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Aichach/Friedberg: "Stadtluft macht frei": Muss die Landesausstellung umbenannt werden?

Aichach/Friedberg

"Stadtluft macht frei": Muss die Landesausstellung umbenannt werden?

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    Richard Loibl (links) und Peter Wolf vom Haus der Bayerischen Geschichte präsentieren das Kampagnenmotiv für die Landesausstellung 2020 im Wittelsbacher Schloss in Friedberg.
    Richard Loibl (links) und Peter Wolf vom Haus der Bayerischen Geschichte präsentieren das Kampagnenmotiv für die Landesausstellung 2020 im Wittelsbacher Schloss in Friedberg.

    Gut ein Jahr vor dem offiziellen Beginn ist die Bayerische Landesausstellung 2020 in aller Munde – allerdings auf eine Art und Weise, wie es sich die Verantwortlichen nicht gewünscht hätten. Denn um den Titel der Ausstellung, die von Mai bis November 2020 in Aichach und Friedberg stattfindet, ist ein Streit entbrannt. So fordert die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, die sofortige Umbenennung der Landesausstellung. Zu sehr erinnere sie deren Titel „Stadtluft macht frei. Wittelsbacher Städtegründer“ an die Vernichtungslager der Nazis, an deren Toren der Spruch „Arbeit macht frei“ angebracht war.

    Charlotte Knobloch fordert Umbenennung der Landesausstellung "Stadtluft macht frei"

    „Das ist ein ganz klarer Ausdruck, der jedem wehtut, der damit zu tun hatte“, argumentierte die Holocaust-Überlebende Knobloch imBayerischen Rundfunkund gab den Veranstaltern im Bayerischen Haus der Geschichte sogleich eine Handlungsempfehlung mit auf den Weg: „Ohne großes Aufheben sollte das ganz schnell geändert werden. Weil das vergiftet Menschen, vergiftet junge Menschen und hat einen sehr schlechten Beigeschmack“. Allerdings sorgte allein schon Knoblochs Äußerung dafür, dass um das Thema sehr wohl Aufheben gemacht wurde. Denn die Organisatoren sind gänzlich anderer Meinung als Knobloch.

    So herrscht in den Rathäusern der beiden Ausstellungsorte Unverständnis. „Ich versteh’s nicht. Ich schätze Frau Knobloch sehr, finde aber diese Kritik völlig überzogen", sagte Klaus Habermann (SPD), Bürgermeister in Aichach. Ähnlich klang Friedbergs Stadtoberhaupt Roland Eichmann (SPD). So „uralte und wichtige Rechtsbegriffe“ wolle er sich durch die nationalsozialistische Schreckensherrschaft nicht kaputtmachen lassen.

    Der Satz "Stadtluft macht frei" stammt aus dem Mittelalter

    Der Satz „Stadtluft macht frei“ reicht bis ins Mittelalter zurück und gilt als Ausdruck des Traumes vieler Menschen, nach einem Leben auf dem Land in Unterdrückung schließlich in der Stadt ihre Freiheit zu finden. „Der Satz hat Nullkommanull mit dem von den Nazis missbrauchten ,Arbeit macht frei‘ zu tun, sondern genau die gegenteilige Philosophie verkörpert“, erklärt Richard Loibl, Direktor des Hauses der Geschichte. Historiker kämen nie auf den Gedanken, die beiden Sätze miteinander in Verbindung zu bringen, und daher seien solche Gedanken, wie sie Charlotte Knobloch nun geäußert hat, auch bei der Planung der Landesausstellung „in keinster Weise aufgekommen“.

    Nichtsdestotrotz nehme er die Kritik Knoblochs „sehr ernst“ und begrüße daher auch die Initiative von Wissenschafts- und Kunstminister Bernd Sibler, der ein klärendes Gespräch zwischen den Beteiligten anregte. Er bedaure „zutiefst, dass das Motto der Ausstellung schmerzhafte Assoziationen an die Gräuel und Vernichtungsmaschinerie des Nationalsozialismus ausgelöst hat“, teilte Sibler mit. Ein „respektvoller und verantwortungsvoller Umgang mit den grauenhaften Verbrechen des Holocaust“ habe höchsten Stellenwert, sagte Sibler.

    Ob das schließlich dazu führt, dass die Bayerische Landesausstellung am Ende umbenannt wird, wollte Richard Loibl am Dienstag zumindest nicht ausschließen. „Wir werden das Thema intensiv und ergebnisoffen besprechen“, kündigte er an. Allerdings müsse man dabei auch bedenken, dass der Satz „Stadtluft macht frei“ nicht nur das Motto der Landesausstellung 2020 ist, sondern „beinahe in jedem Geschichtsbuch steht“, von amerikanischen Historikern nicht einmal übersetzt wird und eindrücklich die Entwicklung der Städte in Europa und die heute gelebte Freiheit beschreibe.

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