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Augsburg: Europawahl-Kandidat Seinsch: "Musste nicht aus Schatten des Vaters treten"

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Europawahl-Kandidat Seinsch: "Musste nicht aus Schatten des Vaters treten"

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    Jörn Seinsch (SPD) kandidiert für die Europawahl.
    Jörn Seinsch (SPD) kandidiert für die Europawahl. Foto: Silvio Wyszengrad

    Bislang war Jörn Seinsch kein Mensch, der sich gerne in den Vordergrund drängte. Doch seit einigen Tagen kommt die Öffentlichkeit nicht mehr in ihm vorbei. Seinschs Gesicht prangt schwabenweit auf über 1000 Wahlplakaten. Der Augsburger tritt für die SPD als Kandidat für die Europawahl an. Der 44-Jährige erzählt, wie es zu dem Schritt kam und warum er nie das Gefühl hatte aus dem Schatten seines bekannten Vaters Walther Seinsch, dem früheren FCA-Präsidenten und Ehrenbürger der Stadt Augsburg, heraustreten zu müssen.

    Jörn Seinsch sitzt in einem Café in der Innenstadt und ist gespannt auf das Interview. Viele hat er bislang nicht geführt. Wie er erzählt, hatte er die Anonymität immer geschätzt. "Ich habe an meinem Vater gesehen, was es heißt, im Mittelpunkt zu stehen." Der Vater, er war und ist oft präsent im Leben des Sohnes. "Wenn man so einen erfolgreichen Vater hat, der das Projekt FC Augsburg mitentwickelt und einen großen Namen hier hat, wird man auch viel auf ihn angesprochen", meint Jörn Seinsch. Er habe dies allerdings nie als negativ empfunden. Sein Vater Walther Seinsch hat in Augsburg große Spuren hinterlassen. 

    Europawahl in Augsburg: Jörn Seinsch musste sich eine Frage beantworten

    Der frühere Unternehmer hatte in seinen 14 Jahren als Vorstandsvorsitzender des FCA das erreicht, was sich die meisten Augsburger wohl nie erträumt hätten. Mit Millionen-Investitionen und viel Leidenschaft schaffte Seinsch ein Fußballwunder - er hievte einst den Klub von der Bayernliga in die Bundesliga. Dem Visionär ist zudem der Bau des modernen Fußballstadions an der B17 zu verdanken. Der heute 82-Jährige, der zeitlebens gerne gestaltete, hielt sich in der Öffentlichkeit jedoch gerne zurück. Sein Sohn Jörn ist offenbar ähnlich gestrickt. Ihn habe vor seiner Entscheidung, als SPD-Kandidat für die Europawahl anzutreten, eine spezielle Frage bewegt.

    "Mir war klar, dass es dann mit der Anonymität vorbei ist. Also fragte ich mich: Will ich das?" Das Bedürfnis, sich politisch und gesellschaftlich zu engagieren, überwog. "Ich bin ein leidenschaftlicher Europäer. Europa ist ein absolutes Geschenk für unsere Generation", betont der 44-Jährige. Aktuellen, aus seiner Sicht besorgniserregenden Entwicklungen wie dem erstarkenden Rechtspopulismus müsse Einhalt geboten werden. "Ich will Verantwortung übernehmen, weil es mir selbst gut geht", sagt Jörn Seinsch. Dafür sei er gerne den Schritt in die Öffentlichkeit gegangen. Seinsch, schon in früheren Jahren SPD-Mitglied in München, trat 2018 der SPD in Augsburg bei. Dort lernte er auch seine jetzige Lebensgefährtin, die stellvertretende Vorsitzende Lara Hammer, kennen. Seinsch, der Theater und Dramaturgie in England studiert hatte, arbeitet selbst seit vielen Jahren beim FC Augsburg.

    Seinsch arbeitet seit Jahren beim FC Augsburg

    Nach seiner Funktion als Stadionleiter verantwortet er als sogenannter Sustainability Manager das Nachhaltigkeitsmanagement des Vereins. Er habe noch einiges an Resturlaub und der FCA gönne ihm gerade auch etwas "politischen Freiraum" für den Wahlkampf, meint er. In diesen musste Seinsch hineinwachsen, wie er verrät. Als seine "Feuertaufe" in der Öffentlichkeit bezeichnet er seine Rede, die er beim diesjährigen SPD-Neujahrsempfang vor der Stadtgesellschaft hielt. Seine Eltern seien stolz auf ihn, vor allem, weil sie ihn und seine acht Geschwister politisch erzogen hätten. Er erinnert sich an die gemeinsamen Abendessen früher, als die gesamte Familie am Tisch saß und politische Themen diskutiert wurden. "Mein Vater brachte als Unternehmer immer wieder andere Blickwinkel mit ein, davon habe ich profitiert. Ich lernte, dass das Leben voller Gegensätze ist. Diese zu vereinen, ist die Aufgabe einer Volkspartei wie der SPD." Jörn Seinsch macht es nichts aus, nach seinem bekannten Vater gefragt zu werden.

    Der Sohn und der Vater: Jörn und Walther Seinsch.
    Der Sohn und der Vater: Jörn und Walther Seinsch. Foto: Ulrich Wagner

    Kandidat Jörn Seinsch: "Kein Problem, mich selbst zu entfalten"

    "Ich habe nicht das Gefühl, dass ich aus einem Schatten heraustreten musste", meint er. Sein Vater habe sich bereits vor zehn Jahren zurückgezogen. "Auch deshalb war es für mich kein Problem, mich selbst zu entfalten." Jörn Seinsch erzählt gerne von seinem Vater. Etwa, dass dieser und die Mutter von Münster nach München gezogen seien, um näher an der Familie zu sein. Inzwischen verfolge sein Vater auch die FCA-Spiele live am Fernseher. Das war nicht immer so. 

    "Mein Vater hatte vor langer Zeit den Spleen entwickelt, sich die Spiele erst nachträglich anzusehen, wenn er das Ergebnis kannte." Vergangenes Jahr sei er sogar in der WWK-Arena gewesen und habe das FCA-Spiel gegen Schalke verfolgt. "Er ist immer noch mit dem Herzen dabei." Jörn Seinschs Herz hingegen schlägt gerade vor allem für den Wahlkampf. Er sagt, er habe sich in den letzten Monaten in viele komplexe Themen eingearbeitet, sich selbst weiterentwickelt. Neben der Europawahl sieht Jörn Seinsch seine Zukunft bei der Augsburger SPD. Und, an sein eigenes Gesicht auf den Wahlplakaten habe er sich längst gewöhnt.

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