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Bürgerentscheid: Pläne für den Bau einer Moschee spalten Kaufbeuren

Bürgerentscheid

Pläne für den Bau einer Moschee spalten Kaufbeuren

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    In Kaufbeuren soll eine neue Moschee gebaut werden. Nicht alle Einwohner der Stadt sind mit den Plänen einverstanden. Am Sonntag gibt es einen Bürgerentscheid.
    In Kaufbeuren soll eine neue Moschee gebaut werden. Nicht alle Einwohner der Stadt sind mit den Plänen einverstanden. Am Sonntag gibt es einen Bürgerentscheid. Foto: Boris Roessle, dpa (Symbolbild)

    Mehr als drei Prozent der Menschen, die in Kaufbeuren leben, besitzen eine türkische oder die doppelte Staatsbürgerschaft. Zahlreiche Bürger der Allgäuer Stadt haben familiäre Wurzeln am Bosporus. Viele eint, dass sie in Kaufbeuren geboren worden sind oder seit Jahrzehnten dort leben.

    An diesem Sonntag werden nun aber alle Wahlberechtigten in Kaufbeuren aufgerufen, über ein neues muslimisches Gebetshaus mit Kuppel und sogenanntem stillen Minarett – also ohne den Ruf eines Muezzins – abzustimmen.

    Am Sonntag ist die Abstimmung

    Im Rathaus in Kaufbeuren geht man davon aus, dass es sich bundesweit um einen der ersten Bürgerentscheide zu einem Moschee-Bau handelt. Den Auftakt machte laut dem Verein „Mehr Demokratie“ das hessische Schlüchtern vor 16 Jahren: Dort stimmte eine Mehrheit für das Gotteshaus.

    Landauf, landab entstehen solche muslimischen Gemeindezentren. In Bobingen (Landkreis Augsburg) etwa wurde erst vor drei Wochen eine neue moderne Moschee eingeweiht. In den 1990er Jahren gab es dort bereits eine Debatte über ein geplantes Minarett und dessen Höhe, die bundesweit für Aufsehen sorgte. Heute ist das Streitthema längst vergessen. Die jüngsten Bauarbeiten verliefen ohne Zwischenfälle. Anders sieht das aktuell in Mindelheim (Landkreis Unterallgäu) aus: Dort überschattet eine nächtliche Protestaktion den Neubau einer Moschee. Unbekannte stellten eine Pappfigur in Form eines Schweins auf – ein Seitenhieb gegen die muslimischen Essgewohnheiten.

    In Kaufbeuren gibt es mehrere Besonderheiten

    Kritik an einem möglichen muslimischen Gebetshaus äußerten Nachbarn eines Areals in Augsburg-Oberhausen mehrfach. Wegen Protesten hatte schließlich die Moschee-Gemeinschaft auf ein Minarett verzichtet. Aktuell ist der Turm für eine Moschee auch in Memmingen Thema. Weil die Finanzierung des Minaretts aber noch nicht steht, liegt das Projekt im Moment auf Eis.

    Bei dem geplanten Bau in Kaufbeuren gibt es mehrere Besonderheiten. Der Stadtrat hatte im vergangenen Jahr mit Zweidrittelmehrheit beschlossen, mit dem türkisch-islamischen Kulturverein Ditib Kaufbeuren in Verhandlungen über die Vergabe eines 5000 Quadratmeter großen Grundstücks zu treten. Das Areal in einem neuen Gewerbegebiet am Stadtrand gehört der Kommune.

    Erst diese Tatsache macht einen Bürgerentscheid möglich, der von zwei Moschee-Gegnern mit weit mehr als der notwendigen Zahl von Unterschriften angeschoben wurde. Ziel ist, das Grundstücksgeschäft zu verhindern. „Aus unserem christlichen Abendland soll kein muslimisches Morgenland werden“, sagt Werner Göpel, einer der Initiatoren, – und spaltet damit Kaufbeuren. Eine Stadt, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch durch Heimatvertriebene geprägt wurde. Später ließen sich dort Gastarbeiter und zahlreiche Russlanddeutsche nieder. Heute leben in Kaufbeuren mehr als 100 Nationen zusammen.

    Schützenhilfe kommt von der örtlichen AfD

    Seit dem Bürgerbegehren tobt vor allem in den sozialen Netzwerken und bei Veranstaltungen der heftige Streit zwischen Gegnern und Befürwortern der Pläne. Die Kritiker führen mit Schützenhilfe der örtlichen AfD vor allem die Rolle des regierungsnahen türkischen Moscheen-Dachverbandes Ditib ins Feld, der „als Verbreiter eines politischen und radikalen Islams“ gesehen wird und ihrer Meinung nach Einfluss auf jede noch so kleine muslimische Gemeinde in Deutschland nimmt. Andere sagen, die Stadt solle den Gewerbegrund lieber Firmen zur Verfügung stellen, um die magere Steuerkraft Kaufbeurens zu erhöhen.

    Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) sieht auch „diffuse Ängste“ in Teilen der Bevölkerung, die er ernst nehme. Er selbst spricht sich wie die Vertreter der großen christlichen Kirchen in Kaufbeuren und mehrerer Pro-Moschee-Initiativen für das Neubau-Projekt und eine sachliche Auseinandersetzung aus, da die alte Moschee mittlerweile viel zu klein geworden ist und sich derzeit mitten in einem Wohngebiet ohne ausreichend Parkplätze befindet. „Die türkisch-islamische Gemeinde ist bislang noch nie negativ aufgefallen“, sagt Bosse.

    Auch ihr Vorsitzender Osman Öztürk weist den Vorwurf der Einflussnahme von Ditib oder politischer Agitation im Verein strikt zurück. Jeder Besucher sei eingeladen, sich davon zu überzeugen, sagt er. „Wir sind ein offenes Haus.“

    Moschee-Gegner wollen Beschluss kippen

    Um den Kritikern entgegenzukommen, hatte der Stadtrat den Beschluss für eine mögliche Grundstücksvergabe in Absprache mit dem Verein an Bedingungen geknüpft. Der Bauherr müsse ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung ablegen, das Areal werde lediglich auf Basis des Erbbaurechts vergeben. Ein Gestaltungsbeirat redet bei den Plänen für die Moschee mit.

    All dies hat die Moschee-Gegner bisher nicht überzeugt. Sie wollen den Beschluss am Sonntag mit einer Mehrheit der Wahlberechtigten kippen. Im Wissen übrigens, dass die türkisch-islamische Gemeinde im Fall einer Ablehnung an anderer Stelle auf Privatgrund bauen dürfte. Größeren Einfluss auf die Pläne könnte die Stadt dann nicht mehr geltend machen.

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