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Prozess in Augsburg: Emotionaler Vortrag: Georg Schmid ergreift überraschend das letzte Wort

Prozess in Augsburg

Emotionaler Vortrag: Georg Schmid ergreift überraschend das letzte Wort

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    Georg Schmid musste zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen Stellung nehmen.
    Georg Schmid musste zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen Stellung nehmen. Foto: Ulrich Wagner

    Der frühere CSU-Fraktionschef Georg Schmid hat das Gericht um eine milde Strafe gebeten. Überraschend ergriff der ehemalige Spitzenpolitiker das letzte Wort, das einem Angeklagten zusteht. Schmid bat in einem sehr emotionalen Vortrag für sich und seine Familie um eine „Chance, körperlich, seelisch und finanziell wieder auf die Beine zu kommen“. Die belastende Situation sei für ihn an manchen Tagen „kaum auszuhalten“. Er habe alles verloren: Beschäftigung, Arbeit und ein Stück weit auch seine Ehre. Er habe sich sein ganzes Leben bemüht, rechtschaffen zu sein, so sei er erzogen worden. „Für mich und meine Familie war es eine Katastrophe, was in den letzten zweieinhalb Jahren passiert ist.“

    Staatsanwaltschaft fordert zwei Jahre Bewährungsstrafe

    Staatsanwalt Karl Pobuda sah Georg Schmid beim Prozess am Montag in Augsburg eindeutig als überführt an. Schmid habe fast 350.000 Euro Sozialabgaben hinterzogen. Besonders negativ rechnete der Ankläger dem früheren Spitzenpolitiker die hohe Summe und den langen Zeitraum des Gesetzesbruchs an. Pobuda forderte zudem, dass Georg Schmid 150.000 Euro Geldauflage zahlen soll.

    Georg Schmids Verteidiger Nikolaus Fackler wies die Vorwürfe gegen seinen Mandanten weitgehend zurück. Gertrud Schmid sei selbstständig tätig gewesen. Als Kriterien dafür nannte Fackler beispielsweise ein unternehmerisches Risiko, ein eigenes Büro, eine Mitarbeiterin und eigene Zeiteinteilung. Die gesetzliche Vorschrift, nach der die Anklage entstanden sei, bezeichnete Fackler als „schwammig“.

    Fackler blieb dabei, dass Gertrud Schmid selbstständig gewesen sei. Er beantragte Freispruch.

    Er sah aber auch das Risiko, dass sich das Gericht seiner Argumentation nicht anschließen könnte. Nach seinen Berechnungen liegt der Schaden höchstens bei 220.000 Euro. Fackler kritisierte, dass es vonseiten des Finanzamtes, der Rentenversicherung und des Landtagsamts nie eine Beanstandung gegeben habe. „Was hätte Herr Schmid denn vor 25 Jahren anderes machen sollen?“, fragte der Verteidiger. Für den Fall einer Verurteilung müsse die Strafe aber unter einem Jahr bleiben.

    Georg Schmid verdient zurzeit 4166 Euro im Monat

    Chronologie der "Verwandtenaffäre"

    15. April: Das Buch "Die Selbstbediener - Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen" von Hans Herbert von Arnim erscheint und tritt die Diskussion um die "Familienaffäre" los. Zwei Tage später diskutiert der bayerische Landtag über Arnims Kritik.

    19. April: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) veröffentlichte eine Liste von 17 Abgeordneten, die bis vor Kurzem rechtmäßig Verwandte ersten Grades beschäftigten.

    19. April: Ministerpräsident Horst Seehofer fordert die betroffenen Parteimitglieder auf, die Beschäftigungsverhältnisse mit ihren Familienangehörigen sofort zu beenden. CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid und Kultusminister Ludwig Spaenle kündigen daraufhin ihren Ehefrauen.

    23. April: Die Summe des Honorars von Georg Schmids Frau wird bekannt: Sie erhielt für ihre Leistungen monatlich zwischen 3.500 und 5.500 Euro brutto.

    25. April: Georg Schmid tritt aufgrund des schwindenden Rückhalts in der CSU und des medialem Drucks als Fraktionsvorsitzender zurück. Ein Neuburger Bürger zeigt Georg Schmids Ehefrau Gertrud wegen Scheinselbstständigkeit an.

    29. April: Georg Winter tritt als Haushaltsausschussvorsitzender im bayerischen Landtag zurück. Er hatte seine beiden Söhne im Alter von 13 und 14 Jahren sowie seine Frau beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft Augsburg prüft Ermittlungen gegen Georg Schmid und seine Ehefrau wegen Scheinselbstständigkeit.

    30. April: Münchens Oberbürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Christian Ude fordert Schmid und Winter auf, auch ihre Landtagsmandate niederzulegen. Mittlerweile sind 17 Abgeordnete der CSU, zwei der SPD, ein Grüner sowie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in die Familienaffäre verwickelt.

    2. Mai: Georg Schmid gibt seinen Rückzug aus der Berufspolitik bekannt. Justizministerin Beate Merk, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Kulturstaatssekretär Bern Sibler räumen ein, enge Verwandte beschäftigt zu haben.

    3. Mai: Landtagspräsidentin Barbara Stamm veröffentlicht eine Liste mit 79 Abgeordneten, die nach 2000 Familienangehörige beschäftigt haben oder hatten. Kultusminister Spaenle kündigt an, das volle Gehalt seiner Frau zurückzuerstatten. Ministerpräsident Seehofer fordert betroffene Abgeordnete auf, diesem Beispiel zu folgen.

    4. Mai: Fünf Kabinettsmitglieder kommen der Forderung Seehofers nach und wollen dem Staat die Gelder zurücküberweisen.

    6. Mai: Ministerpräsident Seehofer stellt seinen Drei-Punkte-Plan zur Überwindung der Familienkrise vor. Das Landtagsamt vertritt die Meinung, dass die Anstellung von Georg Winters Söhnen illegal war. Der will daraufhin das komplette Gehalt seiner Söhne an die Staatskasse zurückzahlen.

    7. Mai: Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International fordert alle betroffenen Abgeordneten auf, die Gelder zurückzuerstatten. Die Staatsanwaltschaft Ausburg will gegen den zurückgetretenen CSU-Fraktionschef Georg Schmid nach Angaben des Landtags ein Ermittlungsverfahren einleiten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg kommentiert den Bericht vorerst jedoch nicht.

    8. Mai: Der Bayerische Oberste Rechnungshof schaltet sich in die Affäre ein. Er will rückwirkend die Vergabe von Abgeordneten-Jobs an Familienangehörige sowie die Neuregelung des Abgeordnetengesetzes prüfen.

    23. Februar 2014: Auf dem Höhepunkt der Verwandtenaffäre im Landtag beschließt die CSU einstimmig einen Verhaltenskodex. Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hatte zusammen mit anderen CSU-Spitzenpolitikern den Kodex für ihre politischen Mandatsträger entwickelt, um Filz- und Amigo-Vorwürfen künftig jede Grundlage zu entziehen.

    25. Februar: Der schwäbische SPD-Abgeordnete Harald Güller wird im Rahmen der Verwandtenaffäre wegen Betrugs verurteilt. Er hatte den Sohn seiner Frau aus erster Ehe im Jahr 2009 für zwei Monate beschäftigt und 7500 Euro für Gehalt und Sozialversicherungsbeiträge aus der Landtagskasse gezahlt. Die Richterin argumentierte, dass Güller, der selbst Jurist ist, vorsätzlich gehandelt habe. Güllers Anwalt kündigte Berufung an.

    11. Juni: Nach einer Verfassungsklage der SPD werden im Landtag die Summen veröffentlicht, die Kabinettsmitglieder ihren Verwandten bezahlt haben. Bei den fünf Ministern und Staatssekretären der CSU – Helmut Brunner, Ludwig Spaenle, Gerhard Eck, Franz Pschierer und Bernd Sibler – liegt die Gesamtsumme der gezahlten Vergütungen seit 1997 bei über 1,3 Millionen Euro.

    25. Juli: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Georg Schmid. Der frühere CSU-Fraktionschef soll 350.000 Euro Sozialabgaben nicht bezahlt haben. Im Einzelnen lauten die Vorwürfe auf vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 262 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 59 Fällen. Seiner Frau werden Beihilfe und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

    Georg Schmids Verteidiger hatte zuvor am Montag die finanziellen Verhältnisse seines prominenten Mandanten offengelegt. Nach Darstellung des Rechtsanwalts stehen Schmid zurzeit 4166 Euro netto monatlich zur Verfügung. Dem stünden allerdings Darlehensverpflichtungen von 4850 Euro gegenüber. Das Einkommen setzt sich laut Fackler folgendermaßen zusammen: 2908 Euro Pension aus Schmids Zeit als Beamter bei der Regierung von Schwaben plus 4926 Euro brutto aus den 23 Jahren Tätigkeit als Landtagsabgeordneter.

    Wie Fackler weiter sagte, besitze Schmid drei Wohnungen, davon zwei in München und eine in Düsseldorf. Den Verkehrswert der Münchner Appartements bezifferte der Verteidiger auf zusammen 550.000 Euro, den der Düsseldorfer Wohnung auf 360.000 Euro. Darüber hinaus sei das Haus in Donauwörth rund 500.000 Euro wert. Georg Schmid habe zudem Grundbesitz in Donauwörth. Zu möglichen Mieteinnahmen machte Fackler keine Angaben.

    Über „nennenswertes Barvermögen“ verfüge Schmid nicht mehr. Um im Vorfeld des Prozesses 450 000 Euro an die Rentenversicherung zurückzahlen zu können, habe Schmid 400.000 Euro Darlehen aufnehmen müssen, der Rest sei aus Barvermögen geflossen. Momentan habe sein Mandant geringfügige Einkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit.

    Das Urteil fällt am Mittwochvormittag.

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