i
Foto: Jan-Peter Kasper, dpa (Symbolbild)
Foto: Jan-Peter Kasper, dpa (Symbolbild)

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat zuletzt mit einem Reformvorstoß in der Organspende für kontroverse Diskussionen gesorgt.

Interview
04.09.2018

165 Menschen warten derzeit in Augsburg auf ein Organ

Von Tobias Utz

Die Debatte um Organspende in Deutschland ist neu entfacht. Wie ist die Situation in Augsburg? Matthias Anthuber, Chefarzt am Klinikum, liefert Antworten.

Die Frage, ob Bürger ohne Widerspruch automatisch als Organspender gelten sollen, beschäftigt derzeit die Bevölkerung. Durch den Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kommt es zu einer Debatte, die sich zwischen Freiwilligkeit und moralischer Verpflichtung bewegt. Doch wie sieht die Situation vor Ort aus? Wie viele Menschen benötigen eigentlich ein Organ? Im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet Professor Matthias Anthuber, Chefarzt für Transplantationschirurgie, über die derzeitige Situation am Augsburger Klinikum.

Weiterlesen mit dem PLUS+ Paket
Zugriff auf alle PLUS+ Inhalte. Jederzeit kündbar.
JETZT AB 0,99 € TESTEN

Wie viele Patienten warten derzeit in Augsburg auf ein Organ?

Matthias Anthuber: In Augsburg stehen derzeit 165 Patienten auf der Warteliste für eine Organtransplantation. Davon sind 125 Patienten aktiv gelistet und damit transplantabel. Eine akute Erkrankung oder private Gründe, die aktuell eine Transplantation ausschließen, wären Gründe für eine zeitliche Inaktivität auf der Warteliste.

Im Zuge der entfachten Debatte um Organspende wird immer wieder von einem Mangel an Organen gesprochen. Wie viele Augsburger Patienten mussten in den vergangenen Jahren sterben, da kein geeignetes Organ gefunden werden konnte?

Anthuber: Wir haben über die letzten Jahre einen bis vier Patienten, die auf ein Organ gewartet haben, verloren. 2018 ist bisher ein Patient verstorben. 2015 hingegen waren es vier. Grundsätzlich gilt: Je länger ein Patient auf die Dialyse angewiesen ist, sein Blut also "gewaschen" werden muss, desto kranker wird er. Die Dialyse kann den Patienten also nur für eine gewisse Zeit Lebensqualität sichern.

Lesen Sie dazu auch

Wie lange müssen Patienten auf ein geeignetes Organ warten?

Anthuber: Patienten des Augsburger Klinikums müssen durchschnittlich sieben Jahre warten.

i
Foto: Klinikum Augsburg
Foto: Klinikum Augsburg

Prof. Dr. Matthias Anthuber beurteilt den Reformvorstoß des Gesundheitsministers als "längst überfällig".

Falls es zur Transplantation kommt, wie sind die Erfolgschancen?

Anthuber: Grundsätzlich gilt: Umso früher ein geeignetes Organ gefunden wird, desto höher ist die Chance einer erfolgreichen Transplantation. Die Erfolgschance hängt ganz wesentlich auch von der Qualität des Spenderorgans ab. Da seit geraumer Zeit ein Mangel an Organen besteht, müssen zunehmend auch Nieren von Verstorbenen, die über 75 Jahre alt waren, implantiert werden, was wir bei jüngeren Patienten mit guter Lebenserwartung ablehnen. Für ältere Empfänger (über 65 Jahre) ist das jedoch anerkanntermaßen eine gute Lösung.

Gibt es einer Alternative zur Warteliste?

Anthuber: Ja, die gibt es! Durch die sogenannte Lebensspende. Dabei wird einer dem Empfänger nahestehenden Person ein gesundes Organ entnommen und ohne zeitliche Verzögerung nahezu simultan transplantiert.

Neben dem Fakt, dass es sich um ein gesundes Organ handelt, erhalten wir durch eine minimale Konservierungszeit die Qualität des Transplantats. Es muss nicht erst 10 bis 24 Stunden durch halb Europa transportiert werden. Organe, wie Herz, Leber, Lunge oder Niere, die bei vier Grad Celsius stundenlang zum Zwecke des Transports konserviert werden, erleiden Schäden, die mit einer verzögerten Transplantatfunktion einhergehen können.

Wie beurteilen Sie den aktuellen Reformvorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn?

Anthuber: Dieser Vorstoß ist meiner Auffassung nach längst überfällig!

Organspende: Sind Sie für die Widerspruchslösung?

Ja, ich bin dafür.
Nein, ich bin dagegen.
Stimmen Sie ab!
Das Ergebnis ist nicht repräsentativ.

Seit 2011: Zahl der Organspender in Deutschland stark gesunken

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 797 Organspenden durchgeführt. Somit kamen auf eine Million Einwohner 9,7 Organspenden. Im Vergleich dazu waren es im Jahr 2011 noch 14,7. Dies geht aus einer Veröffentlichung des Online-Statistikportals statista hervor. Im Freistaat Bayern sank die Zahl von 15,0 auf 11,1. Im bundesweiten Ländervergleich liegt Bayern mit diesem Wert im Mittelfeld und über dem gesamtdeutschen Durchschnitt.

i
Foto: statista
Foto: statista

Facebook Whatsapp Twitter Mail