Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Die CDU taumelt dem Abgrund entgegen

Kommentar

Die CDU taumelt dem Abgrund entgegen

Rudi Wais
    • |
    Blick in die Halle für den CDU-Bundesparteitag.
    Blick in die Halle für den CDU-Bundesparteitag. Foto: Hendrik Schmidt, dpa

    Der Schein trügt. Satte zehn bis 15 Prozentpunkte liegt die Union in den Umfragen im Moment vor den tief gefallenen Sozialdemokraten. Rechnet man aus diesen Werten allerdings die CSU heraus, muss es jedem gestandenen Christdemokraten angst und bange werden. Die CDU alleine, die Partei von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel, überzeugt im Moment nur noch etwas mehr als 20 Prozent der Wähler. Tendenz: weiter fallend.

    Mit der ungeklärten K-Frage, die auch beim Parteitag in Leipzig wie der berühmte Elefant im Raum steht, den alle sehen, den aber keiner wahrnehmen will, hat das allenfalls am Rande zu tun. Eine Volkspartei wie die CDU will um ihrer selbst willen gewählt werden – und nicht nur wegen ihres Kanzlerkandidaten oder ihrer Kanzlerkandidatin. Wofür aber steht diese CDU heute? Im Bemühen, doch irgendwie auf der Höhe der Zeit sein zu müssen, hat sie ihr Wertegerüst so weit nach links verschoben, dass sie vielen ihrer alten Wähler fremd geworden ist. Leicht angegrünt in der Energie- und Klimapolitik, schleichend sozialdemokratisiert in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, seltsam still beim brisanten Thema Migration und Integration: Nicht nur draußen, an der Basis, auch in der zweiten und dritten Reihe der Partei rumort es deshalb unüberhörbar. Wolfgang Reinhart, der Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, hat das ganze Dilemma vor kurzem in drastische Sätze gepackt: Die Rituale und Routinen in der CDU funktionieren noch – für die großen Fragen unserer Zeit aber hat sie keine Antennen und keine Agenda mehr.

    Ökonomische Kompetenz gehörte einst zum Markenkern der CDU

    Im Bemühen, die Koalition am Leben zu halten, hat die Union der SPD über die Jahre zu viele Zugeständnisse gemacht – wie aber soll der Sozialstaat finanzierbar bleiben, wenn selbst eine Partei der ökonomischen Vernunft von der Rente mit 63 über die Grundrente bis zum Mindestlohn alles mit abnickt, was die SPD auf den Koalitionstisch legt? Wie will die CDU in der Wirtschaft noch ernst genommen werden, wenn es ihr nicht einmal in Zeiten prall gefüllter Staatskassen gelingt, die Unternehmenssteuern zu senken, um international wettbewerbsfähig zu bleiben? Wie will sie zur AfD geflohene Wähler zurückgewinnen, wenn sie nichts unternimmt, um die Zuwanderung zu begrenzen und zu steuern?

    Ökonomische Kompetenz und eine gewisse Konsequenz in der Innen- und Sicherheitspolitik waren bis in die ersten Merkel-Jahre hinein der Markenkern der CDU. Dafür, vor allem, wurde sie gewählt. Heute dagegen weiß die CDU nicht mehr, was sie wollen soll. Sie hechelt einem diffusen Zeitgeist hinterher und spürt insgeheim doch, dass sie nicht grüner als die Grünen werden kann und nicht sozialer als die SPD. Wenn ein Mann wie Friedrich Merz nun als Kanzlerkandidat gehandelt wird und die amtierende Parteivorsitzende ohne Not eine Art Vertrauensfrage stellt, ist das auch ein Ausdruck dieser inhaltlichen Ausgezehrtheit. Die CDU sehnt sich nach einer neuen Positionsbestimmung, einer neuen Ansprache auch – scheut dabei aber jedes Risiko. Wäre Merz in der SPD: Die Partei hätte längst geputscht und ihn mit Verve an ihre Spitze gewählt. Die CDU dagegen wartet darauf, dass sich die Dinge mit der Zeit schon selbst klären.

    Ein grün-rot-rotes Bündnis ist ein realistisches Szenario

    Bei Wahlergebnissen um die 40 Prozent mag diese Philosophie des loyalen Abwartens noch aufgegangen sein. Bei Umfragewerten von etwas mehr als 20 Prozent jedoch kann ihre programmatische und personelle Lethargie die Union die Macht kosten. Ein grün-rot-rotes Bündnis nach der nächsten Bundestagswahl ist heute ja keine politische Schimäre mehr, sondern ein realistisches Szenario. Nur wahrhaben will es die CDU bisher nicht.

    Alle Neuigkeiten zur CDU finden Sie in unserem News-Blog: CDU-News: Junge Union fordert erneut Urwahl des Kanzlerkandidaten.

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden