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Jazzclub: Der Meister der leisen Töne

Jazzclub

Der Meister der leisen Töne

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    Ein Bandleader, der sich nicht in den Vordergrund spielt: der Saxofonist Oded Tzur, hier im Bild mit dem Bassisten Petros Klampanis.
    Ein Bandleader, der sich nicht in den Vordergrund spielt: der Saxofonist Oded Tzur, hier im Bild mit dem Bassisten Petros Klampanis. Foto: Michael Hochgemuth

    Ein echtes Juwel bot sich dem Augsburger Jazzfan am vergangenen Samstag. Der israelische Saxofonist Oded Tzur machte mit seinem New Yorker Quartett zwischen Baltikum, Luxemburg und Österreich auch im Jazzclub halt. Ein echter Top-Act, der konsequenterweise für ein ausverkauftes Haus sorgte.

    In der Konzertankündigung wurde der Saxofonist noch durch sein außergewöhnliches Spiel, beeinflusst von indischen Ragas und Mikrotonalität, hervorgehoben. Beim Konzert war davon wenig zu hören, allerdings offenbarte sich eine andere, viel außergewöhnlichere und wahrlich einzigartige Stärke des Bandleaders.

    Die Band betritt die Bühne, wartet, niemand spricht, die Bardamen werkeln vor sich hin, Oded Tzur setzt das Instrument an die Lippen und man hört – fast nichts. Ein hintergründiges, luftiges Hauchen von Saxofon, melodisch selten von Pentatonik und Durtonleiter abweichend. Es herrscht absolute Stille im Publikum, die Bardamen sind versteinert, man kann den Bassisten Petros Klampanis noch in der letzten Reihe atmen hören.

    Tzur lässt sich nicht aus der Reserve locken

    Niemand spielt so konsequent leise, so verstehbar, so einfach, so schön. Wo andere Schneller-höher-weiter-Instrumentalisten der Szene möglichst schnell den dynamischen Weg in die Lautstärke und Geschwindigkeit suchen, als würden sie nach gespielten Tönen bezahlt, liegt die Virtuosität des Mitdreißigers in der absoluten Verweigerung dessen, ein im Positiven kaum auszuhaltendes Spannungsfeld.

    Selbst das Solieren überlässt Tzur über weite Strecken dem stark aufspielenden Pianisten Nitai Hershkovits oder dem in diesem Jahr schon zum dritten Mal in Augsburg auftretenden Superdrummer Jonathan Blake. Diese Attitüde, sich unter keinen Umständen in den Vordergrund zu stellen, musikalische Ideen bis zum letzten Tropfen auszuwringen, so überzeugend in einer Sache zu verharren und auf hippe Klänge und Linien zu verzichten, die gibt es in der Jazzszene quasi nicht. Selbst arrangierte Teile von Themen werden nicht mehrstimmig, sondern ganz einfach unisono vorgetragen.

    Einzig der Jazzstandard „Afro Blue“ fällt etwas aus dem Raster und wird von Piano und Schlagzeug als letzte Nummer für beeindruckende Soli genutzt. Aber auch hier, obwohl die Band förmlich kocht, lässt sich ein Oded Tzur nicht aus der Reserve locken. Sein Zehn-Sekunden-Solo beschränkt sich auf etwa ein halbes Dutzend Töne und die Schlusskadenz, in der normalerweise alles ausgepackt wird, was man am Instrument kann, ist eine Repetition der letzten acht Melodietöne, ohne Umspielung, ohne Verschiebung, ohne Oktavierung, ohne Crescendo – einfach so. Da passt nichts besser als die Zugabe: Elvis Presleys „Can’t Help Falling in Love“. Natürlich extrem leise und ohne Saxofonsolo. Bravo!

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