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Qualität deutscher Kliniken: Tausende warten mit gebrochenem Oberschenkel zwei Tage auf OP

Qualität deutscher Kliniken

Tausende warten mit gebrochenem Oberschenkel zwei Tage auf OP

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    Mehr als zwölf Prozent der Betroffenen müssen länger als zwei Tage mit gebrochenem Oberschenkel auf die OP warten. Das zeigt ein Report über die Qualität deutscher Kliniken.
    Mehr als zwölf Prozent der Betroffenen müssen länger als zwei Tage mit gebrochenem Oberschenkel auf die OP warten. Das zeigt ein Report über die Qualität deutscher Kliniken. Foto: Maurizio Gambarini/Symbol (dpa)

    Der Oberschenkel ist eigentlich ein sehr stabiler Knochen. Wenn er dennoch bricht, sollte der Patient eigentlich möglichst schnell operiert werden. Am besten innerhalb von 24 Stunden, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Sonst drohen Komplikationen, wie Thrombose, Embolien oder Druckgeschwüre.

    Doch in deutschen Krankenhäusern wird diese Empfehlung oft nicht eingehalten, wie eine Studie des Aqua-Instituts zeigt. Im letzten Jahr mussten knapp 13.000 Patienten mit gebrochenem Oberschenkel mehr als zwei Tage auf die Operation warten. Das sind 12 Prozent der Fälle.

    Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses von Krankenkassen, Ärzten und Kliniken haben die Experten knapp 3,3 Millionen Datensätze von etwa 1600 Kliniken ausgewertet. Die langen Wartezeiten bei Oberschenkelbrüchen sind nur ein Kritikpunkt, auf den der am Donnerstag in Berlin vorgestellte Report zur Qualität deutscher Kliniken hinweist.

    Oberschenkelbruch: Gründe für lange Wartezeiten auf OP

    Doch warum muss mehr als jeder zehnte Patient länger als 48 Stunden mit gebrochenem Oberschenkel warten, bis er operiert wird? Im Bericht werden verschiedene Gründe genannt.

    So viel Personal ist in den Kliniken der Region im Einsatz

    Augsburg: Das Klinikum Augsburg beherbergt 1735 Patientenbetten. Auf „Normalstationen“, die 42 oder 44 Betten beinhalten, betreut eine Pflegekraft nachts bei Maximalauslastung durchschnittlich 22 Patienten, sagt Stefan Graf aus dem Pflege-Vorstand des Klinikums. Auf den Intensivstationen betreut eine Kraft zwei Patienten, auf den sogenannten „Intermediate Care“-Stationen, die zur Überwachung der Patienten da sind, kommt auf vier Patienten eine Pflegekraft.

    Dillingen: Für Patienten in 200 Pflegebetten sind laut Pflegedirektor Max Kapfer nachts drei Ärzte vor Ort, drei ärztliche Hintergrunddienste stehen in Rufbereitschaft. Zwölf Pflegekräfte versorgen die Kranken: sechs auf der internistischen, drei auf der chirurgischen und drei auf der Intensivstation. Das entspricht bei voller Auslastung einem Schnitt von 16,7 Patienten pro Pflegekraft.

    Kempten: Das Klinikum Kempten hat 490 Patientenbetten. Es wollte sich an der Umfrage unserer Zeitung zunächst nicht beteiligen, weil wir die Zahlen nicht genau für alle einzelnen Fachbereiche aufgeschlüsselt haben.

    Landsberg am Lech: Um die Patienten in insgesamt 221 Betten kümmern sich nachts laut Pressestelle 16 Pflegekräfte, eine zusätzliche Pflegekraft steht als Rufbereitschaft zur Verfügung. Eine Pflegekraft kümmert sich nachts also durchschnittlich höchstens um 13,8 Patienten.

    Memmingen: Das Krankenhaus beherbergt 500 Patientenbetten auf zwanzig Stationen. Nachts sind dafür nach Angaben der Klinikleitung zehn Ärzte vor Ort im Einsatz, dazu kommen die Ärzte, die als „Hintergrunddienst“ im Notfall angerufen und einbestellt werden können. 36 Pflegekräfte sind nachts tätig, das heißt bei voller Auslastung: Eine Pflegekraft ist für 13,9 Patienten zuständig.

    Mindelheim: Um Patienten in 199 Betten kümmern sich laut Vorstand Franz Huber drei Ärzte. Vier Hintergrunddienste stehen rufbereit. Zudem sind nachts vierzehn Pflegekräfte vor Ort. Zwei Pharmazeutische Assistenten stehen im Labor und für Röntgenaufnahmen bereit. Ein Pflege-Assistent für Herzkatheter ist in Rufbereitschaft. Demnach kommen statistisch gesehen maximal 14,2 Patienten auf eine Pflegekraft.

    Ottobeuren: 120 Patientenbetten werden von zwei Ärzten im Nachtdienst betreut, sagt Vorstand Franz Huber. Im Rufdienst stehen drei Ärzte telefonisch bereit. Acht Pflegekräfte kümmern sich, im Labor und für Röntgenaufnahmen stehen zwei Pflegekräfte bereit, vier sind im Rufdienst. Demnach kommen höchstens 15,0 Patienten auf einen Pfleger.

    Ulm: Nach der bundesweiten Verdi-Umfrage hat das Klinikum Ulm eine Nachtdienst-Umfrage im eigenen Haus gestartet. Demnach wurden am vorvergangenen Wochenende 639 Patienten von 42 Pflegefachkräften und zwölf Hilfskräften versorgt. Die Intensivstation, die Notaufnahme und der Kreißsaal versorgten 106 Patienten mit 36 Pflegefachkräften, zwei Hilfskräften und drei Schülern. Im Schnitt kamen auf eine Fachkraft demnach tatsächlich 15,2 Patienten, in der Intensivstation pro Fachkraft 2,9 Patienten.

    Wertingen: Für 117 Patientenbetten sind nachts zwei Ärzte vor Ort zuständig, sagt Pflegedirektor Max Kapfer. Zwei Ärzte stehen im Hintergrund als Rufbereitschaft zur Verfügung. Zudem kümmern sich acht Pflegekräfte vor Ort um die Patienten. Pro Pflegekraft sind das nachts bei voller Auslastung also 14,6 Patienten.

    Die Daten beruhen auf dem Stand von 2015.

    Oberschenkelbrüche kommen häufig bei älteren Menschen vor. Wenn der Gesundheitszustand zu schlecht ist, muss die Operation oft verschoben werden. Dies kann auch bei der Einnahme von bestimmten Arzneimitteln der Fall sein. Manchmal ergeben sich die langen Wartezeiten auch, weil die Einverständniserklärung der gesetzlichen Betreuer noch nicht vorliegt.

    Wenn Patienten mit gebrochenem Oberschenkel erst zwei Tage nach der Aufnahme in den OP-Saal kommen, liegt das aber auch oft einfach am Personalmangel. Wer sich am Freitag den Oberschenkel bricht, muss statistisch gesehen länger auf die OP warten. ls

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