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Weltkriegsbomben: Experte warnt: Gefahr durch Blindgänger aus Zweitem Weltkrieg steigt

Weltkriegsbomben

Experte warnt: Gefahr durch Blindgänger aus Zweitem Weltkrieg steigt

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    Diese entschärfte Fliegerbombe wurde am 2012 in Dortmund aus einer Baugrube geborgen.
    Diese entschärfte Fliegerbombe wurde am 2012 in Dortmund aus einer Baugrube geborgen. Foto: Marius Becker, dpa (Symbolfoto)

    Der Zweite Weltkrieg ist seit 75 Jahren vorbei. Doch viele der Bomben und Granaten, die die Alliierten abwarfen, liegen bis heute im Boden. Während Bayern in den ersten Kriegsjahren noch nicht so stark durch Luftangriffe gefährdet war, richteten sich ab 1943 auch vermehrt Bombenangriffe gegen bayerische Städte, zum Beispiel gegen Regensburg, Schweinfurt, München und Nürnberg. In den letzten beiden Kriegsjahren wurden dann fast alle mittleren und größeren Städte in Bayern das Ziel von Bombenangriffen. Neben Würzburg, Nürnberg und Aschaffenburg zählte auch Augsburg mit 24 Prozent zerstörtem Wohnraum zu den am stärksten getroffenen bayerischen Städten. Kein Wunder also, dass in Augsburg und auch in ganz Bayern immer wieder Blindgänger auftauchen - so wie auf einem Acker in Lechhausen. Dort wurde vergangenes Jahr eine Bombe gefunden. Am Mittwoch wird sie beseitigt, dafür wird die Autobahn 8 zeitweise komplett gesperrt.

    Bei Bombenfunden ist in Bayern stets die Firma Tauber vor Ort, die im Freistaat zuständig ist für die Entschärfung und Vernichtung von gefundener Kriegsmunition. Wie gefährlich Blindgänger sind, erklärt Andreas Heil, der Betriebsleiter der Firma Tauber.

    Werden Bomben über die Jahre ungefährlicher?

    Die Konstruktionen der Bomben, die heutzutage gefunden werden, sind so erst seit dem Zweiten Weltkrieg im Einsatz. Es gibt laut Andreas Heil zu wenige Erkenntnisse, was nach langer Zeit mit den Bomben passiert oder wie diese sich langfristig verhalten. Heil ist sich allerdings sicher, dass die Blindgänger mit der Zeit nicht ungefährlicher werden - im Gegenteil. Denn in Bomben, die über die Zeit feine Risse entwickelt haben, könne Wasser eintreten. Durch die Mischung aus Wasser, Metall und Sprengstoff können ihm zufolge "extrem zündkräftige Stoffe" entstehen. Schon eine leichte Berührung würde diese Bomben dann zum Explodieren bringen, sagt er. Die Unberechenbarkeit der Blindgänger und somit die Bedrohung, die von ihnen ausgeht, nehme deshalb definitiv zu.

    Darüber hinaus wirken die Sprengstoffe im Grundwasser dem Experten zufolge krebserregend und bergen dadurch eine weitere Gefahr.

    Werden Bomben erst zur Gefahr, wenn sie ausgegraben oder bewegt werden?

    Nein. Bomben mit einem Langzeitzünder können auch ohne Erschütterung explodieren - und zwar noch viele Jahrzehnte nach deren Abwurf. Sie sind eine unberechenbare Bedrohung, sagt der Experte.

    Welche Rolle spielen Flüsse und Hochwasser bei der Bedrohlichkeit der Blindgänger?

    Hochwasser und fließende Gewässer können Munition, also auch Bomben und Granaten, bewegen. Dadurch wird deren Lagerort unberechenbar. Gerade von Granaten gehe dadurch eine "massive Gefahr" aus, sagt Heil. Aber selbst 500-Kilogramm-Bomben können durch Hochwasser von einem Ort zu einem anderen transportiert werden und somit an Stellen auftauchen, an denen man sie nicht vermutet hätte.

    Wie funktionieren Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg?

    Sprengmeister Andre Müller zeigt einen zerlegten chemischen Langzeitzünder.
    Sprengmeister Andre Müller zeigt einen zerlegten chemischen Langzeitzünder. Foto: Bernd Settnik, dpa (Symbol)

    Die Bomben, die die Alliierten im Zweiten Weltkrieg über Deutschland abgeworfen haben, funktionieren laut Heil alle nach einem ähnlichen Prinzip: Sprengstoff, meistens handelt es sich um TNT, ist von einem Metallmantel umschlossen. Im Sprengstoff ist außerdem eine sogenannte Übertragungsladung enthalten, die leichter entzündlich ist als der Sprengstoff selbst. Diese Übertragungsladung wird von einem Zündhütchen gezündet. Bei Bomben mit Aufschlagzündern wird das Zündhütchen aktiviert, indem es von einer Nadel durchstochen wird - also in der Regel beim Aufschlag.

    Bomben mit Langzeitzündern lösen hingegen zeitverzögert aus. Das liegt daran, dass der Schlagbolzen, der die Bombe zündet, von einem Ring oder einer Scheibe aus Kunststoff und mehreren Haltekugeln gegen Federdruck gesichert wird. Beim Abwurf der Bombe zerbricht eine acetongefüllte Glasampulle. Das Lösungsmittel Aceton tritt aus und zersetzt den Kunststoff. Die Haltekugeln werden anschließend in die aufgeweichte Kunststoffmasse gedrückt - sie geben den Schlagbolzen frei. Die gespannte Feder lässt den Schlagbolzen dann zum Zündhütchen schnellen. Die Bombe wird gezündet - in der Regel mit einer Verzögerung von wenigen Stunden bis zu sechs Tagen. Allerdings können die Bomben auch heute noch zünden.

    Warum werden Bomben oft erst bei Bauarbeiten gefunden?

    Eine historisch-genetische Rekonstruktion von Bombardierungsflächen sei zwar oft möglich, sagt Heil. Hierzu werden Luftbilder aus Kriegszeiten ausgewertet. Dennoch bleibt es dann erst einmal bei einem Verdacht, wo sich Bomben befinden könnten - sicher sein könne man sich nicht. Denn man weiß nicht, ob etwaige Bomben dort bereits geräumt wurden. Im Zweiten Weltkrieg und in den Jahren danach hat man Bombenentschärfungen nämlich nicht dokumentiert. Zudem ist die Suche nach Blindgängern aufwendig und kostspielig.

    Bauherren sind in Deutschland gesetztlich dazu verpflichtet, ein Grundstück vor Baubeginn hinsichtlich einer möglichen Kampfmittelbelastung untersuchen zu lassen. Sonst mache man sich im Falle eines Bombenfundes möglicherweise wegen Baugefährdung strafbar, erklärt Heil. Dennoch kommen seiner Erfahrung nach nicht immer alle Bauherren dieser Verpflichtung verantwortungsvoll nach.

    Könnten Experten nicht großflächiger suchen, um Zufallsfunde zu vermeiden?

    "Das kann man schon, aber wer bezahlt das?", sagt Heil. Zudem wäre man dem Betriebsleiter zufolge jahrzehntelang damit beschäftigt.

    Wie findet der Kampfmittelbeseitigungsdienst Bomben im Boden?

    Besteht ein Verdacht, dass sich irgendwo eine Bombe im Boden befinden könnte, gibt es drei Möglichkeiten, diese aufzuspüren: Mit Bodenradar, der jedoch nur maximal drei Meter tief reicht, mit geo-elektrischen Verfahren und mit Magnetik. Letztere ist dabei das Hauptverfahren, das angewandt wird.

    Wie lange müssen wir noch damit rechnen, auf Blindgänger zu stoßen?

    Alle Prognosen, die bisher dazu gemacht wurden, seien falsch gewesen, sagt Heil. Auch er könne nur Vermutungen anstellen. Er ist sich aber sicher, dass es sich nicht um Jahrzehnte dreht, sondern um eine noch längere Zeit. "Ich gehe von einer dreistelligen Jahreszahl aus", sagt Heil. "Es ist kein Ende abzusehen."

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