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Allgäu: Disziplinarverfahren: Bürgermeisterin soll Reichsbürgern nahestehen

Allgäu

Disziplinarverfahren: Bürgermeisterin soll Reichsbürgern nahestehen

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    Gegen die Bolsterlanger Bürgermeisterin Monika Zeller läuft ein Disziplinarverfahren.
    Gegen die Bolsterlanger Bürgermeisterin Monika Zeller läuft ein Disziplinarverfahren. Foto: Freie Wähler

    Die Landesanwaltschaft Bayern hat am Donnerstag ein Disziplinarverfahren gegen die Bürgermeisterin der Gemeinde Bolsterlang, Monika Zeller, eingeleitet. Gegen sie bestehe der Verdacht, der sogenannten Reichsbürgerbewegung nahezustehen. „Es liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen“, teilte Landesanwalt Jörg Spennemann mit. Mit ihrer möglichen Nähe zu den Reichsbürgern könnte die kommunale Wahlbeamtin „die Gründung und das Fortbestehen der Bundesrepublik sowie die Geltung des Grundgesetzes und der Verfassung des Freistaates mit der darauf basierenden Rechtsordnung in Abrede stellen“, so Spennemann. Zeller hatte an einer Veranstaltung der sogenannten Reichsbürger teilgenommen.

    Die Landesanwaltschaft ist die Disziplinarbehörde für die Beamten des Freistaats und in Einzelfällen auch für kommunale Beamte, wenn ihr die Zuständigkeit hierfür übertragen wurde. Das hatte der Oberallgäuer Landrat Anton Klotz in Zellers Fall am 4. April getan. Er bat schriftlich um eine Prüfung, ob ein Disziplinarverfahren gegen Zeller eingeleitet werden müsse. Dafür benötigte die Justizbehörde zwei Tage.

    Monika Zeller soll Stellungnahme abgeben

    Die Entscheidung begründet die Landesanwaltschaft mit den Ermittlungsergebnissen: Zeller soll einen Antrag auf einen Staatsangehörigkeitsausweis gestellt und dabei „für die sogenannte Reichsbürgerbewegung typische Angaben zur Person gemacht haben.“ Was das bedeutet, will Landesanwalt Spennemann aus ermittlungstaktischen Gründen nicht verraten. Bekannt ist, dass viele Reichsbürger den Namenszusatz „a. d. F.“ (aus der Familie) tragen und auf den Antrag nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz nach der Urfassung vom 22. Juli 1913 bestehen. Sie verwenden den „gelben Schein“ als Ausweisersatz und wollen damit ihre Abstammung bis in die Zeiten des Deutschen Reiches belegen.

    Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer

    Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.

    Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.

    Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.

    Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.

    Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.

    Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.

    Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.

    Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

    Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.

    Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)

    Zeller hatte sich zuletzt öffentlich von der Reichsbürgerbewegung distanziert und ihren Antrag mit Neugier begründet. Sie war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Den Schritt, das Verfahren an die Landesanwaltschaft zu geben, hatte die Bürgermeisterin vor einer Woche noch begrüßt: „Ich bin froh, dass das gemacht wird. Jetzt wird klargestellt, ob ich ein Reichsbürger bin oder nicht.“

    Zeller soll laut Landesanwaltschaft aktiv daran mitgewirkt haben, dass einem bekannten Redner aus der Reichsbürgerbewegung im Frühjahr 2016 ein Raum der Gemeinde für eine Vortragsveranstaltung überlassen wurde. Die Bürgermeisterin hat jetzt bis Anfang Mai Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

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