Immer mehr "Problemhunde" fordern das Augsburger Tierheim heraus
Plus Das Augsburger Tierheim ist zunehmend durch Hunde belegt, die sich nur schwer vermitteln lassen. Die Hunde selbst tragen daran jedoch keine Schuld.
Die Familie von Leo, einem jungen Mischlingshund, will sich von dem dreijährigen Vierbeiner trennen. Als "Kuschelhund" war er während der Corona-Pandemie in die Familie gekommen. Mit der Zeit begann Leo jedoch aggressiv zu werden. Nach mehreren Beißattacken, bei denen unter anderem der Sohn im Gesicht verletzt wurde, ist Leo nun im Tierheim Augsburg. Es ist eine tragische Geschichte – und kein Einzelfall.
Immer mehr Plätze des Augsburger Tierheims sind durch Hunde belegt, die aufgrund ihrer Aggressivität im Tierheim landen. Für Hunde wie Leo ein hartes Schicksal – aber auch für das Tierheim eine Herausforderung. Denn solche "Problemhunde" lassen sich nur schwer an neue Besitzer vermitteln und bleiben dadurch lange im Tierheim. "Die belegten Plätze fehlen dann für Notfälle und Fundhunde", erläutert Heinz Paula. Der Vorsitzende des Tierschutzvereins Augsburg stellt jedoch klar: Die Schuld an dieser Aggressivität von Hunden liegt vor allem beim Menschen.
Aggressive Hunde sind nur schwer vermittelbar – Tierheime ausgelastet
Eigentlich gibt es im Tierheim Augsburg und dem Tierheim Lech-Arche 32 Plätze für Hunde. Das ist aber nur Theorie: In der Praxis sind die Tierheime überbelegt – um die 60 Hunde werden aktuell beherbergt. Die sogenannten Problemhunde machen davon rund ein Drittel aus, erklärt Sabina Gassner, Geschäftsführerin des Tierschutzvereins. Meist sind dies Hunde wie Leo, die wegen aggressiven Verhaltens oder unberechenbarer Beißattacken im Tierheim landen. Für Heinz Paula steht fest: "Das Tier ist nie das Problem." Klassische Kampfhunde werden erst durch das Abrichten aggressiv, indem sie beispielsweise durch Provokationen "scharfgemacht" werden.
Während der Corona-Pandemie ist noch ein weiteres Problem zutage getreten: "Oft werden Hunde nur nach Farbe und Größe ausgesucht und Bedürfnisse des Hundes treten völlig in den Hintergrund", sagt Paula. So erklärt sich Tierpflegerin Louana Mayfahrt die Aggressivität von Leo. Als Hütehund brauche er klare Aufgaben und Grenzen. Würden diese nicht vom Menschen vorgegeben, suche der Hund sich die Aufgaben selbst. Um solche Fälle zu vermeiden, ruft der Tierschutzverein Augsburg dazu auf, sich vor dem Kauf genauestens mit den Tieren zu beschäftigen. Als geeignetes Mittel sieht Heinz Paula hier einen verpflichtenden Hundeführerschein.
Tierschutzverein Augsburg fordert verpflichtenden Hundeführerschein
Schlechte Erziehung und mangelnde Vorbildung sind jedoch nicht die einzigen Hürden für eine erfolgreiche Vermittlung von Hunden im Tierheim. Im Tierheim Augsburg kam vor einigen Wochen Gracie an. Die Hündin war trächtig ausgesetzt worden und warf kurz nach der Ankunft im Tierheim neun Welpen. Geschäftsführerin Gassner vermutet, dass sie vorher zur illegalen Züchtung verwendet worden war. Sie beschreibt die Hündin als zutraulichen Schmusehund. Trotzdem sei die Vermittlung von Mutter und Welpen schwierig. Der Grund: Gracie, ein amerikanischer Staffordshire, gilt als Kampfhund und darf somit in Bayern nur unter strengen Auflagen gehalten werden.
Ähnliche Verordnungen gibt es in vielen Bundesländern – in Bayern stehen jedoch verhältnismäßig viele Rassen auf der Liste der "Hunde mit gesteigerter Aggressivität". Der Tierschutzverein Augsburg kritisiert diesen Generalverdacht von Hunderassen. Er fordert deshalb, die Gefährlichkeit von Hunden am Einzelfall festzumachen. Bis es so weit ist, werden die Welpen von Gracie einfach an Bundesländer wie Niedersachsen gegeben – dort sind die Regeln anders.