Morgens um 7 Uhr auf der Baustelle zu stehen und bei Wind und Wetter im Freien zu arbeiten, ist nicht jedermanns Sache. Das ist einer der Gründe, warum es vielen Firmen schwerfällt, gute Auszubildende zu finden. Deshalb wollte das 1895 gegründete Bauunternehmen Hans Rappel und Sohn, das seinen Firmensitz im Aichacher Stadtteil Klingen hat und inzwischen in vierter Generation geführt wird, eigentlich nicht mehr ausbilden. Dann entschied es sich doch für einen Maurer-Azubi und stellte später sogar einen Zweiten ein. Das hat sich bereits bezahlt gemacht.
Der 20-jährige Christopher Bayr aus dem Adelzhausener Ortsteil Heretshausen hat kein Problem damit, bei jedem Wetter draußen zu arbeiten. Im Gegenteil: „Einen Bürojob würde ich jetzt nicht machen. Den ganzen Tag drinnen sitzen. Da bin ich doch lieber draußen an der frischen Luft“, sagt er. Die Arbeit auf der Baustelle hat in seiner Familie fast schon Tradition. Sein Onkel und sein Vater arbeiten beide als Maurer. So bekam Bayr schon früh Einblicke in den Beruf. „Ich bin in den Ferien als Praktikant mitgegangen und habe es ausprobiert. Das hat mir dann gut gefallen, also war ich öfter dabei.“ Wenn man nur einmal mitgehe, wisse man schließlich nicht, ob es der richtige Beruf für einen sei.
Auszubildender bei Hans Rappel und Sohn in Klingen erreicht 100 Prozent im Theorieteil
Weil es ihm so gut gefiel, bewarb er sich 2021 für eine Ausbildung zum Maurer bei der Firma Rappel in Klingen. Die, wie Bayr sagt, einen guten Ruf in der Gegend genießt. Als Antwort erhielt er aber zunächst eine Absage. Chefin Tanja Rappel erinnert sich: „Mit seinem Onkel und seinem Vater hatte er zwei große Fürsprecher. Wir haben aber trotzdem erst gesagt: Nein, wir nehmen keine Azubis mehr.“ Zu viele schlechte Erfahrungen hätten sie in den Jahren davor mit Auszubildenden und Praktikanten gemacht. Irgendwann stand die Entscheidung dann fest: Jetzt ist Schluss!
„Später sind Christopher und sein Vater dann nochmal zu uns ins Büro gekommen und haben gefragt, ob wir es uns nicht noch anders überlegen und doch ausbilden wollen. Dann haben wir es doch gemacht“, sagt Rappel. Heute, gut drei Jahre später, hat Bayr seine Ausbildung nicht nur erfolgreich absolviert, sondern auch als einer der drei Innungsbesten in Bayern abgeschlossen. In einem der beiden Theorieteile der Abschlussprüfung erreichte er 100 Prozent. Sein Antrieb: „Ich wollte nicht fertig werden und sagen, ich bin grade so durchgekommen, sondern ich habe gute Noten oder war sogar einer der Besten.“ Die Berufsschule habe er interessant gefunden und deshalb habe es ihm auch Spaß gemacht.
Maurer-Azubi sieht Zukunft nach Abschluss bei Hans Rappel und Sohn
Seine Zukunft sieht Bayr bei der Firma Rappel: „Ich würde gerne bei der Firma weiterarbeiten und da vielleicht irgendwann eine Führungsposition einnehmen.“ Er fühle sich sehr wohl in seinem Arbeitsumfeld und komme gut mit den Kollegen aus. „Der Chef hat mich dann mal gefragt, wie es bei mir weitergeht und ob ich bleiben will. Er war zufrieden mit uns und dann sind wir uns eigentlich schnell einig geworden, dass wir weitermachen“, sagt Bayr.
Mit „wir“ meint Bayr sich und seinen Kollegen Stefan Breitsameter, der ebenfalls in diesem Sommer seine Maurerausbildung bei der Firma Rappel abgeschlossen hat. Dabei war die Baustelle nicht sein Plan A fürs Berufsleben. Im Gegenteil. „Mein Papa ist auch Maurer und hat es mir schon so ein bisschen ausgeredet, weil es körperlich doch sehr anstrengend ist“, sagt Breitsameter. Vor seiner Maurerausbildung hatte der 23-jährige, der im Aichacher Stadtteil Sulzbach zu Hause ist, bereits eine Schreinerausbildung erfolgreich absolviert und im Anschluss ein Jahr in dem Beruf gearbeitet.
Sein Vater riet Stefan Breitsamer von der Ausbildung zum Maurer ab
Wirklich glücklich sei er damit irgendwann aber nicht mehr gewesen. „Man kommt immer in neue Häuser rein und muss hundertprozentig aufpassen, dass der neue Schrank nicht kaputtgeht. Das ist eine sehr filigrane Arbeit“, sagt Breitsameter. Er wolle aber eher etwas machen, bei dem er am Ende des Tages sehen könne, was er geschafft habe. „Mein Papa hat natürlich vollkommen recht: Es ist anstrengend. Aber ich dachte mir, jetzt probierst es halt einfach mal.“ Um nicht gleich eine Lehre anzufangen, arbeitete Breitsameter ein Jahr als Bauhelfer. Er wollte zuerst Erfahrung sammeln, statt eine Ausbildung anzufangen und sie möglicherweise wieder abzubrechen.
Nach dem Jahr auf der Baustelle stand seine Entscheidung fest: „Ich hab mir gedacht, immer als Bauhelfer weiterzuarbeiten, ist auch keine Lösung. Dann machst jetzt eben nochmal eine Ausbildung.“ Er habe dann erst einmal bei der Firma Rappel nachgefragt, ob überhaupt Leute gesucht werden. „Ich bin an einem Freitagnachmittag in die Firma gefahren und habe mit dem Chef (Robert Rappel, Anm. d. Red.) gesprochen, dass ich mir das gerne mal anschauen würde“, sagt Breitsameter. Nach dem Gespräch durfte er seine Telefonnummer dalassen.
Berufsschullehrer: Die beiden haben Abiturienten in den Schatten gestellt
Tatsächlich erhielt er einige Wochen später den Anruf, dass es klappt mit der Ausbildungsstelle. Wegen seiner Schreinerausbildung konnte Breitsameter die Maurerausbildung sogar von drei auf zwei Jahre verkürzen. Das habe für ihn ganz gut gepasst. Genau wie Bayr gehörte er in der Berufsschule zu den Besten seiner Klasse. Über seine guten Leistungen sagt er: „Wenn man ein bisschen was im Kopf hat, dann ist das schon ganz gut machbar.“ Fest steht, dass er bei der Firma Rappel bleiben möchte. Über alles Weitere sagt er: „Da habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.“
Für Berufsschullehrer Lukas Mahl, der die beiden während ihrer Ausbildung unterrichtete, sind ihre Leistungen bemerkenswert: „Beide haben sowohl in der Theorie, als auch in der Praxis Abiturienten in den Schatten gestellt und gleichzeitig schwächere Schüler mitgezogen.“ Zudem sind beide laut Mahl auch zwischenmenschlich „ganz nette Kerle“. Er sieht die Firma Rappel als positives Beispiel, das anderen Unternehmen Mut machen kann: „Die Stimmmung in der Branche ist aktuell eher so, dass die Betriebe ausbilden und die Azubis danach weg sind“, sagt Mahl.
Nächster Top-Azubi der Firma Rappel steht schon in den Startlöchern
Dass das Bauunternehmen Rappel nach selbst auferlegtem Ausbildungsstopp dann doch zwei herausragende Azubis ausgebildet und danach auch übernommen hat, spricht aus Sicht von Bayr und Breitsameter für den Betrieb. In ihrer Berufsschulklasse hätten sie auch andere Fälle erlebt. Dass beide geblieben sind, begründet Breitsameter so: „Mit dem Chef und der Chefin kommen wir gut aus, mit den Kollegen passt auch alles, warum sollte man dann woanders hinwollen?“ Mit einem weiteren Azubi, der sich momentan noch im ersten Lehrjahr befindet, aber ebenfalls mit sehr guten Leistungen überzeugt, steht dem Traditionsunternehmen Rappel vielleicht bald die nächste Erfolgsgeschichte ins Haus.
Ausbildungszahlen der Handwerkskammer Schwaben
2024 wurden 3260 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 2023 waren es 3050. Das bedeutet einen Zuwachs von etwa sieben Prozent.
840 offene Ausbildungsstellen sind bei der Handwerkskammer noch gelistet, 500 davon im Raum Augsburg.
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