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Augsburg: Geisterfahrer auf A95: Braucht es eine Altersgrenze für Taxifahrer?

Augsburg

Geisterfahrer auf A95: Braucht es eine Altersgrenze für Taxifahrer?

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    Ein 80 Jahre alter Taxifahrer ist am Montagabend auf der A95 zum Geisterfahrer geworden.
    Ein 80 Jahre alter Taxifahrer ist am Montagabend auf der A95 zum Geisterfahrer geworden. Foto: Sabine Hermsdorf-Hiss, dpa

    Am Tag danach sind die Kollegen in der Augsburger Taxizentrale nach wie vor geschockt. „Er ist ja ein langjähriger Fahrer, einer, der noch richtig fit ist“, sagt Ramazan Buhur von der Taxigenossenschaft Augsburg. Dass dem 80-Jährigen so etwas passiert, einem derart routinierten und besonnenen Kollegen – das hätte keiner hier gedacht. „Aber wenn ich Bilder sehe, bin ich erst mal froh, dass nicht noch mehr passiert ist“, sagt Buhur.

    Der 80-jährige Taxifahrer war am Montagmittag unterwegs in Richtung Starnberger See, es ist eine Kurierfahrt für einen Konzern. „Um 12.30 Uhr war das erledigt“, sagt Ferdi Akcaglar, Vorsitzender der Taxigenossenschaft Augsburg. „Er hätte am Nachmittag zurück in Augsburg sein sollen.“

    Doch der 80-Jährige kommt nicht. Die Disponentin in der Taxizentrale macht sich Sorgen – erst recht, nachdem sich die Ehefrau des Fahrers meldet. Augenscheinlich hat er Schwierigkeiten, den Weg zurückzufinden. Am Telefon aber wirkt er normal. Bis auf eine Sache: „Er erzählte von Fahrgästen, die den Weg nach Augsburg ebenfalls nicht wüssten“, berichtet Akcaglar. Tatsächlich aber ist der 80-Jährige allein im Auto und irrt bereits seit Stunden umher.

    Der Taxizentrale kann das Fahrzeug des 80-Jährigen orten

    Er rammte zwei Autos, eines davon frontal. Alle Beteiligten wurden nur leicht verletzt.
    Er rammte zwei Autos, eines davon frontal. Alle Beteiligten wurden nur leicht verletzt. Foto: Dominik Bartl

    Die Zentrale verständigt daraufhin den Taxi-Unternehmer, dieser schaltet die Polizei ein. Es gelingt, das Auto per GPS zu orten: Der Taxifahrer ist in der Nähe von Münsing unterwegs. Mehrere Streifenwagen versuchen, ihn abzufangen. Ein Fahrzeug verfehlt das Taxi kurz vor der Autobahnauffahrt Wolfratshausen. Dann überschlagen sich die Ereignisse.

    Die Einsatzzentrale meldet, das Taxi sei auf der A95 in Richtung Garmisch-Partenkirchen. Dass der Senior die falsche Fahrtrichtung erwischt hat, ist da noch nicht klar. Eine Streife der Verkehrspolizei Weilheim macht sich von Süden aus auf den Weg zur Anschlussstelle Wolfratshausen. Doch so weit kommen die Polizisten nicht. Sie schaffen es gerade noch, anzuhalten, als der Taxifahrer vor ihren Augen zwei entgegenkommende Autos rammt – 150 Stundenkilometer ist er da schnell. Eine 51-jährige Münchnerin und ein 37-jähriger Münchner werden mittelschwer verletzt, ebenso der Taxifahrer. „Das kommt einem Wunder gleich“, sagt Polizeihauptkommissar Mathias Wank.

    Die A95 bleibt an der Unfallstelle zwei Stunden lang komplett gesperrt. Das Trümmerfeld erstreckt sich über 400 Meter. Die Autos werden komplett zerstört und müssen abgeschleppt werden. Der Sachschaden beträgt etwa 120.000 Euro.

    Vieles deutet darauf hin, dass der Taxifahrer in Unterzucker gefallen ist

    Wie aber konnte der 80-Jährige zum Geisterfahrer werden? Nach den Worten von Polizeihauptkommissar Wank deutet sich an, dass der Mann Diabetiker ist und in Unterzucker gefallen sein dürfte. Verwirrtheit kann eine Folge davon sein. In der Augsburger Taxizentrale wusste man von seiner Krankheit nichts, dort werden aber nur die Fahrten eingeteilt. Ob der Arbeitgeber Zweifel an der Eignung des Seniors hatte, ist unklar.

    Ein 80-Jähriger, der nach wie vor Taxi fährt – das ist für viele unbegreiflich, wie Reaktionen in den sozialen Netzwerken zeigen. Ist das überhaupt zulässig? Frank Kuhle ist Vorsitzender des Landesverbands Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmer. Er sagt: „Für Taxifahrer gibt es keine Altersbeschränkung.“ Allerdings müssten sie, wie auch Busfahrer, für eine Verlängerung des Personenbeförderungsscheins regelmäßig zum Arzt.

    Sehtests werden durchgeführt, die Reaktionsfähigkeit wird überprüft, der Blutdruck gemessen. Diese Untersuchung ist alle fünf Jahre nötig, ab dem 60. Lebensjahr in kürzeren Abständen. Wann der Fahrer den letzten Test gemacht hat, ist nicht bekannt.

    „Er ist wahrscheinlich unser ältester Kollege im Dienst, aber er hatte noch nie einen Unfall“, sagt Ferdi Akcaglar in der Augsburger Taxizentrale. So etwas, sagt er, habe nichts mit dem Alter zu tun. Das könne auch einem 50-Jährigen passieren. „Es gibt Ältere, die sind fit. Und es gibt Jüngere, die lassen sich leicht ablenken.“

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