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Kommentar: Nach souveränem Start muss Baerbock eine mutige Außenpolitik machen

Kommentar

Nach souveränem Start muss Baerbock eine mutige Außenpolitik machen

Simon Kaminski
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    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Liverpool.
    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Liverpool. Foto: Jon Super, AP/dpa

    Souverän, locker, konzentriert, aber auch sehr vorsichtig hat die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ihre ersten internationalen Termine absolviert. Nach ihren Fehlern und Ungeschicklichkeiten im Wahlkampf hatten ihr das viele nicht zugetraut. In Paris, Brüssel, Warschau oder Liverpool waren neugierige Blicke auf die Auftritte der 40-Jährigen gerichtet. Das lag nicht zuletzt an den Ankündigungen der Grünen-Politikerin, eine „wertebasierte“ und selbstbewusstere Außenpolitik insbesondere gegenüber autokratischen Staaten wie Russland, China oder der Türkei einzuleiten. Die Einhaltung von Menschenrechten solle in Zukunft eine größere Rolle spielen. Das ist eine traditionelle Forderung der Grünen.

    Bewegt sich souverän auf dem diplomatischen Parkett: Die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat einen guten Start hingelegt. Doch jetzt warten Richtungsentscheidungen.
    Bewegt sich souverän auf dem diplomatischen Parkett: Die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat einen guten Start hingelegt. Doch jetzt warten Richtungsentscheidungen. Foto: Virginia Mayo, AP, dpa

    Insbesondere beim Treffen der führenden westlichen Wirtschaftsnationen (G7) hielt sich Baerbock jedoch auffällig zurück – nicht nur, was die konkrete Androhung von Sanktionen gegen Russland im Falle eines Angriffs auf die Ukraine betrifft, sondern auch mit Blick auf Chinas Allmachtsfantasien.

    Beim Koalitionspartner SPD gibt es Befürchtungen, Baerbock könnte es allzu ernst meinen mit einer Außenpolitik, die stärker moralischen Grundsätzen folgt. Dass der notorische Russlandversteher, SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, in die Anfangsphase der Amtszeit Baerbocks mit der Bemerkung hineingrätscht, dass die Außenpolitik „insbesondere im Kanzleramt gesteuert“ werde, ist ein Affront. Und zwar ein bewusst gesetzter. Ganz davon abgesehen, dass Kanzler Scholz bei seinen ersten Auftritten im Ausland derartig uninspirierte Statements in die Mikros staatsmännelte, dass alte „Scholzomat“-Vorwürfe aufploppten: Viele in der SPD glauben gegen alle Erfahrungen noch immer, dass sich der russische Präsident Wladimir Putin mit Beschwichtigungspolitik einbremsen lässt..

    Der russische Präsident Wladimir Putin, fürchtet weniger eine Bedrohung durch die Nato als die Einschränkung des Spielraums für seine aggressive Machtpolitik.
    Der russische Präsident Wladimir Putin, fürchtet weniger eine Bedrohung durch die Nato als die Einschränkung des Spielraums für seine aggressive Machtpolitik. Foto: Grigory Sysoev, Pool Sputnik Kremlin, AP, dpa

    Für Gespräche „auf allen Kanälen“ mit Moskau wirbt auch Baerbock. Gleichzeitig sagt sie aber auch den richtigen Satz, dass „Aggression ein Preisschild“ haben müsse. Dazu passt, dass Baerbock darauf beharrt, dass es für das unselige deutsch-russische Gasprojekt Nord Stream 2 nicht nur aus rechtlichen Gründen, sondern auch aufgrund ungeklärter „sicherheitspolitischer Fragen“ derzeit keine Genehmigung geben könne. Baerbock dürfte klar sein, dass Putin nicht so naiv ist, tatsächlich zu glauben, dass Russland von einer Einkreisung durch die Nato oder gar durch eine aggressive Ukraine in seiner Sicherheit bedroht ist. Vielmehr fürchtet der russische Autokrat, dass seine Pläne, verlorene Machtpositionen zurückzugewinnen, durch eine konsequentere Politik des westlichen Bündnisses gegen Moskaus Provokationen durchkreuzt werden.

    Beim Thema diplomatischer Olympia-Boykott wird Baerbock Flagge zeigen müssen

    Auch was den Umgang mit China betrifft, sparte Baerbock als Oppositionspolitikerin nicht mit Kritik an der abgewählten Großen Koalition. Sie warf ihr vor, auf die schweren und andauernden Verstöße gegen die Menschenrechte viel zu zahm zu reagieren. Das hört sich jetzt schon anders an: China sei Partner, Wettbewerber und Systemrivale, mit dem man die Zusammenarbeit suchen müsse, übernahm sie die Formel des G7-Gipfels. Allerdings wird Baerbock um eine klare Aussage darüber, ob auch Deutschland die Winterspiele in China diplomatisch boykottieren soll, nicht mehr lange herumkommen.

    Russland, China, Iran oder Türkei: Deutschland braucht eine mutigere und klare Außenpolitik. Dass nicht nur die Grünen, sondern auch viele Kritiker das Ende der Leisetreterei gegenüber Autokraten und Despoten von Annalena Baerbock erwarten, weiß sie natürlich. In ruhigeren Zeiten würde jetzt an dieser Stelle stehen, dass man ihr Gelegenheit geben sollte, ihre Linie zu finden. Die Zeiten aber sind alles andere als ruhig.

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