenexodus an jungen, zum Teil gut ausgebildeten Arbeitskräften. Weil junge Studenten in dem heruntergewirtschafteten Land keine Perspektive sehen und der Staat ihnen keine Jobs anbietet, suchen viele junge Venezolaner ihr Heil im Ausland. Selbst bei einem Regierungswechsel würde es Jahre dauern, diesen Verlust auszugleichen. Dem Land stehen schwere Jahre bevor. Doch die Finanzspritze aus Moskau könnte die Symptome lindern.

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