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Opferhilfe: Und wer denkt an die Opfer von Verbrechen?

Opferhilfe

Und wer denkt an die Opfer von Verbrechen?

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    Wird ein Mensch Opfer einer Straftat, leidet er oft über Jahre und lebt mit einer ständigen Angst.
    Wird ein Mensch Opfer einer Straftat, leidet er oft über Jahre und lebt mit einer ständigen Angst. Foto: beeboys, fotolia

    Auf dem Facebookprofil ist das Foto eines stolzen Vaters zu sehen. Liebevoll drückt der Mann sein Baby an die Brust. Zwei Söhne hat er, zwei und fünf Jahre alt. Es ist das Jahr 2016. Das Jahr, in dem der Mann aus Unterfranken mit seinen Kindern von einer Autobahnbrücke springt. Zum Sterben.

    Die Menschen fragten sich damals, was den Mann antrieb, ihn bewegte zu einer solch grausamen Tat. In der Öffentlichkeit rückte er, der Täter, in den Fokus. Zurück blieb eine Ehefrau, Mutter, ein Opfer.

    Rund eine Million Menschen wurden 2017 laut aktueller Kriminalstatistik Opfer von Straftaten. Was passiert mit ihnen? Wer hilft ihnen? Welche Möglichkeiten haben Menschen wie sie? Der Opferschutz in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut – doch Lücken bleiben.

    Die Stiftung Opferhilfe in Bayern leistet finanzielle Hilfe

    Die Stiftung Opferhilfe mit Sitz in München leistet für die Opfer von Straftaten finanzielle Hilfe. Rund 600.000 Euro hat die Stiftung im vergangenen Jahr bereitgestellt. Die traumatisierte Ehefrau und Mutter aus Unterfranken erhielt damals 20.000 Euro von der bayerischen Opferhilfe. Normalerweise liegt die Höchstgrenze bei 10.000 Euro. Sind die Fälle aber besonders schwerwiegend, gibt es Ausnahmen.

    „Wir können bei Schmerzensgeld nicht von Entschädigen sprechen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Hans-Werner Klotz. Wiedergutmachen ließen sich Taten wie die in Unterfranken nicht – das sei ihm bewusst. Doch Geld könne Betroffenen helfen, wieder zurück ins Leben zu finden.

    Mit ihrer finanziellen Unterstützung schließt die Stiftung die Lücken der gesetzlichen Leistungen. Beratend tätig sind sie nicht.Aber den Menschen werde durch jede Hilfe – ob finanziell oder emotional – deutlich gemacht, dass sie nicht in Vergessenheit geraten. Vergessen werden, das sei für die Menschen das Schlimmste, sagt Klotz.

    Taten lassen sich nicht wiedergutmachen

    Denn ob bei Attentätern, Fällen von Stalking, häuslicher Gewalt, sexuellem Missbrauch oder Mord: „Der Täter bietet die vermeintlich spannendere Geschichte mit einer entsprechend dunklen Dramaturgie“, sagt Tobias Langenbach vom Weißen Ring, mit knapp 50.000 Mitgliedern die größte deutsche Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer. Das könne faszinieren. Klotz kann das bestätigen. „Täter wirken interessanter, deshalb stehen die Opfer nicht im Fokus.“

    Früher galten Opfer bei der juristischen Aufarbeitung einer Straftat vor Gericht oft nur als Beweismittel, um den Täter zu überführen. Das habe sich geändert, sagt Stephanie Krüger vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Zahlreiche Gesetzgebungsvorhaben der vergangenen Jahre hätten die Situation der Opfer weiter verbessert.

    Prozessbegleiter haben kein Zeugnisverweigerungsrecht

    Seit Januar 2017 gibt es beispielsweise für Betroffene das Angebot, sich vor, während und nach einem Prozesses psychosozial betreuen zu lassen – ein Meilenstein für die deutsche Opferhilfe. Das Problem: Die Berater genießen kein Zeugnisverweigerungsrecht.

    Opfer müssten sich daher genau überlegen, was sie dem Prozessbegleiter erzählen und was lieber nicht. „Beratungsgespräche können dadurch nicht so vertraulich sein“, bedauert Christoph Gebhardt vom Arbeitskreis Opferhilfen in Deutschland. Das müsse sich ändern, fordert er. Das Bundesjustizministerium sieht dagegen keine Notwendigkeit für die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts.

    Der Bund muss erkennen, wie wichtig professionelle Opferhilfen sind

    Nach dem Opferentschädigungsgesetz könnten Betroffene psychotherapeutische Behandlungen erhalten. Doch erkennen Opfer, dass sie eine Therapie benötigen, kann es Monate dauern, bis ein geeigneter Therapieplatz frei wird.

    In der Zeit helfen vor allem die Opferhilfen. Mitarbeiter des Weißen Rings helfen zum Beispiel beim Beantragen von Entschädigungsleistungen, begleiten bei Gängen zum Gericht oder zur Polizei, leisten Beistand. „Sie hören zu, bieten Halt und Orientierung. Dieser Aspekt der menschlichen Zuwendung ist wichtig. Opfern wird damit das Gefühl gegeben, dass sie nicht alleine sind“, sagt Tobias Langenbach vom Weißen Ring. Das könne der Staat allein nicht leisten – und doch sei er in der Pflicht, den Opferschutz weiter zu verbessern.

    Der Bund müsse erkennen, dass ehrenamtliche Hilfe – auf der basieren die Stiftung Opferhilfe in Bayern und der Weiße Ring – nicht ausreiche, sondern professionelle Hilfe notwendig sei, betont Christoph Gebhardt. Gehe es zum Beispiel darum, ein Schloss auszuwechseln oder den Besuch zum Gericht zu begleiten, könnten Laien helfen. „Aber ist ein Opfer traumatisiert, braucht es Experten, um das zu erkennen.“

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