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Wer ein eigenes Facebook-Profil hat, kennt das: Eine Anfrage folgt der nächsten, das Foto will ständig aktualisiert und Kommentare gepostet werden. Doch es geht auch anders. Wer das eigenen Nutzungsverhalten hinterfragt, hat mehr Zeit für sich.

Internet
10.01.2018

Wie ist ein Leben ohne Facebook? Ein Selbstversuch

Von Claudia Egger

Fotos liken, Beiträge posten, Kommentare schreiben – unsere K!ar.Texterin Claudia Egger war ständig online. Warum sie seit drei Monaten ohne virtuelles Profil lebt.

Wieso hast du das gemacht? Jetzt bekomme ich gar nichts mehr von dir mit. Legst du dir ein neues Profil an? Alles klar bei dir? Das waren die ersten Reaktionen auf meinen Abschieds-Post.

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Vor drei Monaten habe ich mein Facebook-Profil gelöscht. Als sehr aktive Nutzerin war das zugegebenermaßen eine Umstellung, aber die Überlegung und der letztendliche Schritt haben viel bewirkt. Nicht nur bei mir. Auf einmal beginnt sich auch der Freundeskreis mit der eigenen Aktivität auseinanderzusetzen. Oft heißt es dann: „Also ich könnte das nicht, da bekomme ich ja gar nichts mehr mit“, oder „Was machst du, wenn dir mal langweilig ist?“. Überall wird man darauf angesprochen, warum man kein Facebook mehr hat. Gründe gibt es viele.

Die meisten Nutzer kennen diese Momente. Man erhält tagtäglich Anfragen oder sogar persönliche Nachrichten von Unbekannten. Die weltweite Vernetzung hat ihre Vorteile, aber mit der Möglichkeit, Menschen anonym anschreiben zu können, sinkt bei so manchem Nutzer die Hemmschwelle. Da wird Facebook schon mal mit Paarship verwechselt und auch das ohne jegliches Niveau. Gerade Frauen sind davon betroffen. Man kann es ignorieren, die Person blockieren, erbost zurückschreiben oder in manchen Fällen auch eine Anzeige wegen Belästigung aufgeben. Unberührt lässt es einen jedenfalls nicht. Schon die Überlegung, sein Profilbild zu ändern, ist ein unbewusster Akt, sich selbst die Schuld zu geben für die Respektlosigkeit eines anderen, der eine Grenze überschritten hat.

Keine Minute offline

Die Werbung auf Facebook nimmt pro Like zu und müllt nebenher Postfächer voll, dabei wollte man nur mal sehen, wie das neue Trikot der Nationalmannschaft aussieht, sich aber keine ganze Fanausrüstung zulegen. Ständig hat man das Gefühl, über alles informiert sein zu müssen, Profile regelrecht zu stalken, Beiträge zu liken, Dinge zu posten, und den Account mit immer neuen Fotos für die Community aktuell halten zu müssen. In der virtuellen Welt der Selbstdarstellung folgen Candycrush-Anfragen auf Nachrichten über verpasste Events und Erinnerungen, dass man schon 24 Stunden nichts gepostet hat oder ob man nicht mal wieder das eigene Profilbild ändern möchte.

Wehe man ist mal offline. Hunderte weltbewegende Inhalte wie das Mittagessen und der neue Hund eines Facebook-Freundes werden verpasst, die Angst des Nicht-mehr-mitreden-Könnens steigt mit jeder Minute, die man offline ist. Aber abschalten geht nicht. Man ist permanent online, um ja nichts zu verpassen. Selbst in den Urlaub begleiten einen die Facebook-Freunde. Der Klick auf den Einlogg-Button erzeugt ein unglaublich positives Gefühl und lässt einen für kurze Zeit die reale Welt vergessen.

Mehr Zeit für sich selbst

Hat man kein Profil mehr, hat man auf einmal wieder Zeit. Keine Hundertschaft an Nachrichten oder Anfragen, keinen Druck oder das Bedürfnis, etwas online zu stellen. Man hat Zeit zum Durchatmen und beginnt, Momente anders wahrzunehmen. Man erlebt intensiver, da man völlig bei sich ist und nicht nach Bildmotiven sucht oder parallel postet. Man sitzt im Zug und genießt einfach die Landschaft, ohne auf sein Smartphone zu starren und tauscht sich über Erlebtes mit wirklichen Freunden aus. Man reflektiert und verpackt sein Mitteilungsbedürfnis nicht in kurze Posts, sondern in Texten wie diesem. Neujahrsvorsätze wie mehr Sport machen oder weniger Schokolade essen könnten ergänzt werden mit der Frage nach dem eigenen Nutzerverhalten. Das zu hinterfragen, sorgt für weniger Stress und bringt einen wieder mehr zu sich selbst. Denn auch ein Leben ohne Facebook ist möglich und really ganz nice vong lifestyle her.

Ihr seid gefragt Das Gefühl, ständig etwas posten zu müssen kommt euch bekannt vor oder ihr liebt es, tagtäglich eure Facebook-Fotos zu aktualisieren? Jetzt könnt ihr eure eigenen Erfahrungen mit sozialen Netzwerken teilen und eine Mail an klartext@aichacher-nachrichten.de schicken.

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