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Krebs: Biomarker-Tests bei Brustkrebs werden kritisiert: Liefern sie keine Erkenntnis?

Krebs

Biomarker-Tests bei Brustkrebs werden kritisiert: Liefern sie keine Erkenntnis?

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    Eine Frau wird während einer Brustkrebsvorsorgeuntersuchung für eine Mammografie vorbereitet.
    Eine Frau wird während einer Brustkrebsvorsorgeuntersuchung für eine Mammografie vorbereitet. Foto: Patrick Seeger/Symbol (dpa)

    Haben Biomarker-Tests bei Bruskrebspatientinnen keinen Nutzen? Darauf deutet eine Studie hin. Gen-Tests, die bei bestimmten Brustkrebs-Patientinnen eingesetzte werden, bringen nach derzeitigem Stand keinen klaren Erkenntnisgewinn bei der Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie. "Der tatsächliche "Mehrwert" der Biomarker-Tests für die Betroffenen kann erst beurteilt werden, wenn weitere Ergebnisse der laufenden Studien vorliegen", teilte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln mit. Die Experten hatten vorläufige Ergebnisse der sogenannten MINDACT-Studie ausgewertet.

    Kritik an Biomarker-Tests: Bringen sie bei Brustkrebs nichts?

    Mit einer Chemotherapie nach der Entfernung eines Tumors wollen Ärzte mögliche Metastasen ausschalten und so eine Wiederkehr der Erkrankung (Rezidiv) verhindern. Wie hoch das Risiko dafür ist, schätzen Mediziner in erster Linie über klinische Werte wie Alter, Zahl der betroffenen Lymphknoten, Tumorgröße und pathologische Untersuchungen des Gewebes ab. Doch gibt es bestimmte Konstellationen, bei denen eine Entscheidung für oder gegen die belastende Chemotherapie schwierig ist. In diesen Fällen erhoffen sich Mediziner von bestimmten Gentests entscheidende Hinweise. Sie untersuchen im Erbgut die Aktivität von Genen, die Auswirkungen auf eine Wiederkehr des Tumors haben.

    In Deutschland erkranken jährlich 70.000 Frauen an Brustkrebs, etwa 80 Prozent von ihnen erleiden nach heutigem Ermessen nie mehr ein Rezidiv, heißt es beim IQWiG. Demnach lässt sich grob geschätzt bei 20.000 Patientinnen nicht sicher sagen, ob sie von einer Chemotherapie profitieren. Bei ihnen ist unklar, ob sie ohne Chemotherapie ein Rezidiv erleiden würden, beziehungsweise ob ihr Krebs überhaupt darauf ansprechen würde. "Wenn das nicht der Fall ist, ist eine Chemotherapie eine unnötige Belastung", hieß es vom Institut.

    Reichen Biomarker-Tests bei Brustkrebs um Chemo auszuschließen?

    Bei solchen Fällen könnten Biomarker-Tests bei der Entscheidung helfen. Derzeit gibt es in Deutschland vier verschiedene solcher Systeme. Hersteller, Ärzte und Patientinnen kämpfen darum, dass die Krankenkassen die Test-Kosten für die Patientinnen erstatten. Der Preis liegt zwischen 1800 und 3200 Euro und damit unter den Kosten für eine Chemotherapie im vier- bis fünfstelligen Bereich. Über verschiedene Modelle und Kassen werden die Test-Kosten teilweise übernommen.

    Wie man Brustkrebs frühzeitig erkennen kann

    Brustkrebs ist mit etwa 31 Prozent die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Seit den 80er Jahren hat sich die Zahl der Fälle verdoppelt: Über 70.000 Mal im Jahr stellen Ärzte die Diagnose „Mammakarzinom“, gut 17.000 Frauen sterben jährlich daran.

    Experten empfehlen Frauen, ein Mal im Monat die Brust im Spiegel anzuschauen und abzutasten. Etwa 60 bis 70 Prozent aller Geschwulste werden auf diese Weise von Frauen selbst entdeckt. Umfragen zufolge tastet jedoch ein Drittel der Frauen die Brust nie ab.

    Die ärztliche Tastuntersuchung ist Teil des gesetzlichen Krebs-Früherkennungsprogramms ab dem 30. Lebensjahr. Ein Mal jährlich werden die Brustdrüsen und die Lymphknoten in den Achselhöhlen, am Schlüssel- und Brustbein abgetastet, die Form und Größe der Brust und Brustwarzen kontrolliert.

    Die medizinische Tastuntersuchung wird von blinden Frauen durchgeführt und in Bayern bislang in sieben Arztpraxen in Gunzenhausen, Nürnberg, Fürth, Erlangen, München, Ottobrunn und Vilshofen durchgeführt. Die Untersuchung kostet 46,50 Euro. Zwölf Krankenkassen übernehmen die Kosten derzeit.

    Zusätzlich zur jährlichen Tastuntersuchung werden Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre schriftlich zur Röntgen-Mammografie eingeladen. Dies ist Bestandteil des gesetzlichen Früherkennungsprogramms.

    Bei der Mammografie wird jede Brust von zwei Seiten geröntgt. Damit die dargestellten Gewebsschichten möglichst dünn sind, wird die Brust zwischen zwei Plexiglasscheiben gepresst. Das kann unter Umständen schmerzhaft sein. (sok)

    Das IQWiG hat sich Studien zu ihnen genauer angeschaut. Die Statistiker wollten wissen, ob die Tests jene Frauen sicher identifizieren, die auf eine Chemotherapie verzichten können.

    Allerdings bewerteten die IQWiG-Experten nur eine einzige Untersuchung: die MINDACT-Studie, die sich mit dem "MammaPrint"-Test beschäftigt. Bei den anderen Studien war ihnen die Datenlage nicht gut genug. Die Ergebnisse der MINDACT-Studie ließen darauf schließen, dass das Testprinzip grundsätzlich funktioniere, hieß es nun. Allerdings sei bei einigen wenigen Frauen auf eine Chemotherapie verzichtet worden, obwohl diese nötig gewesen wäre.

    Solche vereinzelten Fehlentscheidungen seien nur dann in Kauf zu nehmen, wenn der Verzicht auf die nebenwirkungsreiche Chemotherapie sehr große gesundheitliche Vorteile hätte. Die Daten zu Nachteilen solcher Therapien seien aber leider sehr vage. Es gibt laut IQWiG lediglich Schätzungen, wonach etwa zwei, drei Prozent der Chemotherapien zu Schäden an Herz, Nieren oder anderen inneren Organen führen, bis hin zum Tod.

    Insgesamt kommt das Institut zu dem Schluss: "Gegenwärtig kann man einer Frau mit klinisch hohem und genetisch niedrigem Risiko nicht guten Gewissens von einer Chemotherapie abraten." Wie gut die genetischen Tests seien, könne erst beurteilt werden, wenn Daten aus einem längeren Zeitraum vorliegen, denn oft tauchten Metastasen in anderen Organen erst nach vielen Jahren auf.

    Die Sichtweise des IQWiG erscheine nachvollziehbar, sagte Stefan Wiemann, Leiter der Abteilung Molekulare Genomanalyse am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, der nicht an der Analyse beteiligt war. Rezidive und Metastasen träten bei Brustkrebs häufig erst nach 10 bis 15 Jahren auf. "Ebenfalls nachvollziehbar ist die Kritik, dass mit dem "MammaPrint"-Test nicht sämtliche Hochrisiko-Tumorpatientinnen entdeckt werden", sagte Wiemann.

    Fehlentscheidungen aufgrund von Gen-Tests bei Brustkrebs?

    Auf Basis des Tests könne es zu Fehlentscheidungen kommen, keine Chemotherapie durchzuführen. "Für jede einzelne Patientin geht es um das persönliche Überleben, und es werden meist eher die negativen Begleiterscheinungen einer Chemotherapie akzeptiert als die Möglichkeit, aufgrund einer nicht-durchgeführten Behandlung sterben zu müssen."

    Die Analyse des IQWiG wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragt. Das Gutachten dient diesem Gremium als Grundlage für Entscheidungen zur Erstattung von Leistungen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Derzeit können die Tests über bestimmte Modelle abgerechnet werden, werden aber nicht generell erstattet.

    Brustkrebs: Frauentypen beim Screening

    Die Befürworterin: Diese Frauen sind überzeugt von der Professionalität und Sicherheit des Screenings. Sie nehmen es vertrauensvoll als Muss wahr, neigen aber auch zu einer Überschätzung des Nutzens.

    Die Risikobewusste: Diese oft jüngeren Frauen haben einen engen Kontakt zu ihrem Frauenarzt und nehmen immer regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teil. Viele neigen dazu, sich bereits vor einer Einladung einen Termin beim Screening geben zu lassen.

    Die Ambivalente: Dazu gehören häufig ältere und übergewichtige Frauen, die selten regelmäßig zum Frauenarzt gehen. Sie haben weniger Bildung und wissen nicht viel über das Screening, reagieren aber häufig auf eine Einladung.

    Die Verdrängerin: Diese Frauen verweigern trotz höherer Bildung eine Auseinandersetzung mit dem Thema Brustkrebs. Sie zweifeln an Vorsorge-Untersuchungen und neigen zu alternativen Heilmethoden.

    Die Ablehnerin: Diese gut gebildeten, oft älteren Frauen sind grundsätzlich skeptisch gegenüber dem Screening. Rund ein Drittel ist privat versichert und zieht Mammografie-Formen außerhalb des Screenings vor.

    Die G-BA teilte in einer Reaktion auf den Bericht mit, dass für die weiteren Beratungen inklusive eines umfangreichen Stellungnahmeverfahrens mit wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Medizinprodukteherstellern und anderen nun etwa eineinhalb Jahre zu veranschlagen seien. (dpa)

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