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Foto: Marcus Merk
Foto: Marcus Merk

Waldemar Neustett ist der Doppelmörder von Hirblingen. Er muss für mindestens 20 Jahre in Haft.

Hirblingen
28.11.2017

Lebenslang für Doppelmörder: "Sie sind ein eiskalter Typ"

Von Holger Sabinsky-Wolf

Waldemar Neustett wurde vom netten Nachbarn zum Doppelmörder von Hirblingen. Wie die Richterin mit ihm abrechnet und warum er mindestens 20 Jahre in Haft bleibt.

Am Ende will Waldemar Neustett nur noch weg. Kein Gruß, kein Lächeln mehr in Richtung seiner Mutter oder seiner Schwester. Der 32-Jährige dreht ihnen den Rücken zu. Bestimmt zwei Minuten steht er so da. Dann wird er von zwei Polizeibeamten aus dem Gerichtssaal geführt. Die Tür schließt sich.

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Eine Stunde lang hatte sich Neustett zuvor anhören müssen, wie die Richterin ihm ins Gewissen redet, ja, geradezu mit ihm abrechnet: „Sie sind nicht der liebe, hilfsbereite Waldi, Sie sind ein eiskalter Typ“, sagte Susanne Riedel-Mitterwieser.

Es sind ungewöhnlich scharfe Worte, die die Vorsitzende des Augsburger Schwurgerichts in der Urteilsverkündung wählte. Es ist aber auch ein ungewöhnlich brutales Verbrechen, über das zu richten war: Der Doppelmord an einem lesbischen Paar im Gersthofer Ortsteil Hirblingen (Kreis Augsburg) im Dezember vergangenen Jahres.

Jetzt ist also das Urteil gefallen: Der 32 Jahre alte Waldemar Neustett muss lebenslang ins Gefängnis. Er hat seine Nachbarinnen auf bestialische Weise ermordet. Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme ist das Gericht überzeugt, dass Neustett am Freitagmorgen, 9. Dezember 2016, die Tat begangen hat. Die Jahre zuvor hatte er ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zu den Frauen. Seine Mutter hatte sogar deren Wohnungsschlüssel. Sie kümmerte sich um die Katze und goss Pflanzen, wenn Beate N., 50, und Elke W., 49, im Urlaub waren. Ob Neustett diesen Schlüssel benutzte, als er in die Wohnung der Frauen eindrang, bleibt ungeklärt, spielt aber für das Gericht keine Rolle.

Waldemar Neustett hatte Schulden und brauchte Geld

Für die Richter steht fest, dass der 32-Jährige an jenem Freitagmorgen nach seiner Nachtschicht vom Nachbarsjungen, den Familie und Freunde als nett und hilfsbereit beschreiben, zum brutalen Doppelmörder geworden ist. Er war mit mindestens einem Messer bewaffnet und hatte den Plan, an die Bankkarten der Opfer zu kommen. Neustett hatte Schulden und brauchte Geld.

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Foto: Marcus Merk (Archiv)
Foto: Marcus Merk (Archiv)

Kurz vor Heiligabend 2016 entdeckten Polizisten bei einem großen Sucheinsatz die Leichen der beiden Opfer.

Mit Schlägen ins Gesicht zwang er Beate N., ihre Geheimnummern zu verraten. Dann metzelte der gebürtige Kasache die Frauen im Keller des Hauses mit mehr als drei Dutzend Messerstichen nieder. Er putzte den Tatort penibel, duschte im Haus der Frauen und ging später mit seiner Mutter zum Einkaufen. In den Tagen darauf räumte er im Landkreis Augsburg und in Prag 5020 Euro von Beate N.s Konten ab.

Um die Leichen zu entsorgen, schleppte er sie in die Garage, packte sie in Schlafsäcke und legte sie in den Kofferraum von Beate N.s Peugeot 3008. Nachts grub Neustett mit einem eigens dafür gekauften Spaten ein Loch am Flüsschen Schmutter, außerhalb von Hirblingen (Kreis Augsburg). In die Grube legte er die Leichen. Die Frauen wurden erst knapp zwei Wochen nach ihrem Verschwinden im Rahmen eines riesigen Sucheinsatzes gefunden.

Doppelmord-Prozess: "Schweigen ist für die Angehörigen immer hart"

Der aufwendige Prozess war notwendig geworden, weil Waldemar Neustett bis zum Schluss beharrlich geschwiegen hat. Spuren und Indizien sprachen am Ende aber klar gegen den Angeklagten. Die Ermittler hatten unter anderem seinen genetischen Fingerabdruck an den Sprunggelenken der Frauen gefunden – weil er sie nach dem Mord an den Füßen durchs Haus gezogen hat. An einem Messer aus Neustetts Besitz gab es DNA-Spuren der Frauen. Am Vergrabungsort wurde ein Schuhabdruck gesichert, der zu Schuhen des 32-Jährigen passte. Zudem lag Neustetts Wohnungsschlüssel gleich in der Nähe des Erdgrabs der Frauen. Und in der Schmutter fand die Polizei genau einen solchen Spaten, wie ihn Neustett am Tag nach der Tat gekauft hatte. Die Quittung lag in seinem 3er BMW. Dazu Bargeldbündel, die aus Abhebungen von den Konten der Beate N. stammen sollen. „Sie glauben doch nicht, dass Sie bei dieser Indizienlage irgendein Gericht der Welt freigesprochen hätte“, sagt Richterin Riedel-Mitterwieser.

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Foto: Marcus Merk
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Neustetts Verteidiger Walter Rubach (rechts) und Hansjörg Schmid wollen Revision gegen das Urteil einlegen.

So sieht es auch Anwältin Marion Zech, die zwei Schwestern von Elke W. als Nebenklägerinnen vertreten hat. Sie ist mit dem Ergebnis des Prozesses zufrieden, bedauert aber, dass der Angeklagte nichts gesagt hat: „Schweigen ist für die Angehörigen immer hart.“

Neustetts Verteidiger Walter Rubach und Hansjörg Schmid wollen Revision gegen das Urteil einlegen. Sie hatten auf Freispruch plädiert: Es sei nicht bewiesen, dass ihr Mandant der Mörder sei.

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