
So unterscheidet sich die Corona-Politik in Bayern und Baden-Württemberg

Plus In Baden-Württemberg spielt die Inzidenz keine Rolle mehr, in Bayern schon. Welche Unterschiede es noch gibt und wo private Treffen ohne Einschränkungen möglich sind.

Es gibt zwei Wege, die durch diese Pandemie führen. Der eine – wenn man so will die viel befahrene Autobahn, die die meisten Bundesländer wählen, – orientiert sich an der Sieben-Tage-Inzidenz. Auf dem anderen Weg, derzeit noch eine wenig befahrene Landstraße, spielen diese Zahlen keine Rolle mehr. Baden-Württemberg hat diese Route eingeschlagen.
Am Montag trat dort die neue Corona-Verordnung in Kraft. Der Grundgedanke: In den wichtigsten Alltagsbereichen muss nachgewiesen werden, dass man geimpft, genesen oder getestet ist – und zwar, das ist der entscheidenden Punkt, unabhängig von der Inzidenz. Zugleich wurden einige Regeln, etwa Kontaktbeschränkungen, aufgehoben. Damit sind Bayern und Baden-Württemberg zu zwei ungleichen Nachbarn geworden. Das sind die wichtigsten Unterschiede:
Welche Rolle spielt die Inzidenz in Bayern und Baden-Württemberg?
In Baden-Württemberg gilt unabhängig von den Inzidenz-Werten für die meisten Bereiche die sogenannte 3G-Regel: Man muss also geimpft, getestet oder genesen sein, um etwa Museen oder Büchereien zu besuchen, im Fitnessstudio zu trainieren oder sich im Kosmetikstudio behandeln zu lassen. In Bayern indes gilt der Inzidenzwert nach wie vor als Grundlage für viele Coronamaßnahmen. Er halte die Inzidenz nach wie vor „für einen wichtigen Seismographen, einen Frühwarnwert“, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Eine Sprecherin seines Ministeriums ergänzt: „Die Sieben-Tage-Inzidenz bleibt der früheste Indikator, der die Infektionsdynamik abbildet.“ Zugleich müssten künftig andere wesentliche Parameter wie die Belegung der Krankenhaus-Intensivbetten einen stärkeren Einfluss finden. „Bayern berät daher intensiv, welche Parameter künftig eine entscheidende Rolle spielen können.“ Holetschek mahnte auch, dass ein „Flickenteppich der Parameter in den Ländern“ vermieden werden müsse. Ähnlich sieht das Katrin Albsteiger, die Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm. In ihrer Stadt gelten andere Vorgaben als in Ulm – das direkt mit Neu-Ulm zusammenhängt. „Die Umsetzung der Regelungen aus zwei unterschiedlichen Landesverordnungen stellen unsere beiden Städte vor immense Herausforderungen und verkomplizieren den Alltag der Bürgerinnen und Bürger in unserer Doppelstadt“, sagte sie.
Welche Corona-Tests sind nötig in Clubs und Diskotheken?
Meist reichen in Baden-Württemberg Antigen-Schnelltests, für Gäste von Clubs und Diskotheken gibt es allerdings strengere Vorschriften: Ein maximal 48 Stunden alter PCR-Test ist hier Pflicht. Im Freistaat sind Diskotheken derweil noch immer geschlossen. Ministerpräsident Markus Söder kündigte allerdings vor Kurzem an, möglicherweise im Herbst die Clubs wieder zu öffnen, jedenfalls für vollständig Geimpfte. Der größte generelle Unterschied zu Baden-Württemberg: Eine Testpflicht greift in Bayern in der Regel derzeit erst ab einer Inzidenz von 50. In der letzten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) wurde allerdings beschlossen, dass künftig bereits ab einer Inzidenz von 35 das 3G-Modell gelten soll. Die Beschlüsse der MPK werde man „selbstverständlich umsetzen“, erklärte Holetschek vergangene Woche gegenüber unserer Redaktion.
Welche Corona-Regeln gelten in Hotels und Pensionen?
In Beherbergungsbetrieben gibt es in Bayern aktuell eine inzidenzunabhängige Testpflicht. Das heißt: Jeder, der eincheckt, braucht einen Test, wenn er nicht geimpft oder genesen ist. Bei einer Inzidenz von 50 oder mehr müssen Gäste dann alle 48 Stunden einen negativen Test vorlegen. Der neue Bund-Länder-Beschluss sieht hier aber vor, dass Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, künftig – wohl ab nächster Woche – bereits ab einer Inzidenz ab 35 bei Anreise und dann zwei Mal pro Woche einen Test vorlegen müssen. Wer in Baden-Württemberg in einem Hotel übernachtet, muss bereits jetzt, wenn er nicht geimpft oder genesen ist, alle drei Tage einen neuen Test machen – egal, wie hoch die Inzidenz ist.
Werden private Treffen beschränkt?
Private Veranstaltungen sind in Baden-Württemberg ohne jede Beschränkung möglich. Es gibt also selbst bei hohen Inzidenzen keine Personenbegrenzungen für private Treffen. In Bayern ist das anders. Bei einer Inzidenz bis 50 dürfen sich derzeit bis zu zehn Personen aus beliebig vielen Hausständen treffen. Steigt die Inzidenz über 50, dann dürfen zum eigenen Hausstand nur zwei weitere dazukommen. Die Zahl von zehn Personen bleibt aber gleich (Kinder unter 14 zählen nicht). Geimpfte und Genesene sind von den Kontaktbeschränkungen ausgenommen und bleiben bei der Ermittlung der Zahl der Teilnehmer außer Betracht.
Entfällt für Geimpfte in Baden-Württemberg die Maskenpflicht?
Nein, sie gilt in viele Bereichen weiter, etwa im öffentlichen Nahverkehr, im Einzelhandel oder in Hotels. In der Schule gilt nach den Sommerferien eine Maskenpflicht im Unterricht – vorerst zumindest für zwei Wochen. Auch an bayerischen Schulen wird es nach den Ferien eine inzidenzunabhängige Maskenpflicht für die ersten Schulwochen geben. Was das Tragen von Masken angeht, gibt es zwischen dem Freistaat und Baden-Württemberg vor allem einen großen Unterschied: In öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Einkaufen muss in Bayern sogar eine FFP2-Maske getragen werden. Im Nachbarbundesland reicht eine einfache, blaue OP-Maske.
Was ist mit Großveranstaltungen?
Veranstaltungen wie Theater- und Konzertaufführungen, Volksfeste oder Sportevents sind in Baden-Württemberg prinzipiell unter Vollauslastung möglich, wenn nicht mehr als 5000 Menschen teilnehmen. Geht die Besucherzahl darüber hinaus, dürfen die zur Verfügung stehenden Plätze nur noch zur Hälfte besetzt werden – bis zu einer Grenze von 25.000 Menschen. Finden die Events im Freien mit weniger als 5000 Menschen statt und unter der Prämisse, dass immer ein Abstand von 1,50 Metern eingehalten werden kann, wird von Ungeimpften und Nicht-Genesenen kein Test verlangt. Sonst schon. Kulturelle Veranstaltungen wie Theateraufführungen sind in Bayern in Gebäuden mit maximal 1000 Menschen, im Freien mit 1500 Menschen (höchstens 200 dürfen keinen festen Sitzplatz haben) möglich. Liegt die Inzidenz über 50, gibt es derzeit eine Testpflicht für Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind. Für Veranstaltungen in Innenräumen wird sich auch hier dem MPK-Beschluss zufolge die Inzidenzgrenze ändern.
Worauf muss beim Restaurantbesuch geachtet werden?
In bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen die Inzidenz von 50 überschritten wird, benötigen nicht genesene und nicht geimpfte Gäste aus mehreren Hausständen einen negativen Corona-Test, wenn sie an einem Tisch sitzen. Künftig soll es ab einer Inzidenz von 35 eine Testpflicht in Innenräumen geben. In Baden-Württemberg gelten noch strengere Regeln: In geschlossenen Räumen müssen alle Gäste einen negativen Test, einen Genesenen- oder Geimpften-Nachweis haben, unabhängig von der Inzidenz.
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