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Bluttest: Experten kritisieren Down-Syndrom-Test: "Jeder ist potenzieller Behinderter"

Bluttest

Experten kritisieren Down-Syndrom-Test: "Jeder ist potenzieller Behinderter"

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    Der Bluttest um Kinder mit Down.Syndrom zu erkennen
    Der Bluttest um Kinder mit Down.Syndrom zu erkennen

    Monatelang haben Politiker, Behindertenverbände, Ärzte und Theologen über den neuen Bluttest für Schwangere diskutiert. Seit Montag ist der Test zur vorgeburtlichen Bestimmung des Down-Syndroms nun verfügbar, nach Angaben des Herstellers Lifecodexx in bisher zehn Praxen in Bayern, davon allein drei in München.

    Zunächst soll der Test ausschließlich bei Frauen mit Risikoschwangerschaften ab der 12. Woche angewendet werden, bei denen nach Routineuntersuchungen ein Verdacht auf Down-Syndrom des Embryos besteht. Der Test kostet 1250 Euro und muss selbst bezahlt werden. Weder sei der Bluttest genauer als die Fruchtwasseranalyse, noch könne er diese ersetzen, räumt Elke Decker, Sprecherin von Lifecodexx, ein. „Bei einem positiven Ergebnis empfehlen wir weitere Untersuchungen.“

    Zahlen und Fakten zum Downsyndrom

    Auf annähernd 700 Geburten kommt nach Angaben des Arbeitskreises Downsyndrom durchschnittlich ein Kind mit Trisomie 21. Das sind jährlich knapp 1200 Neugeborene.

    Weltweit leben etwa fünf Millionen Menschen mit Downsyndrom, verteilt auf alle Bevölkerungsschichten.

    Das Downsyndrom geht auf eine Besonderheit im Erbgut zurück: Betroffene haben einen Erbgutabschnitt, ein sogenanntes Chromosom, zu viel.

    Das Chromosom 21 liegt bei ihnen nicht wie im Normalfall zweifach, sondern dreifach vor. Daher kommt auch die Bezeichnung Trisomie (Verdreifachung) 21. Die genaue Ursache für die Zellteilungsstörung ist noch unbekannt.

    95 Prozent der Menschen mit Downsyndrom haben eine sogenannte freie Trisomie 21, die nicht erblich ist.

    Charakteristisch sind körperliche Auffälligkeiten und eine verminderte Intelligenz. Typische organische Probleme sind Herzfehler, Magen-Darm-Störungen und Demenz.

    Wissenschaftlich als eigenständiges Syndrom beschrieben wurde das Downsyndrom erstmals vom englischen Apotheker und Neurologen John Langdon Haydon Down (1828-1896) im Jahr 1866.

    Mit höherem Alter der Eltern steigt die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Downsyndrom zu bekommen, exponentiell an. Im Schnitt sind Frauen heute beim ersten Kind 29,6 Jahre alt, 1980 waren sie noch 25,2 Jahre alt.

    Der Bluttest, mit dem frühzeitig erkannt werden kann, ob ein Kind das Downsyndrom hat, ermittelt auch die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) und eine Trisomie 13 (Pätau-Syndrom). Die meisten Kinder sterben noch während der Schwangerschaft oder nach der Geburt. Auch eine Fehlverteilung der Geschlechtschromosomen X und Y erkennt der Test sowie das DiGeorge-Syndrom, bei dem das Kind einen Herzfehler haben, entwicklungsverzögert oder behindert sein kann.(leab/dpa)

    Im Gegensatz zur Fruchtblasenpunktion soll der neue Test komplikationslos sein, wodurch nach Einschätzung des Unternehmens bis zu 700 Kindern das Leben gerettet werden könne, die jährlich bei invasiven, also das Gewebe verletzenden Untersuchungen sterben. Der neue Test überprüft anhand des Bluts der Schwangeren, in dem auch Bruchstücke des Erbmaterials des Embryos enthalten sind, ob die zu erwartende Anzahl von Bruchstücken des Chromosoms 21 erhöht ist. Elke Decker spricht von „sehr vielen“ konkreten Anfragen von Frauen und Ärzten nach dem Test.

    Augsburger Weihbischof fürchtet „gläsernen Menschen“

    Kritiker befürchten, dass die immer exaktere Diagnostik zu mehr Schwangerschaftsabbrüchen führen könnte, da immer mehr Erbkrankheiten bereits vor der Geburt erkannt würden. Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger sagte im Gespräch mit unserer Zeitung, ihm bereite Sorgen, dass ethische Überlegungen nicht mit der Forschung Schritt halten könnten. Die Entwicklung gehe „in Richtung eines gläsernen Menschen, zum Preis eines USB-Sticks“.

    Losinger, der Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, gab zu bedenken, dass weniger als 20 Prozent aller Behinderungen vor oder bei der Geburt auftreten. Alle sonstigen Behinderungen entstünden aus anderen Gründen, etwa durch Unfälle. „Wir sitzen alle in einem Boot. Jeder ist ein potenzieller Behinderter“, sagte Losinger. Zwar sei der Bluttest an sich ungefährlicher als andere Tests – doch je unkomplizierter die Untersuchung, desto wahrscheinlicher sei auch ein Schwangerschaftsabbruch. Auch der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), bedauerte die Zulassung des Tests. Die Ankündigung von Lifecodexx, dass man an weiteren Diagnosen arbeite, zeige, „dass das Fahndungsnetz immer dichter wird“. (mit dpa, kna)

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