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Down-Syndrom: Trisomie 21: Neun von zehn entscheiden sich für Abtreibung

Down-Syndrom

Trisomie 21: Neun von zehn entscheiden sich für Abtreibung

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    Immer weniger Kinder kommen mit Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt, auf die Welt. Viele Eltern entscheiden sich für eine Abtreibung.
    Immer weniger Kinder kommen mit Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt, auf die Welt. Viele Eltern entscheiden sich für eine Abtreibung. Foto: Uli Deck, dpa (Symbolbild)

    Ein Chromosom zu viel und die werdenden Eltern stehen vor einer schwierigen Entscheidung: Ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt bringen? Oder abtreiben? Immer mehr Paare entscheiden sich für einen Schwangerschaftsabbruch, wenn sich bei Untersuchungen herausstellt, dass beim Fötus eine genetische Störung vorliegt.

    Die Folge: In Deutschland kommen kaum noch Babys mit Down-Syndrom, auch Trisomie 21 genannt, zur Welt. Und das obwohl die Lebenschancen von Menschen mit Erbgutstörungen immer besser werden. 9 von 10 Schwangeren entscheiden sich in Deutschland gegen ein Kind mit Behinderung.

    Im vergangenen Jahr wurde die Geburt eines Down-Syndrom-Kindes gar als Arztfehler vor Gericht verhandelt - die Klage auf Schmerzensgeld wurde abgewiesen. In den meisten Nachbarländern gibt es ähnliche Entwicklungen. Ein Überblick zum Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März:

    Schweiz: Jährlich werden nur 90 Kinder mit Down-Syndrom geboren

    In Zürich war die Abtreibung von rund 90 Prozent der Föten mit Trisomie 21 gerade Thema auf der Theaterbühne: Der Schweizer Schock-Regisseur Milo Rau inszenierte sein Folter-Stück "Die 120 Tage von Sodom" mit Schauspielern des Hora-Theater, die fast alle mit Trisomie 21 leben. In der Schweiz werden dem Bundesamt für Statistik zufolge jährlich nur noch weniger als 90 Menschen mit diesem Gen-Defekt geboren. 2015 gab es etwa 10.000 Abtreibungen - wie viele Frauen sich aufgrund einer Fehlbildung des Fötus dazu entschieden, sagt die Statistik allerdings nicht. 

    "Die Schweiz ist in der Praxis noch sehr separativ unterwegs, nicht integrativ und schon gar nicht inklusiv", sagt Barbara Habegger von der Elternvereinigung Insieme21. Die Kinder hätten Anspruch auf den Besuch einer Regelschule. Aber oft lehnten Schulen sie unter fadenscheinigen Gründen ab, etwa, weil angeblich das Klassenzimmer nicht groß genug für ein Kind und seine Heilpädagogin sei. Ihr Sohn gehe in die Regelschule, "weil wir dafür kämpfen". Er koche und bediene gerne. "Mein Mann träumt davon, später mal mit ihm ein Restaurant aufzumachen."

    Zahlen und Fakten zum Downsyndrom

    Auf annähernd 700 Geburten kommt nach Angaben des Arbeitskreises Downsyndrom durchschnittlich ein Kind mit Trisomie 21. Das sind jährlich knapp 1200 Neugeborene.

    Weltweit leben etwa fünf Millionen Menschen mit Downsyndrom, verteilt auf alle Bevölkerungsschichten.

    Das Downsyndrom geht auf eine Besonderheit im Erbgut zurück: Betroffene haben einen Erbgutabschnitt, ein sogenanntes Chromosom, zu viel.

    Das Chromosom 21 liegt bei ihnen nicht wie im Normalfall zweifach, sondern dreifach vor. Daher kommt auch die Bezeichnung Trisomie (Verdreifachung) 21. Die genaue Ursache für die Zellteilungsstörung ist noch unbekannt.

    95 Prozent der Menschen mit Downsyndrom haben eine sogenannte freie Trisomie 21, die nicht erblich ist.

    Charakteristisch sind körperliche Auffälligkeiten und eine verminderte Intelligenz. Typische organische Probleme sind Herzfehler, Magen-Darm-Störungen und Demenz.

    Wissenschaftlich als eigenständiges Syndrom beschrieben wurde das Downsyndrom erstmals vom englischen Apotheker und Neurologen John Langdon Haydon Down (1828-1896) im Jahr 1866.

    Mit höherem Alter der Eltern steigt die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Downsyndrom zu bekommen, exponentiell an. Im Schnitt sind Frauen heute beim ersten Kind 29,6 Jahre alt, 1980 waren sie noch 25,2 Jahre alt.

    Der Bluttest, mit dem frühzeitig erkannt werden kann, ob ein Kind das Downsyndrom hat, ermittelt auch die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) und eine Trisomie 13 (Pätau-Syndrom). Die meisten Kinder sterben noch während der Schwangerschaft oder nach der Geburt. Auch eine Fehlverteilung der Geschlechtschromosomen X und Y erkennt der Test sowie das DiGeorge-Syndrom, bei dem das Kind einen Herzfehler haben, entwicklungsverzögert oder behindert sein kann.(leab/dpa)

    Dänemark: Immer weniger Babys mit Trisomie 21

    In Dänemark bietet das öffentliche Gesundheitssystem allen Schwangeren seit 2004 einen Test - bestehend aus Ultraschall-Untersuchung und Blutprobe - an, der das Risiko für die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom anzeigen soll. Seitdem ist die Zahl der mit Trisomie 21 geborenen Kinder laut der landesweiten Vereinigung Down-Syndrom erheblich gesunken. 2015 kamen demnach in Dänemark nur noch 31 Kinder mit der Behinderung auf die Welt.

    Schweden: Nur eines von 700 Down-Syndrom-Kindern wird geboren

    Auch in Schweden werden immer mehr Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben, wenn die Behinderung schon in der Schwangerschaft erkannt wird. Etwa eines von 700 Kindern in dem Land wird mit dem Down-Syndrom geboren. In der Zeitung Aftonbladet warnte der Medizinethik-Professor Nils-Eric Sahlin im vergangenen Jahr davor, eine Richtung wie Dänemark einzuschlagen: Gebe es immer weniger Menschen, die anders seien, sinke die Akzeptanz von Vielfalt in der schwedischen Gesellschaft.

    Norwegen: Zahl der Kinder mit Trisomie 21 bleibt gleich

    Neun von zehn Schwangerschaften in Norwegen, bei denen ein Risiko für Down-Syndrom besteht, enden laut der Gesundheitsbehörde des Landes mit einer Abtreibung. Obwohl die Zahl der Abbrüche gestiegen ist, kommen - wie auch in Deutschland - seit Jahren ähnlich viele Kinder mit der Behinderung zur Welt. Das liegt daran, dass mehr ältere Frauen Kinder bekommen, bei denen ein höheres Down-Syndrom-Risiko besteht.

    Polen: Hohe Dunkelziffer bei Abtreibungen

    Ob das Down-Syndrom in Polen zu den Hauptgründen für eine Abtreibung zählt - wie die nationalkonservative Regierung behauptet - ist Frauenrechtlern zufolge schwer zu beurteilen. Laut Regierung werden in dem katholisch geprägten Land etwa 1000 Abtreibungen pro Jahr vorgenommen. Die Dunkelziffer wird allerdings auf rund 150.000 geschätzt. Die Regelungen sind extrem streng, Schwangerschaften dürfen nur abgebrochen werden, wenn das Leben der Mutter bedroht, das Kind schwer behindert oder die Frau vergewaltigt worden ist. Vergangenes Jahr trieb die der katholischen Kirche nahestehende Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ein Abtreibungsverbot voran, scheiterte jedoch am Protest Zehntausender Frauen.

    Wie in anderen europäischen Ländern werden Menschen mit Down-Syndrom in Polen im Bildungsbereich an Spezial-Einrichtungen und Inklusionsschulen gefördert sowie mit Sozialleistungen unterstützt. dpa/AZ

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