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Kunstfund: Bewegung im Münchner Kunstkrimi: Behörden wollen Einigung mit Gurlitt

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Bewegung im Münchner Kunstkrimi: Behörden wollen Einigung mit Gurlitt

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    Die Kombo zeigt ein Selbstportrait des deutschen Malers Otto Dix mit einer Zigarette im Mund (von links oben im Uhrzeigersinn), eine Zeichnung des Deutschen Carl Spitzweg mit dem Titel "Musizierendes Paar", eine "Allegorische Szene" von Marc Chagall, eine Arbeit von Antonio Canaletto (Giovanni Antonio Canal) und eine Arbeit des deutschen Malers Franz Marc mit dem Titel «Pferde in Landschaft», aufgenommen in Augsburg während einer Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft zum spektakulären Kunstfund in München.
    Die Kombo zeigt ein Selbstportrait des deutschen Malers Otto Dix mit einer Zigarette im Mund (von links oben im Uhrzeigersinn), eine Zeichnung des Deutschen Carl Spitzweg mit dem Titel "Musizierendes Paar", eine "Allegorische Szene" von Marc Chagall, eine Arbeit von Antonio Canaletto (Giovanni Antonio Canal) und eine Arbeit des deutschen Malers Franz Marc mit dem Titel «Pferde in Landschaft», aufgenommen in Augsburg während einer Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft zum spektakulären Kunstfund in München. Foto: Marc Müller/dpa

    In den Kunstkrimi von München kommt Bewegung: Die Behörden dringen auf eine Verständigung mit dem Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt über die bei ihm beschlagnahmten 1400 Bilder. Eine "einvernehmliche Lösung" sei im Interesse aller, sagte der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag). Es gehe "um die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus".

    Gesetzesänderung um Verjährung zu verhindern?

    Die Bundesregierung wies die Kritik zurück, sich bei der Aufklärung nicht rechtzeitig engagiert zu haben. Man habe auf Grund von Anfragen Verbindungen zu Experten hergestellt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Es stehe völlig außer Frage, dass sich Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) stets für Aufklärung und Rückführung von Werken eingesetzt habe, bei denen der Verdacht bestehe, dass es sich um NS-Raubkunst handele. Im übrigen habe die Federführung des gesamten Vorganges bei der Staatsanwaltschaft in Augsburg gelegen.

    Diese wird von der kommenden Woche an alle rund 590 Werke, die als mögliches NS-Raubgut gelten, in die Lost-Art-Datenbank stellen. Das hatte die Leiterin der Taskforce, Ingeborg Berggreen-Merkel, am Donnerstagabend angekündigt.

    HANDOUT - Max Liebermann: «Reiter am Strand», Gemälde, 1901. Das Bild ist eines von 25 Werken aus dem spektakulären Münchner Kunstfund, die seit 11.11.2013 online einsehbar in der Lostart-Datenbank aufgelistet sind und bei denen laut Behördenangaben «der begründete Verdacht auf NS-verfolgungsbedingten Entzug» besteht. Foto: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa (Nur zur redaktionellen Verwendung bei Urhebernennung und nur im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung) +++(c) dpa - Bildfunk+++
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    Die Behörden haben 25 Werke aus dem spektakulären Münchner Kunstfund in der Lostart-Datenbank aufgelistet, bei denen «der begründete Verdacht auf NS-Verfolgungsbedingten Entzug» besteht.

    Justizminister Bausback betonte, die Erforschung der Herkunft der Bilder müsse "jetzt auf breiter Front mit vereinten Kräften" erfolgen. Geklärt werden müsse, welche Bilder NS-Raubkunst seien. Wenn Eigentümern von Bildern, die in der NS-Zeit enteignet wurden, jetzt Verjährung entgegengehalten werde, sei das schwer erträglich, sagte Bausback und deutete die Möglichkeit einer Gesetzesänderung an.

    In Gurlitts Münchner Wohnung waren im Februar 2012 im Zuge von Steuerermittlungen rund 1400 Bilder beschlagnahmt worden. Fast 600 davon könnten NS-Raubgut sein. Dass die Bilder bisher unter Verschluss gehalten wurden, hatte internationale Kritik ausgelöst.

    Auch Beate Merk wurde von Mitarbeitern im Unklaren gelassen

    Die spektakulärsten Kunstfunde der vergangenen Jahre

    2003 findet die New Yorker Schriftstellerin Elizabeth Gibson auf einem Sperrmüllhaufen ein abstraktes Gemälde. Später stellt sich heraus, dass es sich um das 20 Jahre zuvor gestohlene Meisterwerk "Drei Menschen" des mexikanischen Künstlers Rufino Tamayo handelt. Das Bild geht an die Besitzer zurück, die es beim Auktionshaus Sotheby's für über drei Millionen Dollar versteigern. Gibson erhält einen Finderlohn und einen kleinen Anteil am Auktionserlös.

    2006 bemerkt eine Wuppertalerin erst im letzten Moment, welch wertvolles Gemälde sich in ihrem Besitz befindet. Eigentlich wollte sie das Ölbild für 20 Euro auf einem Flohmarkt verkaufen. Beim Verpacken bemerkt sie auf der Rückseite jedoch eine Signatur. In einer Galerie stellt sich schließlich heraus, dass es sich um die "Weiße Tulpe" von Franz Radziwill handelt. Der Wert des Gemäldes wird auf rund 15.000 Euro geschätzt.

    Als ein Rentner in Baden-Württemberg 2006 den Speicher seiner verstorbenen Tochter ausräumt, findet er ein mit "Nolde" signiertes Frauenporträt. Der Vater übergibt das Gemälde der Polizei, die herausfindet, dass das Bild zwischen 1977 und 1979 aus einem Lagerhaus einer Spedition in Freiburg entwendet worden ist. Das Bild des Künstlers Emil Nolde gehörte dem Kunstverleger und Sammler Ernest G. Rathenau, dessen Erben das Gemälde zurückerhalten. 2007 wird das Bild in München für 2,58 Millionen Dollar versteigert.

    Nach mehr als 100 Jahren taucht 2011 erstmals wieder ein Gemälde von Leonardo da Vinci auf. Bei dem in New York entdeckten Werk, das einen Christus mit zum Segen erhobener rechter Hand zeigt, soll es sich nach der Meinung einiger Experten um das Bild «Salvator Mundi» handeln. Die Existenz des Leonardo-Gemäldes war seit langem bekannt, jedoch hielt man es für zerstört.

    2012 finden Kunstexperten des Madrider Prado-Museums eine "Zwillingsschwester" der berühmten Mona Lisa - eine Kopie, die gleichzeitig mit dem Original in der Werkstatt von Leonardo da Vinci gemalt worden sein soll. Das Bild hatte seit Jahren an einer Wand in der Madrider Pinakothek gehangen, sein Wert war aber lange nicht erkannt worden. Der Maler ist wahrscheinlich Francesco Melzi, der zu den bedeutendsten Schülern da Vincis zählt.

    Im November 2013 wird bekannt, dass ein 80-jähriger Münchner in seiner vermüllten Wohnung über Jahrzehnte einen schier unbezahlbaren Kunstschatz aufbewahrt hat - darunter Gemälde von Picasso, Dürer Matisse und Nolde. Bereits 2011 waren bayerische Zollfahnder offenbar auf den einmaligen Kunstschatz gestoßen. Die Fahnder beschlagnahmten etwa 1500 verschollen geglaubte Bilder von Meistern der klassischen Moderne. Darunter Werke von Pablo Picasso, Henri Matisse, Marc Chagall, Emil Nolde, Franz Marc, Max Beckmann, Paul  Klee, Oskar Kokoschka, Ernst Ludwig Kirchner und Max Liebermann. Aufgekauft hatte die Werke offenbar der Kunsthändler Hildebrand G. in den dreißiger und vierziger Jahren. Dessen Sohn Cornelius G. hat die Bilder wohl über ein halbes Jahrhundert in seiner Schwabinger Wohnung gehortet.

    Selbst die Spitzen der zuständigen bayerischen Ministerien erfuhren erst aus der Zeitung von dem Sensationsfund. Die frühere bayerische Justiz- und jetzige Europaministerin Beate Merk (CSU) wurde von ihren engsten Mitarbeitern im Unklaren gelassen. Zwei Berichte zu dem Fall hätten zwar das Ministerbüro erreicht, seien ihr selbst aber nicht vorgelegt worden, sagte sie am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Ein Referent habe die Berichte abgezeichnet, ohne sie zu informieren. "Ich bin entsetzt, dass das nicht passiert ist", sagte Merk. Als sie von dem Fall und Versäumnis in ihrem Haus erfahren habe, habe sie "gedacht, mich trifft der Schlag".

    Auch der 2012 zuständige, damalige bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) hat seinerzeit von dem Fund "nicht den blassesten Schimmer gehabt", wie er der "Süddeutschen Zeitung" sagte. Für den Freistaat Bayern sei der Fall "eine Katastrophe".

    Das sieht auch die SPD im bayerischen Landtag so und spricht von einer "Blamage für Bayern". Am Freitag drohten die Sozialdemokraten einen Gurlitt-Untersuchungsausschuss an. Die SPD-Abgeordnete Isabell Zacharias sagte: "Es ist ein Skandal, wie mit diesem Sensationsfund umgegangen wird." Justizminister Winfried Bausback und Kunstminister Ludwig Spaenle (beide CSU) sollen bis Ende November Bericht im Landtag erstatten. (dpa)

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