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Foto: Annette Zoepf, epd
Foto: Annette Zoepf, epd

Mit einem Organspendeausweis könnte eigentlich jeder dokumentieren, ob er zu einer Spende bereit ist oder nicht. In Deutschland gibt es aber zu wenige Menschen, die tatsächlich im Fall des Falles Organe spenden wollen.

Landkreis Günzburg  
04.09.2018

Gibt es eine Lösung für die Organspende?

Von Till Hofmann

Warum der Bundesgesundheitsminister eine alte Diskussion wiederbelebt. Und warum es Transplantationsbeauftragte in den Krankenhäusern nicht leicht haben.

In Umfragen tut sich eine große Lücke auf: 84 Prozent der Bürger stehen der Organspende grundsätzlich positiv gegenüber. Aber nur eine Minderheit besitzt tatsächlich einen Organspendeausweis, mit dessen Hilfe die Bereitschaft zur Organspende erklärt – oder auch deren Ablehnung dokumentiert werden kann. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Organspender in Deutschland auf unter 800 gefallen. 9,7 kommen bundesweit auf eine Million Einwohner. In Bayern liegt die Quote bei 11,1, was allerdings immer noch bei Weitem nicht ausreicht.

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Deshalb hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die emotional aufgeladene Diskussion wieder angestoßen, zu einem „Systemwechsel“ in der Bundesrepublik zu kommen. Der Gesundheitsminister spricht sich für eine Widerspruchslösung bei der Organspende aus, wie sie beispielsweise in Österreich praktiziert wird. Aktuell werden hierzulande die Versicherten alle zwei Jahre von den Krankenkassen über die Organspende informiert – mit der Bitte, sich zu entscheiden. Verpflichtend ist das aber nicht. Die Widerspruchslösung setzt – wie der Name schon sagt – voraus, dass Gegner der Organspende dies auch dokumentieren.

Nur ein Bruchteil der Dialyse-Patienten ist geeignet für die Transplantation

Wie der Gesundheitsminister ist auch Dr. Hartmut Winter dafür, die Widerspruchslösung einzuführen. Winter ist leitender Arzt des KfH-Nierenzentrums in Günzburg, das einzige im Landkreis. Ungefähr 120 Patienten müssen sich in aller Regel drei Mal pro Woche einer Blutwäsche unterziehen, weil die Nieren nicht mehr richtig arbeiten. Vier oder viereinhalb Stunden dauert normalerweise die reine Behandlungszeit ohne Vor- und Nachbereitung. Im Ausnahmefall kann es noch länger gehen. Nur ein Bruchteil der regelmäßigen Besucher des Günzburger Nierenzentrums ist nach Winters Worten geeignet für eine Transplantation. Viele seien sehr krank und alt. Und selten kommt es auch vor, dass sich Patienten von der Warteliste, auf der sie stehen, nehmen lassen, weil sich eine Hoffnungslosigkeit bei ihnen breitgemacht hat. Winter kennt eine Frau aus dem Landkreis Günzburg, die genau das getan hat.

34 Patienten können sich gleichzeitig der Blutentgiftung unterziehen, so viele Behandlungsplätze gibt es. Daneben werden täglich Menschen mit anderen Nierenerkrankungen medizinisch betreut – ebenso wie die ungefähr 40 Nierentransplantierten, die anfangs engmaschig – und dann immer in größeren zeitlichen Abständen kontrolliert werden.

Der Internist führt auch die Vergangenheit als Grund an

Warum die Zahl der Organspender in Deutschland so gering ist, erklärt sich Internist Winter mit dem komplexen deutschen Transplantationsgesetz und den Arbeitsbedingungen für die Transplantationsbeauftragten sogenannter Entnahmekrankenhäuser. Wenn nicht bekannt sei, ob der eben Verstorbene Organe spenden wollte oder nicht, müsse man versuchen, in „schwierigen Gesprächen mit traumatisierten Angehörigen diesen Willen zu rekonstruieren“. Eine Entnahme von Organen passe an sich nicht in den eng getakteten Klinikbetrieb, sagt Winter. Die Transplantationsbeauftragten in den einzelnen Häusern hätten es schwer, zu koordinieren.

Die zwei im Bezirkskrankenhaus Günzburg sowie die Transplantationsbeauftragten der Kreisklinik-Strandorte in Günzburg und Krumbach konnten dazu am Montag nicht befragt werden. Sie sind allesamt im Urlaub.

Winter führt noch einen historischen Grund an, warum die Sache mit der Organspende in Deutschland keine einfache ist: Das habe aus seiner Sicht mit den Untaten der Nationalsozialisten zu tun, die von ihnen als „lebensunwert“ eingestufte Menschen umgebracht haben. Ein Mahnmal für die Euthanasie-Opfer erinnert am Günzburger Bezirkskrankenhaus an hunderte getötete Patienten.

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