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Hygiene im Haushalt: Im Haushalt sind Desinfektionsmittel unnötig

Hygiene im Haushalt

Im Haushalt sind Desinfektionsmittel unnötig

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    Hygiene-Experte Dr. Tabori hält Desinfektionsmittel im Hausshalt für unnötig. Doch besonders bei Nahrungsmitteln ist Vorsicht geboten.
    Hygiene-Experte Dr. Tabori hält Desinfektionsmittel im Hausshalt für unnötig. Doch besonders bei Nahrungsmitteln ist Vorsicht geboten. Foto: Silvia Marks (dpa)

    Der Leiter des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene, Dr. Ernst Tabori, warnt vor unnötigen Desinfektionsmitteln.

    In Drogerie- und Supermärkten werden viele antibakterielle Produkte angeboten, von Müllbeuteln über Socken bis hin zu beschichteten Schneidbrettern. Ist der Eindruck richtig, dass solche Dinge heute öfter verkauft werden als vor zehn, zwanzig Jahren?

    Tabori: Meinem Eindruck nach schon. In den 90er Jahren waren einige Produkte zwar erhältlich, allzu aggressiv beworben wurden sie aber nicht. Das hat sich geändert. Die vielen Berichte über sogenannte Hygienemängel, unsachliche Berichte über Schweine- und Vogelgrippe, zuletzt auch über Ebola, haben viele Menschen verunsichert und Ängste geschürt. Die Werbung bedient sich dieser Ängste. Das führt dazu, dass viele Menschen meinen, desinfizierende Mittel kaufen und einsetzen zu müssen, obwohl sie im Haushalt überflüssig sind.

    Welche Produkte halten Sie für besonders unsinnig?

    Tabori: Antibakterielle Müllbeutel sind ein Humbug sondergleichen. Der Hausmüll kommt zur Müllabfuhr und wird verbannt, wozu will man ihn vorher noch desinfizieren? Auch antibakteriell beschichtete Textilien sind ein ausgemachter Unsinn. Sie vermitteln den Eindruck, man könne eine verschmutzte Unterhose über eine verlängerte Zeit tragen. Doch will man das? Benutzte Unterhosen und durchgeschwitzte Socken gehören in die Waschmaschine und nicht übertüncht. Von eigener Wäsche geht für unsere Gesundheit kein reales Risiko aus. Ebenso unsinnig finde ich Desinfektionsstäbe, die man in den Kühlschrank hängt, um damit Lebensmittel länger frisch zu halten. So klappt der Frühjahrsputz

    Warum?

    Tabori: Als Wirksubstanz ist der angeblich harmlose Stoff E 926 enthalten. Dahinter verbirgt sich Chlordioxid, ein stechend riechendes Biozid. Wenn man bedenkt, welch hitzige Debatte das „Chlorhuhn“ vor einem Jahr ausgelöst hat, kann ich angesichts der Widersprüchlichkeit nur den Kopf schütteln, wenn solche Stäbe gekauft werden. Bedenklich wird es, wenn man dann noch dem Rat des Produktbeiblattes folgt und die Temperatur des Kühlschranks von 4 bis 7 Grad Celsius auf 7 bis 8 Grad Celsius hochstellt.

    Was wird noch gerne falsch gemacht?

    Zahlen rund um die Hausarbeit

    Der Haushalt ist in Deutschland immer noch Sache der Frauen - auch, wenn sie arbeiten gehen.

    Weibliche Berufstätige verbringen im Schnitt 2,3 Stunden am Tag mit Kochlöffel, Staubsauger oder Bügeleisen, Männer mit Job nur 0,8.

    Dazu passt, dass 64 Prozent der Frauen berichten, sie seien in der Regel zu Hause für das Aufräumen und Putzen zuständig. Mehr als zwei Drittel stehen häufiger am heimischen Herd als die anderen Familienmitglieder.

    2012 behaupteten 90 Prozent der Männer in einer Umfrage, sie könnten weder Wäsche waschen noch bügeln.

    Sieben von zehn Hausfrauen und -männern in Deutschland sagen, sie seien häufig oder manchmal gestresst - und liegen damit etwa gleichauf mit den Berufstätigen.

    Wie viele Deutsche eigentlich Hausfrau oder -mann sind, lässt sich schwer feststellen.

    2012 waren laut Statistischem Bundesamt rund sechs von zehn Müttern und mehr als acht von zehn Vätern, die mit mindestens einem minderjährigen Kind in einem Haushalt lebten, erwerbstätig.

    Die traditionelle Rollenverteilung scheint die meisten gar nicht zu stören. Bei den Männern finden - wenig überraschend - nur vier Prozent die Aufteilung daheim nicht gut.

    Aber auch bei den Frauen sind nur 14 Prozent wirklich unzufrieden. Immerhin: In den vergangenen 20 Jahren verringerte sich die tägliche Hausarbeits-Zeit der Frauen um 30 Minuten, die der Männer nahm um 10 Minuten zu.

    Vielleicht machen Fensterputzen und Kuchenbacken sogar glücklich? Jedenfalls gaben 2011 in einer Umfrage zehn Prozent der Männer und Frauen an, sie empfänden bei der Hausarbeit «große Lebensfreude».

    Tabori: Manche Leute praktizieren eine paradoxe Form der Hygiene. Sie essen rohes Fleisch, füttern ihr Haustier am Esstisch und lassen sich von ihm abschlecken und gleichzeitig besprühen sie Toilette, Bad und Fußböden mit Desinfektionsmitteln. Dabei gehen von diesen Bereichen kaum Gefahren aus. Man muss sich immer fragen, wie ein Erreger an uns gelangt. Niemand wird auf die Idee kommen, in die Toilettenschüssel zu fassen oder den Fußboden abzuschlecken. Der Bereich, auf den es wirklich ankommt, ist der, wo Nahrungsmittel zubereitet werden und gegessen wird. Aufpassen muss man vor allem bei der Verarbeitung von rohem Fleisch, Fisch und Eiern.

    Also doch beschichtete Schneidbretter?

    Tabori: Nein, beschichtete Produkte sind ein Irrweg. Benutzte Messer und Brettchen gehören in die Spülmaschine, egal ob beschichtet oder nicht. Nur durch eine adäquate Reinigung werden sie ausreichend sauber. Es ist ja nicht so, dass Bakterien schon beim ersten Kontakt mit der Beschichtung tot umfallen. Um überhaupt wirken zu können, braucht es schon eine längere Einwirkzeit.

    Was sagen Sie zu antimikrobiellen Putz- und Waschmitteln? Gibt es Fälle, in denen solche Desinfektionsmittel sinnvoll sind – etwa dann, wenn ein Familienmitglied sich mit Noroviren angesteckt hat?

    Tabori: Bei Noroviren ist die Prophylaxe entscheidend. Wenn jemand erkrankt ist, sollte er, wenn möglich, eine eigene Toilette benutzen. Auf jeden Fall muss er sich die Hände sorgfältig waschen und ein eigenes Handtuch benutzen. Seine Wäsche ist in der Maschine bei 60 Grad mit einem Vollwaschmittel zu waschen. Unter erschwerten Bedingungen, etwa bei engen Wohnverhältnissen oder in Gemeinschaftseinrichtungen, kann in der Akutphase zusätzlich ein Händedesinfektionsmittel auf Alkoholbasis nützlich sein.

    Was sind die größten Gefahren von Flächendesinfektionsmitteln?

    Tabori: Sie können die Atemluft belasten, bei direktem Kontakt zu Hautirritationen führen und eventuell Allergien begünstigen. Ein weiteres großes Problem sehe ich in der Umweltbelastung. Die Mittel landen im Abwasser und stören Mikroorganismen, die die biologische Abbauarbeit leisten. Desinfektionsmittel sind – wenn man so will – Gifte, die nicht zwischen bösen und guten Keimen unterscheiden. Manche Wirksubstanzverbindungen sind außerdem sehr stabil und können über die Nahrungskette und das Trinkwasser wieder zum Menschen zurückkehren.

    Sie raten grundsätzlich von Desinfektionsmitteln im Haushalt ab?

    Tabori: Ja! Der normale Haushalt braucht diese Produkte gewiss nicht!

    Muss man überhaupt noch putzen ...?

    Tabori: Ja, auf jeden Fall – bis es glänzt und man sich wohl fühlt. Aggressive Reiniger braucht man dafür nicht. Mit einfachen, milden Seifen kann man Schmutz gut entfernen. Denn beim Putzen geht es in erster Linie um Reinigung und unser Wohlgefühl, nicht um Bakterienbekämpfung.

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