Von wegen lebloser Stein! Was da durch die St.-Anna-Kirche schwebt und schwingt – und durch Stein erzeugt wird – ist höchst lebendig. Ein Klang, der mit seinen vielen Nuancen überrascht: weich und sonor, sanft und zart wie ein Geigenton, manchmal auch scheppernd, als ob man auf einen Kochtopf schlägt. Drei außergewöhnliche Instrumente aus anthrazitfarbenem Serpentin bringen diese Musik hervor: ein Steingong, ein Gramorimba und eine Steinharfe. Sie stammen aus der Werkstatt des Schweizer Instrumentenbauers Rudolf Fritsche, die Musik dafür hat der Augsburger Musiker und Komponist Wolfgang Lackerschmid geschrieben. Seit zehn Jahren sind seine Steinklang-Kompositionen in den Sommermonaten zu hören – als eine Art klingende Visitenkarte der Stadt, denn Lackerschmid verarbeitet darin Augsburger Geschichte.
Für das Römische Museum hatte er das Stück „Die neun Reisen des Herkules“ komponiert, doch bei der Aufführung stellte sich heraus, dass der Raum der Dominikanerkirche dafür nicht geeignet war. „Es hat furchtbar gehallt, die Akustik erforderte eine andere Art von Komposition und auch andere Instrumente“, erinnert er sich. Zufällig hatte er zu dieser Zeit die Stein-Instrumente Rudolf Fritsches bei sich, um sie zu testen und weiterzuentwickeln. „Klingende Steine, das war genau das Richtige für das Römische Museum“, dachte sich Lackerschmid.
Vielfältiges musikalisches Gebilde
So schrieb er noch einmal ein Stück, weil die besonderen Instrumente auch neue Notenschriften erforderten: „Steinklang. Die Geschichte einer Stadt“. Darin stellt er die Instrumente in ihrer Einzelwirkung und ihrem Zusammenklang vor, darin verwebt er aber auch die Augsburger Historie zu einem vielfältigen musikalischen Gebilde, in dem das Mittelalter ebenso herauszuhören ist wie die Industrialisierung: Wie das Rattern der Strickmaschinen klingt es, wenn Moritz Schilling den Steingong mit verschiedenen Schlägeln und Holzstöcken gleichzeitig bearbeitet. Der junge Musiker gehört zu einer Reihe von Studenten des Leopold-Mozart-Zentrums, die in wechselnder Besetzung als Trio bei den Steinklang-Konzerten mitwirken.
Sie wissen, wie Schlaginstrumente zu spielen sind, „sie müssen aber auch ein Gespür für Neue Musik haben“, erläutert Lackerschmid. Im Konzert in St. Anna ist ein unkonventioneller Umgang mit den Instrumenten zu beobachten. So wird die Steinharfe, ein geschliffener Steinklotz mit Einfräsungen, nicht nur mit Schlegeln gespielt, sondern auch mit nassen Händen gerieben, der Steingong mit einem Gummiball bearbeitet und an den Klangplatten des Gramorimba ein Bogen gestrichen. „Ich wollte etwas schaffen, das so bisher nicht gehört wurde, aber nicht elektronisch, sondern akustisch erzeugt wird“, freut sich Lackerschmid. Die Steinklang-Konzerte bilden nun den meditativen Abschluss der Regio-Stadtführungen.
Wie geschaffen für diese Art von Musik
Aber längst sind zur klingenden Stadtgeschichte auch andere Kompositionen dazugekommen, die nun ebenfalls beim 40-minütigen Konzert in St. Anna zu hören sind. Etwa Jazz-Kompositionen Lackerschmids, die er für die Steininstrumente umgeschrieben hat und die beiden Stücke „Herkules“ und „Merkur“, die er für die Augsburger Brunnenfeste komponierte und dann den Brunnenfiguren im Viermetzhof des Maximilianmuseums widmete. Hier war die sommerliche Konzertreihe nach Schließung des Römischen Museums in den vergangenen Jahren zu hören. Doch nachdem dort nun die Ausstellung „Wasser – Kunst – Augsburg“ Platz beansprucht, wichen die Musiker in die Anna-Kirche aus, auch dies ein Ort, der mit seiner vielfältigen Stein-Architektur wie geschaffen für diese Art von Musik scheint. Hier stehen nun vor der Fugger-Kapelle die drei Lithophone, so der Fachausdruck für Steininstrumente, und erzeugen Klänge, die eine überirdische Sphäre schaffen.
Termine bis 31. August täglich (außer am 15. und 24. August) um 16.15 Uhr in St. Anna