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Verkehr: So wollen Städte in der Region Raser ausbremsen

Verkehr

So wollen Städte in der Region Raser ausbremsen

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    Die Augsburger Polizei könnte 2020 einen solchen Blitzer-Anhänger dauerhaft bekommen. Momentan ist er testweise hier stationiert.
    Die Augsburger Polizei könnte 2020 einen solchen Blitzer-Anhänger dauerhaft bekommen. Momentan ist er testweise hier stationiert. Foto: Wyszengrad (Archiv)

    Das Problem kennt praktisch so gut wie jede Stadt oder Gemeinde in Bayern: Raser. Es sind Autofahrer, die innerörtliche Tempolimits überschreiten und selbst in sensiblen Verkehrszonen wie vor Schulen und Kindergärten rücksichtslos mit dem Fuß auf dem Gaspedal bleiben.

    Im hessischen Hanau denken die Stadtväter wegen sogenannter „Autoposer“ darüber nach, ein radar-gestütztes „künstliches Schlagloch“ der schwedischen Firma „Actibump“ in eine der betroffenen Straßen zu installieren (wir berichteten). Es senkt sich automatisch ab, wenn ein Auto zu schnell darüberfährt. Das in Deutschland bisher noch nicht zugelassene System ist aber nur eine von vielen Möglichkeiten, die Kommunen haben, um Zuschnellfahrer auszubremsen.

    Ein Tempolimit gibt es erst seit einigen Jahrzehnten

    Übrigens gibt es ein Tempolimit in Städten und Gemeinden noch gar nicht so lange. Bis Mitte der 1950er Jahre galt in Westdeutschland sozusagen noch der Spruch: freie Fahrt für freie Bürger. Erst am 1. September 1957 schob ein Bundesgesetz einen Riegel vor. In Ortschaften gilt seitdem normalerweise: maximal Tempo 50. Es war damals eine heiße Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern.

    Inzwischen gehen die Forderungen aber längst weiter. Nicht nur aus Sicherheits-, sondern auch aus ökologischen Gründen fordern immer mehr Verkehrsexperten Tempo 30. In manchen Städten wie in Friedberg bei Augsburg darf man durch die Innenstadt gar nur noch mit 20 Stundenkilometern fahren.

    Bei den Autofahrern kommt dies mehrheitlich noch immer nicht gut an. Nach der jüngsten Umfrage der Verkehrsforscher der Versicherer ist nämlich gerade mal ein Drittel der Befragten für Tempo 30 in Städten. Das war vor zwei Jahren, es dürfte sich aber nicht wesentlich geändert haben.

    Wo nicht kontrolliert wird, wird im Auto gerast

    Diese Erkenntnis wiederum könnte man auch als Indiz dafür verwenden, warum Verkehrsberuhigung vielerorts noch immer nicht wirklich funktioniert. Denn der Kontrollaufwand einer Tempo-30-Zone sei enorm, heißt es beispielsweise bei der Unfallforschung der Versicherer. Und wo nicht kontrolliert wird, häuften sich die Überschreitungen der zulässigen Geschwindigkeit.

    Stellt sich also die Frage: Wie gehen die Kommunen in unserer Region mit der Thematik „Raser“ um? Denkt man dort auch über künstliche Schlaglöcher nach? In einer nicht repräsentativen Umfrage fragten wir in Rathäusern und bei der Polizei nach.

    In Augsburg will die Polizei einen sogenannten „Blitzer-Anhänger“ anschaffen, um in Stadt und Landkreis Temposünder zu stellen. Das rund 120.000 Euro teure mit Lasertechnologie ausgestattete Gerät war bislang im Rahmen eines Pilotprojektes des Innenministeriums an das Präsidium Schwaben-Nord ausgeliehen – 2020 will das Ministerium einen eigenen Anhänger für Augsburg beschaffen. Der Anhänger hat den Vorteil, dass er mobil ist und kein Polizist bei den Messungen anwesend sein muss, sodass er rund um die Uhr im Einsatz sein kann.

    Mit einer ganz anderen Idee indes versucht Balderschwang im Oberallgäu den Temposündern beizukommen. Die Gemeinde will einen Versuch mit 3D-Fahrbahnmarkierungen starten. Ziel sei es, dass sich mehr Auto- und Motorradfahrer an Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt halten, heißt es hier. Optisch ist es zumindest der auffälligste Versuch in der Region, den Verkehr zu beruhigen.

    3D-Zebrastreifen wirken nicht immer wie gewünscht

    Der Zebrastreifen soll dabei so aufgemalt werden, dass er wie eine Erhebung auf der Straße aussieht. Welche Farben und Formen am besten geeignet sind, würden Studenten per Computermodell testen. Diese wollen das Projekt auch wissenschaftlich begleiten. Eigentlich sollte es schon diesen Sommer losgehen – allerdings hat nach Auskunft von Balderschwangs Bürgermeister Konrad Kienle die Regierung von Schwaben noch keine Genehmigung erteilt.

    Ein weiterer Wermutstropfen: Nach Angaben der Hochschule Biberach verlieren 3D-Zebrastreifen mit der Zeit ihren Effekt, weil bei den Autofahrern ein Gewohnheitseffekt eintritt. Ähnlich wurde vor etwa drei Jahren auch in Neu-Ulm diskutiert, als überlegt wurde, Spielstraßen mit übergroßen, auf die Fahrbahn gemalten Verkehrsschildern zu versehen. Letztendlich entschied man sich aber dagegen, weil die Stadträte von der Wirksamkeit und deren Verhältnis zu den Kosten nicht überzeugt waren.

    In Neuburg an der Donau wird viel unternommen, um zu schnell fahrende Autofahrer einzubremsen“, sagt Stadtsprecher Bernhard Mahler. Es werde an über 60 Messstellen mobil „geblitzt“ – tagsüber und seit 2018 auch nachts. Zusätzlich gebe es als erzieherische Maßnahme mobile Geschwindigkeitsanzeigen und schließlich in sensiblen Wohnbereichen auch sogenannte „Bumper“, also Bodenschwellen.

    Mancherorts ist das Problem mit den Rasern "eklatant"

    Die „Actibump“-Technik war in Neuburg bis dato unbekannt. Man begegnet dem künstlichen Schlagloch noch mit einer Portion Skepsis. „Unserer Auffassung nach ist der Einsatz zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend, weil noch keine Rechtssicherheit besteht“, meint Mahler. Erst wenn das der Fall sei, mache es Sinn, sich mit Einsatzmöglichkeiten, Standortfragen und natürlich auch mit dem Kosten- und Nutzenverhältnis zu beschäftigen, sagt er nüchtern.

    In Rage reden kann sich dagegen Anton Tiefenbacher, Leiter des Bauamtes in Buttenwiesen im Landkreis Dillingen, wegen der Raser. Er wohnt selbst an einer Einfahrtsstraße, an der Autofahrer seiner Schilderung nach teilweise mit über 140 Stundenkilometern in die Ortschaft brettern. „Das Problem ist eklatant“, aber auf Kosten der Bürger teure Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung einzuführen, hält der Beamte „nicht für zielführend“.

    Tiefenbacher plädiert für schärfere Sanktionen, ähnlich wie in der Schweiz. Satte 229 Euro zahlt in der Alpenrepublik, wer innerorts elf Stundenkilometer zu schnell fährt. Der Beamte könnte sich durchaus Lösungen wie in Baden-Württemberg vorstellen, wo an vielen Ortseingängen „geblitzt“ wird.

    In Dillingen setzt man bei den Rasern auf Innovationen

    In der nahe gelegenen Kreisstadt Dillingen steht ein künstliches Schlagloch ebenfalls nicht zur Debatte. „Wir setzen auf eine Mischung aus bewährten Maßnahmen und neu hinzugekommenen Möglichkeiten“, berichtet Roland Hungbaur, Leiter der Straßenverkehrsbehörde. Der fließende Verkehr innerorts werde durch den städtischen Verkehrsdienst überwacht. In den zurückliegenden Jahren seien sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen im Stadtgebiet immer wieder überprüft und von verschiedenen Fachgremien beurteilt worden.

    Häufig im Einsatz sei der Verkehrssicherheitsbeirat, der unter anderem mit Vertretern der Polizei, der Straßenverkehrsbehörde, aber beispielsweise auch mit Fahrschullehrern besetzt ist, die ja täglich die Situation vor Ort kritisch beobachten und praxisorientierte Verbesserungsvorschläge formulieren können.

    „Eine neue Chance hat sich für uns in Dillingen und dem Ortsteil Steinheim im Herbst 2015 ergeben. Da wurde die B16 neu fertiggestellt, die den überörtlichen Verkehr seitdem an der Stadt vorbeiführt“, sagt Hungbaur. Entlang der früheren Ortsdurchfahrt habe die Stadt gemeinsam mit dem Landkreis nach der Umwidmung der Straße ein innovatives Radfahrkonzept umgesetzt. Sogenannte „Schutzstreifen“ für Radler liefen nun auf beiden Straßenseiten, machten das Radfahren attraktiver und sorgten gleichzeitig für eine Beruhigung des motorisierten Verkehrs.

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