Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten
Feuilleton regional
Icon Pfeil nach unten

Literatur: Walter Brecht und sein Neffe, der arme liebe Frank

Literatur

Walter Brecht und sein Neffe, der arme liebe Frank

    • |
    Der Dichter und sein Bruder: Bertolt und Walter Brecht, Augsburg 1910.
    Der Dichter und sein Bruder: Bertolt und Walter Brecht, Augsburg 1910. Foto: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg

    Die Augsburger Brechtsammlung in der Staats- und Stadtbibliothek wächst noch immer. Dort ist nun zusammengekommen, was zusammengehört, nämlich sieben originale Briefe aus dem Nachlass von Paula Gross. Unter dem Kosenamen „Bi“ war sie Bert Brechts erste Liebe und Mutter seines Sohnes Frank. Bislang lagerten sie im Stadtarchiv und wurden auf Betreiben von Franks Halbbruder Gerhard Gross nun der städtischen Sammlung einverleibt. Ihm liegt vor allem daran, das Andenken an seine Mutter, geborene Banholzer, und an Frank wach zu halten.

    Von dem hieß es lange, der heimlich im Allgäuer Kimratshofen am 30. Juli 1919 geborene Bub sei ständig herumgestoßen und kaum richtig geliebt worden. Doch die Nachforschungen von Gerhard Gross vermitteln ein weit positiveres Bild. Würde der 13-jährige Frank sonst am 8. Januar 1933 aus Wien, wo er seit 1930 in der Obhut von Helene Weigels Eltern lebte und von einem peinlichen Kindheitsleiden kuriert wurde, der „lieben Mama“ in Augsburg schreiben, er danke ihr sehr für das Weihnachtspaket, das auch ein Buch seines Lieblingsdichters Julius Sturm (1816–1896) enthielt. Frank fragte nach Großmutter Banholzer und Tante Blanka und erzählte von seinem ersten Schultag nach den Ferien in St. Martin (Pongau).

    "Den ich trotz der wenigen Berührungen lieb hatte"

    Sechs weitere Briefe des Konvoluts sind von Walter Brecht (1900 bis 1986) verfasst, Berts jüngerem Bruder. Am 18. Dezember 1943 kondolierte der Professor an der Technischen Hochschule Darmstadt Paula Gross zum Tod „des armen lieben Frank“. Als Wehrmachtssoldat fiel dieser am 30. Juli im russischen Porchow. Mehrmals habe er, Brecht, dem Soldaten Paketchen geschickt. „Für später hatte ich in meinem Forschungsinstitut eine mit der Werkstätte verbundene Verwaltungsstelle für ihn vorgesehen gehabt, wo ihn ein ruhiges und vielleicht auch seinen Neigungen sehr entsprechendes Arbeiten erwartet hätte“, schrieb er der Mutter. „Ich beklage seinen Tod als den eines nahen Anverwandten, den ich trotz der wenigen Berührungen, die mir mit ihm vergönnt waren, seiner scheuen, grundbraven Schlichtheit wegen lieb hatte.“

    Ein Brief von Walter Brecht an Paula Gross vom 12. April 1964, nachdem sich beide getroffen hatten.
    Ein Brief von Walter Brecht an Paula Gross vom 12. April 1964, nachdem sich beide getroffen hatten. Foto: Staats- und Stadtbibliothek

    Fast zwanzig Jahre später wandte sich Walter Brecht erneut an Paula Gross, um mehr über Frank zu erfahren. Am 12. April 1964 dankte er ihr für einen gemeinsam verbrachten Nachmittag. „Gerade ein Gespräch mit Ihnen zeigt jedoch, wie lückenhaft, dunkel und verschwommen alles ist, was man weiß. Ich hätte den besonderen Wunsch, vor allem das Leben des armen Frank durch Zusammenfügen aller da und dort vorhandenen Erinnerungen klar und neu erstehen zu lassen.“

    Wie hat sich mein Vater dir und Frank gegenüber verhalten?

    Ob es in dem Jahr erneut zu einem Treffen gekommen ist, wie von Walter gewünscht, bleibt unklar. Paula begab sich auf Kur nach Abano Terme und Walter hatte Termine. Auf jeden Fall trafen sich die beiden 14 Jahre später im April 1978 in Augsburg. Beglückt kehrte Walter nach Darmstadt zurück und ließ die „verehrte liebe Paula“ wissen, wie sehr er für die „eindrucksvolle, schöne Stunde“ danke. „Ich bin glücklich darüber, dass wir in einen Kontakt gelangt sind, der unserem beiderseitigen Empfinden entspricht.“ Kurz darauf reiste Paula nach Kalifornien, wozu Walter das Beste wünschte, „ganz besonders, wenn du die Stätten aufsuchst, wo Bert lange im Exil gelebt hat“.

    Noch nicht gestillt ist sein Wissensdurst und er schrieb am 10. Mai 1978: „Vielleicht hast du mal eine stille Stunde, in der du für mich ein paar Notizen machen kannst (…) Es handelt sich um die Lebensgeschichte von Frank, über die ich keinen ausreichenden Überblick habe. Also: Wann er geboren ist, die wichtigsten Stationen und Aufenthalte seines kurzen Lebens. Vor allem interessiert mich das Verhalten meines Vaters dir und Frank gegenüber, bin ich doch dabei, alle Erinnerungen über meinen Vater zu sammeln, damit ein Bild zustande kommt, das ihn besser entspricht als alles, was bisher (…) über ihn geschrieben worden ist.“ Entstanden ist aus diesen Recherchen das Buch „Unser Leben in Augsburg, damals“, das 1984 erstmals erschienen ist.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden