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Schwangerschaft: Verdrängte Schwangerschaft: Wenn Frauen nicht merken, dass sie schwanger sind

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Verdrängte Schwangerschaft: Wenn Frauen nicht merken, dass sie schwanger sind

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    Kann es sein, dass manche Frauen eine eigene Schwangerschaft nicht bemerken? Tatsächlich: Forscher sagen, solche Schwangerschaften kommen in allen Schichten und Altersgruppen vor.
    Kann es sein, dass manche Frauen eine eigene Schwangerschaft nicht bemerken? Tatsächlich: Forscher sagen, solche Schwangerschaften kommen in allen Schichten und Altersgruppen vor. Foto: Alexander Kaya

    Und plötzlich ist da ein Baby. Ohne Vorwarnung. Ohne Vorbereitung. Meldungen über Frauen, die bis zur Geburt nicht wissen, dass sie schwanger sind, erregen immer wieder Aufsehen. Dabei sei die „Gravitas suppressalis“, die verdrängte Schwangerschaft, häufiger als gedacht, sagt der Berliner Frauenarzt und Psychotherapeut Peter Rott. Einer von 500 schwangeren Frauen sei ihr anderer Umstand nicht bewusst.

    Rund 1300 verdrängte Schwangerschaften jährlich in Deutschland

    In Deutschland gebe es pro Jahr rund 1300 verdrängte Schwangerschaften, erklärt Rott. Bei 270 davon werde diese sogar erst bei der Geburt festgestellt, sagt der Frauenarzt, der sich seit über 20 Jahren mit verdrängten Schwangerschaften befasst. Während seiner über 25-jährigen Tätigkeit in der Frauenheilkunde hat er selbst etwa 30 derartige Fälle erlebt.

    „Von einer verdrängten Schwangerschaft spricht man, wenn die Frau diese bis zur 20. Woche nicht wahrnimmt“, erklärt Rott. In der Regel dauert eine Schwangerschaft 40 Wochen – den Frauen ist also mindestens die Hälfte der Zeit nicht bewusst, dass sie ein Kind erwarten. Zudem werde zwischen verdrängten und verleugneten Schwangerschaften getrennt. „Der Unterschied liegt in der Wahrnehmung der Frau.“ Während bei einer verdrängten Schwangerschaft nach Angaben Rotts die Gefühle komplett im Unterbewusstsein stattfinden, ist der Frau bei der verleugneten Form eigentlich klar, dass sie ein Kind erwartet. „Sie schiebt es aber weg.“

    Verdrängte Schwangerschaft ist keine Seltenheit

    Weder die Verdrängung noch die Verleugnung geschehen bewusst. „Schmerzlichen Ereignissen nähern wir uns nur sukzessive oder gar nicht“, erklärt der Psychotherapeut. Eine Abwehr gegen einen inneren Konflikt sei ganz natürlich. Wenn der Konflikt so groß sei, dass ein Mensch ihn nicht mehr ertrage, schiebe er ihn ins Unterbewusstsein ab. Bei den schwangeren Frauen entstehe der innere Konflikt meist aus der Lebenssituation, in die gerade kein Kind passt.

    Die bisher umfassendste Studie in Deutschland über nicht bewusste Schwangerschaften wurde 2002 von den deutschen Medizinern Jens Wessel und Ulrich Büscher von der Berliner Humboldt-Universität im Fachblatt British Medical Journal veröffentlicht: Ein Jahr lang – von Juli 1995 bis Juni 1996 – untersuchten sie in Berlin 62 Fälle von Frauen, die mindestens bis zur 20. Woche nichts von ihrer Schwangerschaft wussten. Bei 25 von ihnen wurde die Schwangerschaft erst festgestellt, als die Wehen bereits eingesetzt hatten. Die Ansicht, verdrängte Schwangerschaften seien selten, treffe nicht zu, schreiben die Autoren.

    Verdrängte Schwangerschaft in allen Schichten und Altersgruppen vertreten

    Neben der Berliner Studie gibt es auch Untersuchungen aus dem österreichischen Innsbruck oder dem US-Bundesstaat Ohio, sagt Frauenarzt Rott. Die Ergebnisse ähnelten sich sehr. In den untersuchten westlichen Ländern ließen sich keine Unterschiede feststellen. Dabei gibt es keinen Prototypen einer Frau, die ihre Schwangerschaft nicht bemerkt. „Bei den Studien gibt es nichts, was für eine signifikante Risikogruppe spricht“, erläutert Rott. Verdrängte Schwangerschaften gebe es in allen Schichten und Altersgruppen. Eine stärkere Tendenz sei nur bei sehr jungen Frauen und Frauen in einem Alter, in dem sie nicht mehr damit rechneten schwanger zu werden, festgestellt worden. „Das sticht statistisch aber nicht heraus“, sagt Rott.

    Auch dass die Schwangerschaft Folge eines One-Night-Stands ist, trifft meist nicht zu: „80 Prozent der Frauen sind in einer festen Partnerbeziehung.“ Und etwa die Hälfte der Frauen sei davor sogar bereits einmal oder mehrmals schwanger gewesen.

    Verdrängte Schwangerschaft: Wie kann Frauen eine Schwangerschaft entgehen?

    Ein runder Bauch, Übelkeit und Ausbleiben der Periode – wie können Frauen nicht merken, dass sie schwanger sind? „Man kann alles umdeuten“, sagt Rott. Bewegungen des Kindes werden als Bauchgrimmen wahrgenommen, eine Gewichtszunahme auf eine schlechte Ernährung zurückgeführt. Frauen mit ohnehin unregelmäßigen Blutungen machten sich keine Gedanken darüber, wenn die Menstruation ausbleibt. „Wir reden uns ja alle Dinge schön“, sagt Rott.

    Zudem blieben die ungeborenen Kinder häufig unterdurchschnittlich klein, da sich die Frauen nicht schwangerschaftskonform verhalten. „Sie machen häufig Sport, rauchen oder trinken Alkohol“, erklärt der Frauenarzt. Auch die typische Silhouette mit Kugelbauch lasse sich verbergen: Schlanke ziehen unbewusst den Bauch ein. Bei Frauen mit ohnehin ein paar Kilos mehr auf den Rippen falle der Unterschied weniger auf.

    Überraschung! Wenn eine verdrängte Schwangerschaft ein gutes Ende nimmt

    Mit einem solchen Fall hatte auch die Heidelberger Frauenärztin und Psychoanalytikerin Susanne Ditz zu tun: Eine 18-Jährige wird mit Verdacht auf eine Nierenkolik ins Krankenhaus gebracht – wenige Stunden später ist sie Mutter. Die starken Rückenschmerzen, die bei Nierenkoliken häufig vorkommen, seien in Wirklichkeit Wehen gewesen, berichtet Ditz. Weil ihr Gewicht schon öfter geschwankt habe, hatte sich die junge Frau keine Gedanken über die Gewichtszunahme gemacht. „Die Geburt verlief dann komplett problemlos“, erzählt Ditz, die sich in der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe engagiert.

    Die 18-Jährige hatte zwar gemerkt, dass ihr Bauch hart wurde. „Sie deutete das aber als Darmprobleme, mit denen sie davor schon zu tun hatte.“ Auch die leichte Übelkeit führte sie auf Magenprobleme zurück. Das Kurioseste an der Geschichte sei gewesen, dass die Frau eine Ausbildung zur Arzthelferin machte und auch dort niemandem etwas aufgefallen war. Die Familie der jungen Frau habe das Neugeborene sofort aufgenommen, auch die Beziehung zum Vater hielt. Später sei ein zweites Kind gekommen. „Das war ein guter Fall“, sagt Ditz.

    Auch Drogenabhängige werden unbemerkt schwanger

    Eine Psychotherapie sei nicht nötig gewesen. Meist sei diese nach den Erlebnissen aber unbedingt erforderlich. Um die richtige Unterstützung zu geben, müsse der Arzt differenzieren, wie es um die Patientin steht. Ein Patentrezept gibt es nicht. „Neben gerade sehr jungen Müttern gibt es zum Beispiel auch drogenabhängige Frauen, die von vornherein schon mehr Probleme haben“, erklärt Ditz.

    Neben der psychischen Belastung einer nicht vorbereiteten Geburt fehlt auch die gesamte Organisation für den Alltag mit Kind. Deshalb werde nach der Geburt zur Unterstützung meist ein Sozialarbeiter eingeschaltet. „Das wesentliche Problem der Frauen ist ein Informationsdefizit.“ Welche Formulare muss ich ausfüllen? Und wie kümmere ich mich überhaupt um einen Säugling? Neben der Beantwortung der Fragen darf nach Ansicht der Frauenärztin eines nicht vergessen werden: „Man muss den Frauen mit Empathie begegnen und klar zeigen, dass sie kein Einzelfall und nicht verrückt sind.“

    Verdrängte Schwangerschaft erfordert teils intensive Nachsorge

    Bei Patientinnen mit psychischen Problemen seien diagnostische Gespräche aber ratsam. Auch um Schaden zu verhindern. Das Risiko bestehe, dass die Frau sich oder dem Kind nach einer verdrängten Schwangerschaft etwas antue. Rott erklärt, dass es in Deutschland pro Jahr etwa 30 Fälle von Kindstötung gibt. Verdrängte Schwangerschaften steckten häufig dahinter. „Das gilt besonders für Frauen, die auch noch heimlich entbinden“, sagt Ditz. Auch Frauen mit schweren Depressionen bräuchten psychiatrische Begleitung neben der Unterstützung durch Hebamme oder Sozialarbeiter.

    Frauen, die ihre Schwangerschaften nicht bewusst wahrgenommen haben, sind nach Angaben von Ärzten jedoch keine schlechteren Mütter. „Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist aber häufig anders“, sagt Ditz. Einige zeigten sich weniger feinfühlig und wirkten im Kontakt mit Kindern unbeholfener. Während der bewussten Schwangerschaft könne sich die Frau auf das Kind einstellen und die Veränderungen ihrer Lebenssituation langsam annehmen. Ohne Wahrnehmung aber könnten diese Prozesse fehlen. Wie lange eine Betreuung der Mütter nach der Geburt dauere, müsse individuell festgelegt werden. Jede Frau brauche unterschiedlich lang, um wirklich Mutter zu werden.

    „Es ist sehr wichtig, dass sich eine Frau auf das Muttersein vorbereiten kann“, sagt auch Susanna Rinne-Wolf. Die Vorsitzende des Berliner Hebammenverbands arbeitet seit Jahren als Geburtshelferin. Der Bindungsaufbau zum Kind vor der Geburt sei ein wichtiger Teil der Schwangerschaft. „Das geht von dem Moment, in dem ich realisiere, dass ich schwanger bin, über die Namensfindung für das Baby bis zur Geburt.“ Ein gesundes Körpergefühl sei dabei enorm wichtig, sagt die Hebamme. In einer Schwangerschaft sei das Bauchgefühl unersetzlich. (dpa)

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