Herr von Brunn, die SPD im Landtag fordert rund 400 Millionen Euro pro Jahr mehr für die bayerischen Krankenhäuser. Ist der Notstand wirklich so groß?
Florian von Brunn: Ich war bei meiner Sommertour als SPD-Fraktionsvorsitzender in ganz Bayern unterwegs und habe viele Krankenhäuser besucht - in Augsburg, in Wolfratshausen, in München, in Franken. Es ist überall dasselbe Bild. Die Krankenhäuser sind in Not. Unsere Bürgermeister und Kreisräte sagen: Es muss etwas passieren, es kann so nicht weitergehen. Überall fehlen Pflegekräfte, überall fehlt Geld für Investitionen – zum Schaden der Patientinnen und Patienten. Um das zu ändern, haben wir einen Entwurf zur Reform des bayerischen Krankenhausgesetzes vorgelegt.
Frau Waldmann, Sie sind in der Landtags-SPD für die Gesundheitspolitik zuständig. Wie kommt denn die Summe zustande, die Sie fordern?
Ruth Waldmann: Die Unterfinanzierung der Krankenhäuser und der Investitionsstau haben ihre Ursachen in der Sparpolitik von Ministerpräsident Edmund Stoiber Anfang der 2000er Jahre. Wir haben das immer kritisiert. Das ist für uns im Landtag ein Dauerbrenner, weil die Investitionen halt nun einmal Ländersache sind. Ein bisschen mehr wird jetzt gemacht. Bayern gibt mittlerweile über 600 Millionen pro Jahr aus. Aber das ist immer noch zu wenig. Im Prinzip sind wir jetzt auf dem Stand, auf dem wir schon vor 20 Jahren hätten sein müssen. Der Investitionsbedarf für Kliniken liegt in Bayern bei mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Er wird ermittelt vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), das genau dafür zuständig ist. Die Forderung also ist seriös und deckt sich auch mit dem, was uns die Träger der Krankenhäuser sagen.
Sie stellen einen Zusammenhang her zwischen dem Investitionsstau auf der einen und dem Mangel an Pflegekräften auf der anderen Seite. Können Sie das näher erläutern?
Waldmann: Ein Krankenhaus finanziert sich aus zwei Quellen. Der laufende Betrieb soll durch Behandlungserlöse gedeckt werden. Investitionen – also zum Beispiel in neue Geräte oder Sanierungen – müssen Träger und Freistaat stemmen. Wir erleben aber seit Jahren, dass Krankenhäuser dringend notwendige Investitionen aus Behandlungserlösen quer finanzieren müssen, weil die Förderung durch den Freistaat nicht ausreicht. Die Folge ist: Es müssen mehr Behandlungserlöse erzielt werden. Das bedeutet mehr Druck auf die Pflegekräfte.
Von Brunn: Hinzu kommt, dass der Freistaat seine Möglichkeiten nicht nutzt, mehr qualifiziertes Personal zu gewinnen. Ich habe mit Trägern von Krankenhäusern in Gegenden gesprochen, in denen der Wohnraum extrem knapp ist. Sie würden gerne Werkswohnungen bauen, um ihren Pflegekräften bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können und so als Arbeitgeber attraktiver zu werden. Vom Freistaat aber gibt es dafür keine Förderung. Das wollen wir ändern. Und wir wollen, dass auch energetische Gebäudesanierung gefördert wird.
Das würde, wenn ich Sie richtig verstehe, noch einmal zusätzliches Geld kosten, also noch einmal über die geforderten 400 Millionen Euro pro Jahr hinausgehen.
Waldmann: Genau so ist es. Aber das Geld für energetische Sanierung wäre höchst sinnvoll eingesetzt. Ein Krankenhaus hat einen unglaublich hohen Energieverbrauch. Dass in der Vergangenheit nicht energetisch saniert wurde, fällt uns in der jetzigen Situation doppelt auf die Füße.
Von Brunn: Es ist schlichtweg absurd, wenn Photovoltaik auf dem Dach oder – wie zum Beispiel in Ochsenfurt bei Würzburg – Geothermie nicht gefördert wird. Wenn die Energiekosten gesenkt werden, können die Krankenhäuser viel Geld sparen. Und das wiederum käme am Ende den Patientinnen und Patienten zugute.
Für die Finanzierung des Gesundheitswesens ist nicht nur das Land, sondern auch der Bund zuständig. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gehört Ihrer Partei an. Kommt denn von dort genug Geld?
Waldmann: Aktuell gibt es da jede Menge konkrete Hilfen. Der Bund nimmt für die Krankenhäuser in Deutschland acht Milliarden Euro in die Hand, um ihnen bei den Energiekosten unter die Arme zu greifen.
In der ersten Lesung Ihres Gesetzentwurfs im Landtag ist Ihnen auch der FDP-Gesundheitspolitiker Dominik Spitzer zur Seite gesprungen. Er hat im Kern gesagt, dass Ihre Ideen zwar ganz gut seien, dass aber ohne eine grundlegende Strukturreform keine Verbesserung zu erwarten sei.
Waldmann: Selbstverständlich braucht es eine neue Struktur. Das hat auch Minister Lauterbach vorgeschlagen. Dazu gehört aber zuallererst eine echte Krankenhausplanung. Und das ist – das muss man immer wieder betonen – Ländersache. Die Krankenhausplanung – Wo brauche ich welche Betten? Welche Behandlungen sind auch ambulant möglich? – ist in Bayern äußerst wenig ambitioniert. Die Staatsregierung drückt sich vor einem echten Wandel. Das Ergebnis wird sein: Einige Krankenhäuser gehen pleite und müssen schließen. Eine vernünftige Versorgungsplanung sieht anders aus.