Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e. V.), Wolfram Hartmann, sagte in einer Stellungnahme: „Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Kinder- und Jugendärzte vermehrt Psychopharmaka bei Kindern und Jugendlichen verordnen." Die Verordnungen seinen sogar rückläufig: "Kinder- und Jugendärzte verschreiben weniger und nicht mehr Psychopharmaka bei Kleinkindern bis vier Jahren."
Zu viele Psychopillen für Kinder? Ärzteverband widerspricht
Hartmann zufolge werden Kindern entsprechende Pillen nur zur Unterbrechung von Krampfanfällen oder Fieberkrämpfen verschrieben. Dass die Verordnungen bei Zehn- bis 14-Jährigen steigen, dementiert der Berufsverband nicht.
Daran seien allerdings andere Arztgruppen schuld: "Kinder- und Jugendärzte verordnen in dieser Altersgruppe entsprechend den bestehenden Leitlinien allenfalls sogenannte Psychostimulanzien zur unterstützenden Behandlung bei ADHS", sagte Hartmann. Zudem habe es bei Kindern und Jugendlichen im letzten Jahr keine auffälligen Steigerungen gegeben.
Der BVKJ wies allerdings darauf hin, in den letzten Jahren immer mehr Kinder und Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten in den Praxen zu sehen seien.
Außerhalb des Gesundheitswesens würde man zudem nicht die sozial-pädagogischen Strukturen vorfinden, um diesen Kindern und ihren Familien wirksam zu helfen.
Arzneimittelreport 2013: Kinder und Alte nehmen zu viele Pillen
Der Arzneimittelreport der Barmer GEK, der auf Daten von 2,1 Millionen Barmer-GEK-Versicherten über 65 Jahre sowie den Daten von rund einer Million Kindern und Jugendlichen basiert, war zu dem Ergebnis gekommen, dass Kinder und ältere Menschen zu viele Arzneimittel "mit gefährlichen Auswirkungen und ohne klaren medizinischen Grund" verschrieben bekämen.
Während Kindern "besorgniserregend" viele Psychopillen verordnet werden, schlucke ein Drittel der Senioren mehr als fünf Arzneimittelwirkstoffe täglich.
Antipsychotika haben zum Teil mit gravierende Nebenwirkungen
Der Bremer Gesundheitsexperte Gerd Glaseke, der den Report erstellt hat, erklärte, dass sich eine medizinische Erklärung dafür nicht direkt herleiten lasse. Weder zeigten Studien einen Anstieg psychiatrischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen, noch hätten sich die relevanten Therapieempfehlungen geändert. Auf der anderen Seite hätten Antipsychotika zum Teil gravierende unerwünschte Wirkungen.
Psychopillen vor allem für Kinder mit ADHS
Antipsychotika beziehungsweise Neuroleptika werden vor allem für Kinder und Jugendliche mit einer sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), mit Angststörungen oder Depression verordnet. (hubc/afp)