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Welt-Aids-Tag 2016: Zum Welt-Aids-Tag: AWas Sie über Aids und HIV wissen sollten

Welt-Aids-Tag 2016

Zum Welt-Aids-Tag: AWas Sie über Aids und HIV wissen sollten

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    Eine Aids-Erkrankung ist kein Todesurteil mehr. HIV-Infizierte können mit den entsprechenden Medikamenten ein normales Leben führen.
    Eine Aids-Erkrankung ist kein Todesurteil mehr. HIV-Infizierte können mit den entsprechenden Medikamenten ein normales Leben führen. Foto: Arne Dedert (dpa)

    Mit Aids beschäftigt sich seit 1988 Dr. Celia Oldenbüttel. Sie arbeitet im MVZ Karlsplatz. Die Praxis gehört seit der Gründung 1990 zu den größeren HIV-Schwerpunktpraxen in Deutschland. Neben der ambulanten Patientenbetreuung findet dort intensive klinische Forschung im Bereich HIV und AIDS statt. Im Interview erzählt Oldenbüttel zum Welt-Aids-Tag, wie Betroffene mit HIV leben und ob Aids geheilt werden kann.

    Kann HIV oder AIDS geheilt werden?

    Celia Oldenbüttel: Ja und nein. Die Mehrheit der Betroffenen kann nicht von HIV geheilt werden. Es gibt diesen einen Fall von Timothy Brown, der vor einigen Jahren in Berlin von Aids geheilt wurde. Er bekam eine Stammzellentransplantation wegen seiner Leukämie. Danach war das HI-Virus bei ihm nicht mehr nachweisbar. Bei Brown war das aber lediglich eine Begleiterscheinung der Krebstherapie.

    Welche Erfolge gibt es dann in der HIV-Therapie?

    Welt-Aids-Tag: Mit HIV ist ein normales Leben möglich

    Oldenbüttel: Es gibt inzwischen Medikamente, mit denendas Leben mit dem HI-Virus ganz normal möglich ist. In der Forschung gibt es große Erfolge. Erforscht werden gerade die sogenannten „Long Active“-Substanzen. Verabreicht werden sie über Spritzen. Das Medikament muss alle vier Wochen aufgefrischt werden. Im Moment befindet sich das Medikament in der Zulassungsstudie mit 800 Probanden. Ich schätze in zwei Jahren, wird es auf dem Markt sein.

    Dann gibt es auch noch die Studien in Glasgow. Da haben Forscher Makaken Antikörper gegeben, die eine Infektion mit HIV verhindern. Diese Antikörper schützten die Affen für einen längeren Zeitraum vor einer Infektion. Aber bei den Impfstoffen, die gegen HIV schützen sollen, stehen wir noch ganz am Anfang.

    Dafür ist seit einigen Wochen die Präexpositionsprophylaxe Trovada in Deutschland zugelassen. Das ist sozusagen die Pille davor. HIV-negative Menschen können sie 24 Stunden vor der riskanten Situation einnehmen und sind geschützt. Dann noch eine Tablette im Abstand von 24 Stunden danach und eine 48 Stunden nach der relevanten Situation. Das Präparat enthält einen Wirkstoff, der in fast jedem HIV-Medikament enthalten ist und wir haben mit einem 94-prozentigem Schutz gute Erfolge. Leider ist das Medikament noch sehr teuer und soll es dauerhaft schützen, muss es täglich eingenommen werden. Für Gebiete wie Afrika ist das aber unheimlich wichtig.

    Für einen HIV-Test muss ein Arzt Blut abnehmen. Das Ergebnis ist je nach Hersteller zwischen fünf und 30 Minuten ablesbar.
    Für einen HIV-Test muss ein Arzt Blut abnehmen. Das Ergebnis ist je nach Hersteller zwischen fünf und 30 Minuten ablesbar. Foto: Britta Pedersen (dpa)

    Mit Medikamenten wird HIV-Übertragung aufgehoben

    Wie leben Betroffene heutzutage?

    Oldenbüttel: Viele müssen nur noch eine Tablette am Tag nehmen, um unter der Nachweisgrenze zu bleiben. Das bedeutet auch, dass sie nicht mehr ansteckend sind. Auch sonst können sie ein ganz normales Leben führen. Obwohl sie das Virus noch in sich tragen. Das ist eine immense Verbesserung.

    Wie war das früher?

    Oldenbüttel: Als ich 1988 mit der Aids-Forschung anfing, war das eine tödliche Krankheit. Ich machte damals eine Sportstudie mit Aidspatienten. Damit war ich die erste, die so etwas ausprobierte und es zeigte tatsächlich Erfolge. Das Immunsystem der Patienten verbesserte sich. Heute gehört das zur normalen Therapieempfehlung, genauso, wie gesunde Ernährung.

    1993, als es mit Studien anfing, war auch diese Therapie lediglich eine kurze Lebensverlängerung. Mittlerweile reicht es bei vielen Patienten, nur noch eine Tablette täglich zu nehmen.

    Für manche HIV-Patienten ist es besser, nur ein Medikament zu nehmen

    Warum ist es besser, nur noch ein Medikament zu nehmen?

    Oldenbüttel: Wir gehen davon aus, dass ein Medikament weniger Nebenwirkungen auslöst. Auch Organschäden durch die Medikamente sind nicht nachgewiesen. Oftmals sind diese durch das Virus entstanden, als es noch unentdeckt war. Manche Patienten können auch schlecht schlucken, für sie ist das ebenfalls eine enorme Erleichterung. Dann gibt es noch die Fälle, die Resistenzen haben, bestimmte Medikamente wirken bei ihnen also nicht. Da bleibt uns dann nicht mehr viel übrig, als die Medikation zu reduzieren.

    Kampf gegen Aids - Von der ersten Infektion zur effektiven Therapie

    1900: Vermutlich um die Jahrhundertwende geht ein HIV-Urtyp (SI-Virus) in Afrika vom Affen auf den Menschen über.

    1959: Ärzte entnehmen einem Mann im Kongo eine Blutprobe. Jahrzehnte später wird festgestellt, dass sich darin HIV-Antikörper befinden.

    1981: Die US-Gesundheitsbehörden melden, dass immer mehr Homosexuelle unter bis dahin seltenen Infektionen und Hauttumoren leiden. 

    1982: Krankheitsfälle treten auch bei Drogenabhängigen und Blutern auf. Die Krankheit bekommt den Namen Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome, Erworbenes Immunschwäche-Syndrom). In Deutschland wird die erste Aids-Diagnose gestellt.

    1983: Luc Montagnier und seinen Kollegen vom Pasteur-Institut in Paris gelingt es, das Aids-Virus zu isolieren. Der New Yorker Arzt Joseph Sonnabend benutzt erstmals den Begriff "Safer Sex". Auch in Deutschland wird verstärkt über das Thema Aids berichtet.

    1984: Robert Gallo entwickelt ein Zellkultursystem und schafft damit die Voraussetzung für die Entwicklung erster Aids-Tests.

    1985: Die erste internationale Aids-Konferenz tagt. 27 Millionen deutsche Haushalte bekommen Informationsbroschüren zugeschickt.

    1986: Experten bezeichnen den Erreger einheitlich als HIV (Human Immunodeficiency Virus, Humanes Immunschwächevirus).

    1987: Das erste Aids-Medikament AZT wird in den USA und wenig später auch in Deutschland zugelassen. Es kann die Virus-Vermehrung etwas bremsen.

    1991: Die rote Schleife (Red Ribbon) wird zum internationalen Aids-Symbol. Queen-Sänger Freddie Mercury stirbt an HIV.

    1996: Für Aufsehen sorgt die Entdeckung, dass einige Menschen eine genetisch bedingte, wenn auch nicht vollständige HIV-Resistenz haben.

    1999: Schweizer Ärzte haben außergewöhnlichen Erfolg mit einer Hochdosis-Kombinationstherapie aus mehreren Medikamenten (HAART), in der Folge wird diese Strategie zur Standardbehandlung.

    2002: Der Globale Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria wird zur Finanzierung nationaler Maßnahmen gegen diese Krankheiten gegründet.

    2003: Mit dem Fusionshemmer Enfuvirtid (Handelsname Fuzeon) kommt in den USA und der EU eine vierte Klasse von Aids-Medikamenten auf den Markt, nach den sogenannten Nukleosiden, Protease-Hemmern und Transkriptase-Hemmern.

    2008: Luc Montagnier wird gemeinsam mit Françoise Barré-Sinoussi für die Entdeckung von HIV der Medizin-Nobelpreis verliehen.

    2010: Barack Obama hebt das in den USA seit 1987 geltende Einreiseverbot für HIV-Positive auf.

    2014: Bei dem zunächst als "funktionell geheilt" geltenden "Mississippi-Baby" entdecken Ärzte erneut das HI-Virus. Das Mädchen war kurz nach der Geburt mit drei Medikamenten behandelt worden, nach einem halben Jahr entzog es die Mutter einer weiteren Therapie. Monate später war das Kind dennoch virenfrei gewesen. Dies bezeichneten Mediziner als Sensation - bis der Erreger doch wieder auftauchte.

    2016: Die Vereinten Nationen sprechen von einem Wendepunkt der Aids-Epidemie in Afrika. Zum ersten Mal würden auf dem Kontinent mehr Betroffene behandelt als sich neu infizieren.

    HIV-Infizierte haben die gleiche Lebenserwartung wie gesunde Menschen

    Wie hoch ist die Lebenserwartung von Menschen mit HIV?

    Oldenbüttel: Wenn sie die Medikamente nehmen, dann genauso wie bei gesunden Menschen.

    Wie hoch ist die Zahl der Neuinfektionen?

    Oldenbüttel: Insgesamt haben wir 84.000 Infizierte in ganz Deutschland. Die Dunkelziffer liegt bei etwa 12.600 HIV-Infizierten. Laut dem Robert-Koch-Institut stecken sich in Deutschland jährlich 3200 Menschen mit HIV an. Das Problem, warum sich immer noch so viele anstecken, ist, dass viele nichts von ihrer Krankheit wissen. Außerdem hat HIV seinen Schrecken verloren, seit man damit so gut leben kann. Es ist mittlerweile wirklich einfacher zu behandeln als Diabetes.

    Nochmal zurück zu den Heilungschancen: Glauben Sie, dass HIV irgendwann geheilt werden kann?

    Oldenbüttel: Denkbar ist das. Immerhin kontrollieren wir die Krankheit schon zu 100 Prozent. Die Mechanismen sind uns bekannt. Es könnte also einen Weg geben. Aus meiner Sicht gibt es zumindest eine Chance, dass wir irgendwann HIV-Patienten heilen können.

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