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Amerika braucht Augsburg

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Amerika braucht Augsburg

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    Exotik erwünscht: ein indianischer Priester beim Reinigungszeremoniell.
    Exotik erwünscht: ein indianischer Priester beim Reinigungszeremoniell. Foto: Taschen/Staats- und Stadtbibliothek

    Es war eines der ambitioniertesten Verlagsprojekte der Frühzeit des Buchdrucks und eine der eindrucksvollsten Buchreihen der Menschheitsgeschichte. Stolze 25 Bände umfasste schließlich die „America“- Ausgabe, die Theodor de Bry 1590 begonnen hatte. In 13 Bänden wurden darin die beiden amerikanischen Kontinente beschrieben und in weiteren zwölf Bänden Ostindien. Auf lange Sicht sollte diese Edition Europas Bild der neuen Welt prägen.

    Der Taschen-Verlag hat die Illustrationen der „America“-Serie nun in einem kompakten, großformatigen Band zusammengefasst. Neben zwei US-Bibliotheken lieferte nicht von ungefähr die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg die Reproduktionen. „Wir haben die vollständige Serie der lateinischen Ausgabe und auch die deutsche Ausgabe. Allerdings sind die Illustrationen darin nicht koloriert“, sagt Bibliotheksdirektor Karl-Georg Pfändtner. So wechselt die neue Edition mitunter ins Sepiabraun des Kupferstichs.

    Warum die vollständige Serie so rar ist? „Solche illustrierten Werke sind bald zerlegt worden, um einzelne Blätter daraus zu verkaufen. Das war einträglicher“, weiß Pfändtner. Für ihn ist die Edition eine Chance, dass die Augsburger Bibliothek, die alljährlich Exponate an internationale Ausstellungen liefert, wieder an Renommee zulegt. So hoch auflösende Reproduktionen wurden gefordert, dass sie in München bei der Bayerischen Staatsbibliothek aufgenommen werden mussten.

    „America“ gibt den europäischen Blickwinkel wieder. Der Niederländer de Bry, der sich in Straßburg verheiratete und später nach Amsterdam und London ging, war nie selbst in Amerika. Er druckte die Reiseberichte anderer ab – einheitlich ins Lateinische übersetzt. Bei den Illustrationen erlaubte de Bry sich größere Freiheiten. Er wusste, was das Bürgertum in Europa damals gern lesen wollte: Alles über einen wilden Kontinent mit nackten Heiden, der nur darauf wartet, von zivilisierten Europäern kolonisiert und christianisiert zu werden.

    De Bry bediente die Schaulust mit prächtigen exotischen Darstellungen von Land und Leuten. Seine Kupferstiche frisierten das Bildmaterial, das aus der Neuen Welt kam, um die Sensationslust seiner Leser zu befriedigen. Mal ist es das Paradies, mal die Schreckenskammer, die „America“ bildlich öffnet. Viel nacktes Fleisch ist zu sehen, für das 17. Jahrhundert der pure Sex, zumal etliche Eingeborene auch am ganzen Körper tätowiert sind. Grusel rufen die ausführlich beschriebenen kannibalischen Riten der Ureinwohner hervor. Auch die Verehrung ihrer grell maskierten Götzen charakterisiert sie für den europäischen Betrachter als primitive Wesen. Zugleich aber locken exakte Beschreibungen des Landes Kolonisten auf den Kontinent Amerika. "Michiel van Groesen, Larry E. Tise: Theodor de Bry: America, Taschen Verlag, 376 S., Großformat, 100 ¤

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