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Neue CD: Tenor Johannsen und Pianist Hammer: Die hohe Kunst der Nuance

Neue CD

Tenor Johannsen und Pianist Hammer: Die hohe Kunst der Nuance

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    Daniel Johannsen und Christoph Hammer.
    Daniel Johannsen und Christoph Hammer. Foto: Michael Johannsen

    Dass seine Stimme und seine Gestaltungskraft eine Offenbarung sind, hat Daniel Johannsen schon vor einem dreiviertel Jahr in Augsburgs Kleinem Goldenen Saal bewiesen – damals mit Schuberts Liederzyklus "Die schöne Müllerin", wovon aus gegebenem aktuellen Anlass noch einmal die Rede sein muss. Doch zunächst ein paar Worte zum jüngsten Auftritt dieses Tenors, der praktisch alle Tugenden versammelt, um einen Liederabend als überragend zu klassifizieren. 

    Als da wären eine helle und leichtgängige Kopfstimme und eine tragend sonore Bruststimme, eine maximale Klangentfaltung bei scheinbar minimaler Anstrengung, dazu exzeptionelle Prononcierung sowie lyrische Verhaltenheit bei Möglichkeit zur dramatischen Attacke. Und nicht zuletzt seine Ausdeutung des Textsinns im musikalischen Fluss, der sorgsam einstudiert ist und dennoch aus dem klingenden Moment heraus lebt. Christoph Hammer, Professor am Augsburger "Leopold Mozart College of Music" und Präsident der veranstaltenden Deutschen Mozartgesellschaft, ist ihm dabei am Hammerflügel-Nachbau von Robert Brown ein wertvolles Gegenüber.

    Daniel Johannsen und Christoph Hammer liefern im Kleinen Golden Saal in Augsburg Hintergründiges

    Sollten aber all diese künstlerischen Tugenden Daniel Johannsens zu einer knappen Aussage verschmolzen werden, so müsste wohl von der höchsten "Kunst der Nuance" die Rede sein. Feinstens modulierend eröffnet er einen unerhörten klanglichen Kosmos, in dem das Zartfühlende Gottvater ist. Genug des Rühmens. 

    Diesmal brachte der Österreicher Johannsen in die von ihm optisch und klanglich bewunderte "Schatulle" des Kleinen Goldenen Saals jedoch wenige Beispiele aus dem Herzen der Liedkunst mit, sondern Kompositionen jenseits des Repertoirerands vor allem, Werke von Anton Eberl etwa, der einst in einem Atemzug mit Beethoven genannt wurde, von Franz Danzi, Johann Nepomuk Hummel sowie englische Lieder Joseph Haydns. Dass über dieses Programm Worte und Erläuterungen verloren wurden, machte den Liederabend umso attraktiver: Was Christoph Hammer und Daniel Johannsen an (verschmitzt) Hintergründigem zu sagen hatten, brachte das kleine Auditorium aus Kennern nicht nur weiter, sondern belebte es zusätzlich. Hammer und Johannsen sprudelten geradezu vor Wissen, liebevoller Ironie und Passion für die Liedkunst.

    Aber natürlich stand die Musik im Vordergrund – und dabei denn doch jene von Haydn, Mozart und Schubert, weil hier Tiefe und Innigkeit zu einem Höchstmaß fanden. "O tuneful voice" von Haydn auf einen Text der Dichterin Anne Hunter gab Johannsens Liederabend nicht nur den Titel; die – wie durchkomponierte – Hymne ging auch voller Inbrunst und freien Rubato-Spiels geradezu von Herzen zu Herzen, um diese Beethoven'sche Ziel-Kategorie zu zitieren. Mozarts "Abendempfindung an Laura" wiederum wirkte über die Maßen in ihren Metaphern und ernsten Todesempfindungen. Schließlich Haydns beschließendes doppeldeutiges "Das Leben ist ein Traum": Hier war das Nonplusultra an Nachdenklichkeit, Eindringlichkeit, Introversion erreicht. 

    Auf CD singt Daniel Johannsen "Die schöne Müllerin"

    All das war zu hören im Kleinen Goldenen Saal für die Anwesenden. Für alle anderen, denen Daniel Johannsen – noch – kein Begriff ist, obwohl sich auch große Dirigenten wie Harnoncourt seiner Mitwirkung schon versicherten, sei hier auf seine neue CD hingewiesen, die er ebenfalls mit Christoph Hammer aufnahm. Der Inhalt: eben "Die schöne Müllerin", Schuberts berühmter Liederzyklus, den Johannsen bei einer Augsburger Schubertiade 2023 aus gutem Grund sang. War doch der 200. Geburtstag dieser Kunstlieder zu feiern, die so volkstümlich wurden. So mancher Sänger der jüngeren und mittleren Generation tritt derzeit an, um zu gratulieren, auch Benjamin Appl und Samuel Hasselhorn – Letzterer packt dabei allerdings leider auch seine Opernstimme aus. Und so darf man reinen Gewissens unbedingt für Daniel Johannsens "Schöne Müllerin"-Aufnahme plädieren, die jeden Tag noch einmal in Erinnerung rufen kann, was 2023 im Kleinen Goldenen Saal an superber Liedkunst live geboten wurde: die aufblühende Erzählung eines Müllergesellen voller Hoffnung, Begeisterung, Euphorie, Liebe. Und dann mit Auftritt des Jägers und Nebenbuhlers auch der Ärger des Müllergesellen, seine Resignation, sein Anflug von Zynismus und Selbstmitleid. Also die ganze Welt der Schubert'schen Gefühlsausbrüche in intimer, ja verschwörerischer Wiedergabe, ummantelt durch den zunehmend dunkel-melancholischen Klang von Christoph Hammer am Hammerklavier.

    Warum diese Aufnahme ungeteilte Aufmerksamkeit verlangt, liegt auch in der Überraschung einer Beigabe: "Die schöne Müllerin" in einer Version mit dem Alinde-Streichquartett (Arrangement: Tom Randle). Ein Gewinn für jeden, erst recht für den wehmütigen Schubert-Freund.

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