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Kommentar: Der neue Söder überrascht selbst die eigenen Leute

Kommentar

Der neue Söder überrascht selbst die eigenen Leute

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    Söder hat am Mittwoch in einem Pressegespräch neue Klimaschutzforderungen vorgestellt.
    Söder hat am Mittwoch in einem Pressegespräch neue Klimaschutzforderungen vorgestellt. Foto: Peter Kneffel

    Wenn Markus Söder neuerdings öfter mal von der „alten Zeit“ und der „neuen Zeit“ spricht, dann spricht er damit in erster Linie über sich selbst. Seit er Ministerpräsident in Bayern und Vorsitzender der CSU ist, hat sich für ihn die Welt geändert. Gleichzeitig bemüht er sich nach Kräften, allen zu zeigen, dass auch er sich gewandelt hat – vom Haudrauf und Polit-Rabauken zum tatkräftigen und verantwortungsbewussten Staatsmann. Nicht wenige in der CSU, vor allem aber politische Gegner, reiben sich verwundert die Augen.

    Erst lenkte Söder beim Bienen-Volksbegehren ein und ging beim Artenschutz sogar noch darüber hinaus. Nun kündigt er ein weitreichendes bayerisches Klimaschutzgesetz samt eines radikalen Umbaus der Staatsforsten an. Und quasi nebenbei gibt er – wenn auch vorsichtig und scheibchenweise – das hehre Ziel aus der Zeit seines Vorgängers Horst Seehofer auf, dass der Freistaat Bayern als erstes Bundesland bis zum Jahr 2030 schuldenfrei sein soll. Söders Hauptargument: In einem stark wachsenden Land, das in einem globalen Wettbewerb um die besten Köpfe in Forschung und Entwicklung steht, sind Zukunftsinvestitionen wichtiger als ein Dogma aus der alten Zeit.

    Söder versucht, aus der Not eine Tugend zu machen

    Bestätigt fühlen dürfen sich all jene, die das Ziel der „Schuldenfreiheit 2030“ immer schon für großsprecherisch hielten. Dass es tatsächlich nicht zu erreichen sein wird, war spätestens mit der Reform des Länderfinanzausgleichs klar. Der bayerische Staatshaushalt sollte nach dem ursprünglichen Kalkül um eine Milliarde Euro pro Jahr entlastet werden. Im Ergebnis sind es, weil es parallel zu einer Umverteilung zugunsten der Kommunen kam, nur 200 Millionen Euro. Bayern hatte im Verbund mit Hessen nicht die politische Kraft, eine andere Regelung zu erzwingen. Und der Versuch, das Geld den bayerischen Städten und Gemeinden im Zuge des kommunalen Finanzausgleichs wieder wegzunehmen, käme vor der Kommunalwahl politischem Selbstmord gleich.

    Jetzt versucht Söder aus der Not eine Tugend zu machen. Er nutzt die Gelegenheit, um neue politische Projekte finanzieren zu können. Dafür braucht er viel frisches Geld – auch weil er nebenbei noch seine teuren Wahlversprechen (Familiengeld, Kindergartenzuschüsse, Landespflegegeld und Baukindergeld) erfüllen muss.

    In krassem Gegensatz zu der Dynamik, die der Ministerpräsident in Bayern zu entfalten versucht, steht allerdings die relative Machtlosigkeit des CSU-Vorsitzenden in Berlin und Brüssel. In der Bundesregierung herrscht quälender Stillstand. Die neuen Vorsitzenden der Unionsparteien Kramp-Karrenbauer und Söder mögen sich noch so gut verstehen. Bundespolitisch Impulse zu setzen gelingt ihnen bisher nicht. Gleichzeitig ist die CSU mit ihrem europapolitischen Hoffnungsträger Manfred Weber und mit ihrem Paradeprojekt Ausländermaut krachend gescheitert.

    Söder hat alle überrascht, auch die CSU

    Das grundsätzliche Dilemma für die CSU spiegelte sich schon vor diesen Niederlagen in den Umfrageergebnissen wider. Die Zustimmung zu Söder in Bayern ist gestiegen, die Partei aber tritt auf der Stelle. Nichts deutet aktuell darauf hin, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern wird.

    Obendrein ist es noch längst keine ausgemachte Sache, dass die CSU im Landtag Söder in all seinen Plänen folgen wird. Das Gemurre über das Bienen-Volksbegehren ist zwar weitgehend verstummt. Wie weit die Abgeordneten eine stets grüner werdende Politik ihres Frontmanns mittragen werden, ist aber offen. Die nächste Nagelprobe wird der angekündigte Umbau der Staatsforsten. Damit hat Söder am Mittwoch alle überrascht – seine eigene Partei wie auch die Opposition.

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