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Violinwettbewerb - erste Runde: Im Röntgenlabor der Geiger

Violinwettbewerb - erste Runde

Im Röntgenlabor der Geiger

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    Naoko Nakajima in der ersten Runde des Violinwettbewerbs Leopold Mozart.
    Naoko Nakajima in der ersten Runde des Violinwettbewerbs Leopold Mozart. Foto: Christian Menkel

    Endlich Sommer an diesem Samstagnachmittag, alles in der Stadt drängt ins Freie, nur die Freunde der Violinmusik treten den umgekehrten Weg an, es zieht sie hinein ins Leopold-Mozart-Zentrum in der Maximilianstraße, denn es ist wieder Wettbewerbszeit in Augsburg. Unten im Foyer das von früheren Malen her gewohnte Bild, das „Café Mozart“ mit ein paar Stühlen vor einem Bildschirm, der das Vorspiel der Kandidaten aus dem Obergeschoss überträgt. Gerade flimmert das Pausenbild, doch in wenigen Minuten geht es wieder los, also rasch die Treppen hoch in den Konzertsaal, der fast zur Gänze mit Besuchern gefüllt ist. Und natürlich mit der Jury, 14 international zusammengesuchten Musikexperten, die genau gegenüber dem Podium am anderen Ende des Raums ihren Platz auf einem Podest haben.

    Runde eins beim 10. Leopold-Mozart-Violinwettbewerb. Am Samstag sind es 13 junge Geigerinnen und Geiger, die sich dem Urteil stellen, am Sonntag weitere 11, zusammen also 24. Ursprünglich gemeldet waren 28, vier haben jedoch kurz vor Wettbewerbsbeginn noch abgesagt, davon zwei Teilnehmer aus Europa, was das Verhältnis ein weiteres Stück zugunsten der asiatischen Teilnehmer verschiebt, die wie schon in früheren Wettbewerben die weit überwiegende Mehrheit stellen beim Versuch, sich den mit 20000 Euro dotierten Mozartpreis zu erspielen.

    Ein typisches Erstrunden-Programm

    Und so sind es an diesem Samstag denn auch ausschließlich Teilnehmer asiatischer Abstammung, die zur ersten Runde antreten. Denn selbst dort, wo als Herkunftsland die USA angegeben sind, handelt es sich ganz offensichtlich um jemanden mit Wurzeln im Fernen Osten wie bei Naoko Nakajima, die jetzt aufs Podium tritt und anhebt, sich in Adagio und Fuge aus einer Bach’schen Solosonate zu vertiefen.

    Es ist ein typisches Erstrunden-Programm, das von den Teilnehmern beim Augsburger Violinwettbewerb gefordert wird. 40 Minuten, in denen jeder Kandidat in einer Art Röntgenlabor durchleuchtet wird: Bachs Solowerke sind nicht nur technisch heikel, sie fordern den Interpreten besonders als künstlerischen Gestalter. Letzteres gilt, wenngleich unter ganz anderen Vorzeichen, auch für ein klavierbegleitetes Mozart-Rondo. Paganinis berühmtes Capriccio Nr. 24 wiederum verlangt allerlei virtuose Fähigkeiten, von den verschiedensten Bogenstrichen über Flageoletts in höchsten Lagen bis zu Pizzicati mit der linken Hand.

    Die interpretative Schere geht weit auseinander

    Und dann ist da noch die Bewährungsprobe an der Moderne, wofür die polnische Komponistin Elzbieta Sikora eigens ein Stück geschrieben hat für Sologeige mit Tonbandbegleitung. Eine echte Herausforderung für die zwischen 19 und 29 Jahre alten Wettbewerbsteilnehmer, denn anders als bei Bach, Mozart, Paganini gibt es für „Soleos“ keine Vergleichsinterpretationen, an denen man sich orientieren kann. Hier ist also ganz die eigene Gestaltungskraft gefragt. Naoko Nakajima geht das Stück verhalten, fast ein wenig vorsichtig an – und wie weit die interpretative Schere auseinandergehen kann, hört man später am Nachmittag etwa bei Hsin-Yu Shih, die beim selben Stück ihr Instrument mit regelrechtem Furor traktiert.

    Genau das ist das Reizvolle an Wettbewerben: die Begegnung mit unterschiedlichsten künstlerischen Temperamenten, vorgeführt an ein und denselben musikalischen Werken. Als unmittelbar auf die Amerikanerin Nakajima der Japaner Kaoru Oe folgt, könnte der Kontrast kaum stärker sein. Schon bei Mozart ist sein geigerischer Zugriff merklich direkter, und in Bachs d-Moll-Chaconne dringt er geradezu hitzig vor, biegt und windet den ganzen Körper während des Spiels, wo seine Vorgängerin lieber statisch blieb. Ein Musiker, der sichtlich etwas riskieren will, dabei auch das Vordergründige nicht scheut, und für den ein Paganini ein gefundenes Futter zu sein scheint: Geradezu halsbrecherisch stürzt er sich hinein in das Capriccio, findet darin allerdings auch seinen Meister…

    Die Temperaturen gehen merklich nach oben

    Welcher Vortrag aber wird die Jury überzeugen? Die Experten unter dem Vorsitz von Benjamin Schmid haben zwei Tage hindurch volle Konzentration zu leisten in einem Saal, in dem die Temperaturen am Nachmittag durch die einfallende Sonne merklich nach oben gehen. Erst am Sonntagabend heißt es durchschnaufen – nachdem festgelegt wurde, wer aus dem Kandidatenkreis zu den zwölf Auserwählten für die nächste Runde gehören wird.

    An diesem Montag und am Dienstag wird der Wettbewerb fortgesetzt. Unter anderem müssen sich die Teilnehmer nun auch kammermusikalisch bewähren. Im Konzertsaal des LMZ in der Maximilianstraße finden ab 9 Uhr zunächst Proben statt, jeweils um 14 Uhr beginnt dann das eigentliche Vorspiel (Eintritt frei). Der Wettbewerb ist auch im Livestream zu verfolgen: www.leopold-mozart-competition.de

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