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Foto: Sven Hoppe, dpa
Foto: Sven Hoppe, dpa

Klaus Holetschek ist der neue bayerische Gesundheitsminister. Er folgt auf Melanie Huml, hier im Hintergrund zu sehen, die in die Staatskanzlei wechselt.

Interview
12.01.2021

Gesundheitsminister Holetschek: "Hier im Haus bin ich jetzt der Chef"

Von Uli Bachmeier

Bayerns neuer Gesundheitsminister Klaus Holetschek geht selbstbewusst, aber auch mit „Demut und Respekt“ an seine Aufgabe heran. Worauf er bei seiner Arbeit setzen will.

Herr Holetschek, Sie waren knapp ein halbes Jahr lang Staatssekretär im bayerischen Gesundheitsministerium, seit Freitag sind Sie der verantwortliche Minister. Spüren Sie eine Veränderung?

Klaus Holetschek: Ja, die Verantwortung ist sicherlich gewachsen. Ich habe mit Ministerin Huml gut zusammengearbeitet. Wir waren ein Team und ich weiß, worum es hier geht. Ich gehe mit Demut und Respekt an die Aufgabe heran.

Sie sind mit mächtig viel Vorschusslorbeeren ins Amt gestartet. Es heißt, Sie seien ein zupackender, entschlussfreudiger Praktiker. Jetzt mal ganz praktisch: Wo packen Sie zuerst an?

Holetschek: Ich glaube, dass wir flexibler und effektiver werden und dass wir Prozesse optimieren müssen. Ein Beispiel ist das Impfen. Wir haben den ersten Aufschlag gemeinsam mit Oberbürgermeistern und Landräten gut hinbekommen. Jetzt geht es darum, das zu verstetigen. Aktuell haben wir bereits mehr als 124.000 Menschen ein erstes Mal geimpft. Zugleich müssen wir überlegen, wie wir noch schneller werden können, sobald mehr Impfstoff zur Verfügung steht. Vor allem brauchen wir eine Antwort, wie wir die Menschen erreichen, die nicht mehr mobil sind und deshalb nicht problemlos zu den Impfzentren kommen können. Ich denke da zum Beispiel an den Einsatz von Impfbussen. Außerdem müssen wir uns auf mögliche neue Probleme durch Mutationen des Virus einstellen. Ich setze dazu eine Expertenkommission ein. Sie soll untersuchen, wie groß die Gefahr ist und welche Handlungsmöglichkeiten wir haben.

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Wer sich Pressemitteilungen des Ministeriums aus der Vor-Corona-Zeit anschaut, der bekommt den Eindruck von einer Behörde, die ruhig und gemächlich ihre Arbeit macht. Da wird im Frühling vor Zecken gewarnt, im Herbst zur Grippeschutzimpfung aufgerufen und zwischendurch ein bisserl Gesundheitspolitik gemacht. Jetzt geht es deutlich brisanter zur Sache. Wie geht das, eine Behörde mit standardisierten bürokratischen Abläufen zu einem schnell reagierenden Krisen-Aktionszentrum zu machen?

Holetschek: Gute Frage. Die ehrliche Antwort lautet: Das ist selbstverständlich nicht einfach, weil es für diese besondere Situation keine Blaupause gibt. Aber ich bin da guter Dinge. Ich erlebe die Mitarbeiter hier im Ministerium und draußen in den Gesundheitsämtern als äußerst motiviert und engagiert. Jetzt kommt es darauf an, uns von bürokratischen Abläufen ein Stück weit zu verabschieden, um schneller und flexibler zu werden. Da haben wir noch Potenzial. Bürokratische Hemmnisse müssen beseitigt werden, jeder muss Verantwortung übernehmen. Daran arbeiten wir. Fehler können passieren, nur wiederholen dürfen sie sich nicht.

Die Opposition im Landtag hat vor Ihrer Ernennung nicht mit Kritik an der bisherigen Arbeit des Ministeriums gespart: Testpannen im Sommer, der Streit um die Kühlboxen für Impfstoffe, Mängel in der Digitalisierung der Gesundheitsämter. Können Sie Kritik annehmen?

Holetschek: Ich bin ein Mensch, der nach dem Motto lebt, dass wir uns immer darum bemühen sollten, besser zu werden. Konstruktive Kritik nehme ich gerne an, Kritik rein aus politischem Kalkül akzeptiere ich nicht. Im Nachhinein klüger zu sein, ist einfach. Aber noch einmal: Ich stelle mich jeder konstruktiven Diskussion. Das war immer mein Credo und so bleibt es.

Wo gibt es aus Ihrer Sicht den größten Handlungsbedarf?

Holetschek: Wir haben nie gedacht, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst jemals in eine solche Situation kommen könnte wie jetzt. Deshalb haben wir erst einmal das Personal massiv aufgestockt. Aktuell liegt der Fokus auf der Bekämpfung der Pandemie. Danach aber müssen wir die Lehren aus den Erfahrungen ziehen. Da müssen wir radikal und mutig denken und handeln. Wir haben die Chance, stärker aus der Krise herauszukommen, als wir hineingegangen sind. Insbesondere bei der Pflege brauchen wir konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation. Diskutiert wird darüber schon lange. Es ist an der Zeit, endlich zu handeln.

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Noch mal zu Corona. Lassen Sie uns doch die einzelnen Streitthemen durchgehen. Beginnen wir mit der Impfstrategie. Hier wird ein „regionaler Flickenteppich“ kritisiert. Angeblich macht es jeder Landrat und jeder Oberbürgermeister ein bisschen anders und die Bürger sind offenbar unterschiedlich gut informiert.

Holetschek: Als ehemaliger Bürgermeister sehe ich das anders. Wir haben in Zusammenarbeit mit Landräten und Oberbürgermeistern in Rekordzeit 99 Impfzentren etabliert. Das hat gut funktioniert. Das sollten wir so fortsetzen. Der Staat muss die Leitplanken einziehen, vor Ort wissen Bürgermeister und Landräte am besten, wie so etwas praktisch und zielorientiert umzusetzen ist.

Einigermaßen grotesk erscheint die Sache mit den Campingboxen, die zur Kühlung des Impfstoffs genutzt werden. Es gibt einen Hersteller von Spezialboxen, der sagt, dass Campingboxen für den Zweck nicht taugen.

Holetschek: Dass es an einigen Orten Probleme gab, lag nicht an den Kühlboxen, sondern an falscher Handhabung. Die Kühlboxen wurden durch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit umgehend überprüft.

Ein Dauerthema ist die Überlastung der Gesundheitsämter. Die Software SORMAS zur Nachverfolgung wird angeblich nur von einem der 76 Gesundheitsämter in Bayern genutzt, zumeist werde noch mit Stift und Papier gearbeitet. Wie sehen Sie die Lage?

Holetschek: Wir haben im Moment 19 Gesundheitsämter, die SORMAS aktiv nutzen, weitere 14 sind unmittelbar vor der Freischaltung und weitere folgen. Ich gehe davon aus, dass das Thema bis spätestens 1. Februar größtenteils umgesetzt ist.

 

Im Sommer lautete das Motto „Testen, Testen, Testen“. Aktuell steht das nicht im Vordergrund, weil angesichts der hohen Infektionszahlen ohnehin kaum mehr Nachverfolgung möglich ist. In einigen Wochen könnte das – hoffentlich – wieder anders sein. Muss dann die Teststrategie zielgenauer organisiert werden?

Holetschek: Dass Nachverfolgung nicht mehr möglich ist, stimmt nicht, sie wird nur schwieriger, je höher die Inzidenzwerte sind. Wir testen nach wie vor in hohem Maße und auch ganz gezielt in Alten- und Pflegeheimen sowohl Besucher als auch Personal. Wir bleiben bei dem Dreiklang: Impfen, Testen, Nachverfolgung. Klar ist, dass die Teststrategie immer weiter optimiert und angepasst wird.

Muss bei der Kontrolle der Corona-Regeln nachgebessert werden? Gemeindetagspräsident Uwe Brandl hat vorgeschlagen, zur Kontrolle der 15-Kilometer-Regel für Hotspots Handydaten zu nutzen. Was sagen Sie dazu?

Holetschek: Im Grundsatz verstehe ich Vorstöße, die den Gesundheitsschutz in einer Pandemie stärken wollen. Aber diesen Vorschlag unterstützen wir nicht, da es erhebliche rechtliche Bedenken gibt. Außerdem stellen sich die Fragen nach der praktischen Anwendbarkeit.

Die SPD-Gesundheitspolitikerin Ruth Waldmann hat im Landtag die provozierende Frage gestellt, wer denn nun der Corona-Koordinator in Bayern ist. Haben Sie eine Antwort?

Holetschek: Ich schätze Frau Waldmann als Fachpolitikerin, aber sie weiß natürlich, dass Corona eine Querschnittsaufgabe ist, an der die Staatskanzlei und mehrere Ministerien beteiligt sind. Hier im Haus bin ich jetzt der Chef.

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