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Energiekrise: Hohe Strom- und Gaspreise: Wie kann man die Bürger entlasten?

Energiekrise

Hohe Strom- und Gaspreise: Wie kann man die Bürger entlasten?

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    SPD-Chefin Saskia Esken will Konzerne besteuern.
    SPD-Chefin Saskia Esken will Konzerne besteuern. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Spätestens der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Energieversorgung in Deutschland preislich aus dem Ruder laufen lassen. Der Gaspreis wird stark steigen. Einen Teil dieser Steigerungen hat die Bundesregierung selbst verursacht, da ab Herbst eine neue Gas-Umlage greifen soll. Diese dient dazu, Energiekonzernen wie Uniper unter die Arme zu greifen, wenn sie zu horrenden Preisen Gas auf dem Weltmarkt für ausfallende russische Lieferungen nachkaufen müssen. Das soll den Kollaps des Energiesystems verhindern, wird aber für die Verbraucherinnen und Verbraucher teuer. Auch bei den Strompreisen deuten sich Rekorde an. Sozialverbände schlagen längst Alarm. „Viele Menschen mit kleinen Einkommen oder ärmere Rentnerinnen und Rentner wissen schon jetzt nicht, wovon sie ihre Einkäufe bezahlen sollen“, warnte eben die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Der Druck auf die Politik ist hoch, die Lösungen aber sind umstritten.

    Manche Energiekonzerne verdienen nämlich in der Krise auch sehr gut. RWE erhöht seine Gewinnprognose auf bis zu 5,5 Milliarden Euro. Ist dies fair? Oder sollte man nicht die zusätzlichen Gewinne zusätzlich besteuern? Innerhalb der Koalition im Bund und selbst innerhalb der Regierungspartei SPD ist man sich nicht einig.

    SPD-Chefin Saskia Esken: "Entlastungen bis in die Mitte der Gesellschaft hinein"

    SPD-Chefin Saskia Esken macht sich dafür stark, zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger die Konzerne heranzuziehen: „Angesichts der drohenden massiven Preissteigerungen brauchen wir weitere schnelle und zielgerichtete Entlastungen für Verbraucherinnen und Verbraucher mit geringen Einkommen und bis in die Mitte der Gesellschaft hinein“, sagte sie unserer Redaktion. „Die Gegenfinanzierung solcher Entlastungen kann auch durch eine Übergewinnsteuer für Unternehmen erfolgen, die ohne eigene zusätzliche Leistung von der Krise profitieren. Viele europäische Partner haben es uns vorgemacht und eine Übergewinnsteuer erfolgreich eingeführt“, erklärt sie.

    SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz sieht eine solche Steuer dagegen kritisch: „Aus Sicht des Kanzlers ist eine Übergewinnsteuer derzeit nicht vorgesehen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag. Während sich Grünen-Chefin Ricarda Lang für die Steuer eingesetzt hat, lehnt die FDP sie ab.

    Die Übergewinnsteuer ist für Esken ein Weg zu mehr Gerechtigkeit

    SPD-Chefin Esken führt zur Begründung ein großes Ungleichgewicht bei den Belastungen ins Feld: Die Sicherung der Energieversorgung für Haushalte ebenso wie für die Wirtschaft habe eine sehr hohe Bedeutung. „Deshalb ist es richtig, dass der Staat die Unternehmen stützt, die derzeit in eine gefährliche Schieflage geraten“, erklärt sie. Durch die Gasumlage sollen die Mehrkosten auf die Verbraucherinnen und Verbraucher gleichermaßen aufgeteilt werden. „Zu Recht stellen Kunden jetzt aber die Frage nach der Gerechtigkeit, wenn sie durch massiv höhere Preise ein kollektives Risiko abwenden sollen, während große Energieunternehmen zur selben Zeit sehr hohe Gewinne machen und an ihre Aktionäre ausschütten“, kritisiert Esken. „Verluste zu sozialisieren, während Gewinne privatisiert werden – das ist nicht gerecht.“

    Im bayerischen Wirtschaftsministerium von Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht man die Übergewinnsteuer kritisch. „Ein höherer Gewinn führt bereits per se zu einer höheren Steuer, ohne dass es weiterer Regelungen bedarf“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. Fraglich sei, wie Übergewinne überhaupt festgestellt werden sollen. „Nicht auszuschließen wäre zudem, dass eine Sondersteuer auf die Kunden übergewälzt wird und es zu einem weiteren Anstieg der Energiepreise und einem entsprechenden Inflationsschub zu Lasten der Verbraucher kommt“, gibt das Ministerium zu bedenken.

    Professor Bruno Burger, Fraunhofer: "Merit Order"-System überdenken, um Übergewinne zu vermeiden

    SPD-Chefin Esken sieht auch bei Strom Handlungsbedarf: „Viele große Stromkonzerne verdienen derzeit überdurchschnittlich, weil sie ihren Strommix zum aktuell höchsten Marktpreis verkaufen können, auch wenn ihr Kostenmix diesen Preis gar nicht rechtfertigt“, sagt sie. Im Extremfall führe das dazu, dass die Abschaffung beziehungsweise Übernahme der EEG-Umlage durch den Staat kaum bei den Haushalten ankommt, sondern in den Taschen der großen Stromkonzerne verbleibe – ähnlich wie der Tankrabatt. „Das wäre fatal und muss verhindert werden.“

    Energie-Experte Professor Bruno Burger vom Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme rät, angesichts der steigenden Strompreise die Praxis zu überdenken, wonach die teuersten Kraftwerke die Preise für Lieferungen am nächsten Tag bestimmen. . „Es stellt sich die Frage, ob diese Art der Preisfindung an der Strombörse, genannt Merit-Order, in den aktuellen Krisenzeiten noch passend ist oder ob es Alternativen dazu gibt, die die Übergewinne vermeiden“, sagt er.

    Bayerisches Wirtschaftsministerium: EU will an einem neuen Strommarktmodell arbeiten

    Dem bayerischen Wirtschaftsministerium zufolge war der Merit-Order-Mechanismus bereits vor der Energiekrise in Europa umstritten. „Kritik übten vor allem die Länder, die Strom mit Wasserkraft, Solar- und Windenergie oder Atomkraft erzeugen“, sagte eine Sprecherin. Angesichts der hohen Gaspreise werde die EU wohl an einem neuen Strommarktmodell arbeiten. „Da dies aber mit erheblichen Umstrukturierungen in der Energiebranche verbunden ist, wird dies komplexe Analysen und Verhandlungen erfordern“, berichtete sie.

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