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Bildung: Immer mehr Schüler nehmen Nachhilfe

Bildung

Immer mehr Schüler nehmen Nachhilfe

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    Auch Schüler mit guten Noten bekommen heutzutage häufig Nachhilfe – um den Übertritt auf die gewünschte Schulart zu schaffen oder auf einen besonders guten Abschluss hinzuarbeiten.
    Auch Schüler mit guten Noten bekommen heutzutage häufig Nachhilfe – um den Übertritt auf die gewünschte Schulart zu schaffen oder auf einen besonders guten Abschluss hinzuarbeiten. Foto: Malte Christians, dpa (Archiv)

    Sechs Stunden Unterricht, Hausaufgaben machen und anschließend in der Nachhilfestunde büffeln – das ist der Alltag vieler Schüler in Bayern. Immer mehr Jugendliche müssen nach der Schule mit dem Nachhilfelehrer pauken.

    Das Geschäft boomt. Nach Angaben des Nachhilfeinstituts Studienkreis nahmen im vergangenen Schuljahr zehn Prozent mehr Schüler Zusatz-unterricht als im Jahr davor. Auch das Institut Kumon verzeichnete einen Zuwachs um 21 Prozent in den vergangenen drei Jahren.

    Immer mehr Schüler büffeln in den Ferien

    Dabei sind viele Nachhilfeschüler nicht einmal schlecht in der Schule. „Es gibt zunehmend gute Schüler, die sich verbessern wollen, um einen bestimmten Schnitt zu erreichen“, sagt Marion Steinbach vom Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen. Denn der Leistungsdruck wächst. Was zählt, sind gute Noten. Um den Übertritt aufs Gymnasium zu schaffen etwa, einen Einser-Abschluss zu machen oder nach dem Abi das Lieblingsfach studieren zu können.

    Dafür wird auch in den Ferien gebüffelt. Ein Trend, den Hans-Joachim Röthlein, Vorsitzender des Landesverbands bayerischer Schulpsychologen, kritisch sieht. „Das Gehirn muss auch mal abschalten und die Dinge, die es gelernt hat, verarbeiten“, sagt er. Die Ferien mit Nachhilfestunden zu füllen, sei nicht zielführend. Schon gar nicht, wenn der Schüler gut ist und sich die freie Zeit verdient hat.

    Röthlein empfiehlt, frühestens in der vorletzten Ferienwoche wieder anzugreifen. Aber nur, wenn die Lernlücken klar definiert sind. Eine Lernstandsdiagnose, die Schulpsychologen und Beratungslehrer erstellen, könne zeigen, wo möglicher Zusatzunterricht sinnvoll ist, so der Psychologe.

    Der Nachhilfemarkt boomt

    Wie viele Schüler regelmäßig Nachhilfe nehmen, lässt sich in absoluten Zahlen nicht sagen. Zu unübersichtlich sind die Institute und Angebote, die um das lukrative Geschäft mit den guten Noten kämpfen. Allein der Studienkreis hat in Bayern rund hundert Schulen, etwa 10000 Kinder und Jugendliche lernen dort. Schülerhilfe bietet in 141 Schulen in Bayern Nachhilfe an.

    Einer Bertelsmann-Studie zufolge nahmen im Schuljahr 2014/2015 etwa 14 Prozent aller Schüler in Deutschland Nachhilfe. Das Problemfach Nummer eins: Mathe. Auch Fremdsprachen bereiten den Schülern immer wieder Schwierigkeiten. Aber wann ist Nachhilfeunterricht überhaupt sinnvoll?

    Schüler, die krankheitsbedingt länger ausgefallen sind und dadurch Lernlücken haben, könnten vom Zusatzunterricht profitieren, sagt Röthlein. Aber Schüler, die chronisch überfordert sind, würden mit Nachhilfe oft noch mehr unter Druck gesetzt. „Manchmal ist ein Stressbewältigungskurs zielführender als Nachhilfe“, so Röthlein.

    Eltern müssen abwägen, welche Form der Nachhilfe ihr Kind weiterbringt

    In manchen Fällen müssten Eltern und Lehrer abwägen, ob die Schulform, die ein Kind besucht, überhaupt richtig ist. Das Bildungssystem sei durchlässig. „Der Königsweg verläuft nicht immer über das Abitur.“ Gerade in der Pubertät würden Lernleistung und Motivation schwanken. Wenn es nach Röthlein geht, muss nicht immer gleich der Nachhilfelehrer eingreifen: „Eltern können Druck rausnehmen, indem sie auch mal eine schlechte Leistung verschmerzen.“

    Daneben gilt es abzuwägen, welche Form der Nachhilfe den Schüler wirklich weiterbringt. „Manche Kinder müssen individuell betreut werden, andere lernen besser in einer kleinen Gruppe“, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands BLLV. Hier gelte es, miteinander zu sprechen und verschiedene Angebote auszuprobieren. „Ab der dritten Klasse kann man mit Kindern besprechen, was der beste Weg wäre“, sagt Fleischmann.

    Nicht jeder kann sich teure Nachhilfestunden leisten

    Doch auch sie blickt mit Sorge auf den wachsenden Nachhilfemarkt. Manche Eltern würden schon Grundschulkinder in Lerncamps schicken, um den Übertritt aufs Gymnasium vorzubereiten. Dahinter stecke ein enormes Sicherheitsdenken. „Aber schuld sind nicht die Eltern, sondern das einseitig leistungsorientierte Schulsystem“, so Fleischmann. „Die steigenden Nachhilfezahlen sind ein Armutszeugnis der Schulpolitik in Bayern.“

    Eigentlich müssten Stärken und Schwächen der Kinder in der Schule aufgefangen werden. Doch die Rahmenbedingungen seien oft nicht gegeben. Das schaffe Bildungsungerechtigkeit. Denn nicht jeder kann sich teure Nachhilfestunden leisten. „Mit diesem System werden Kinder gefördert, denen es sowieso schon besser geht. Die Schwächeren fallen raus.“

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